Ressourcen in der Schublade

Foto: Peter Freitag/pixelio.de

Fast jeder hat eines Zuhause im Keller oder in der Schublade: Ein altes und ausrangiertes Smartphone. Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass die darin enthaltenen Materialien ausreichen würden, um den Rohstoffbedarf aller neuen Smartphones der kommenden zehn Jahre zu decken. Rückführungs- und Recyclingprozesse müssen allerdings noch effizienter werden, um das Potenzial auszuschöpfen.

In deutschen Haushalten lagen 2022 dem IT-Branchenverband Bitkom zufolge ungefähr 210 Millionen Schubladenhandys, 87 Prozent der Bürger haben mindestens ein ausrangiertes Handy. Seltene Rohstoffe wie Gold, Palladium oder Platin schlummern also nicht nur tief im Boden, sondern oft auch in der eigenen Wohnung – wertvolle Rohstoffe, die auf dem Weltmarkt in Zeiten von Lieferengpässen und Konflikten nicht einfach zu bekommen sind.

Werden Rohstoffe und Materialien aus Altgeräten oder das Gerät selbst aufbereitet und wiederverwendet, spricht man von Kreislaufwirtschaft. Eine neue IW-Berechnung macht nun das Potenzial deutlich: Würden alle Handys und Smartphones, die in Deutschland ungenutzt herumliegen, recycelt, würden die gewonnenen Materialien den Bedarf für alle neuen Smartphones der nächsten zehn Jahre decken.

„Dass die Kreislaufwirtschaft in Zukunft immer wichtiger wird, zeigen drei globale Trends“, heißt es in der IW-Pressemitteilung. „Erstens wächst der Bedarf nach Rohstoffen mit der Weltbevölkerung. Insbesondere der steigende Konsum von Elektrogeräten ist ein Problem. Ausrangierte Geräte liegen oft in Schubladen und Kellern herum, das führt dazu, dass Rohstoffe knapper und teurer werden. Ein drittes Problem: Mit dem höheren Konsum steigen auch die Abfallmengen. Urban Mining, also die Gewinnung und Nutzung der Rohstoffe aus Altgeräten, schützt daher langfristig nicht nur die Umwelt. Es macht die deutsche Wirtschaft und die Verbraucher auch unabhängiger von Exportländern wie China.“

Gleichzeitig seien viele Recyclingprozesse noch nicht effizient genug, die Wiederverwertung lohne sich betriebswirtschaftlich nicht, schreibt das IW. Der reine Metallwert eines alten Handys liege bei 1,15 Euro, die Kleinteiligkeit der Geräte erschwere das Recycling. „Das Recycling stellt nur eine Lösung dar. Besser wäre es, bereits bei der Produktentwicklung Abfälle zu vermeiden oder die Geräte und ihre Komponenten für eine Wiederverwendung professionell aufzubereiten“, sagt Adriana Neligan, eine der beiden Auorinnen der Studie. Ein erster wichtiger Schritt wäre, dass die Verbraucher ihre ungenutzten Altgeräte zurückbringen. Aber auch die Politik müsse hier unterstützen, Tempo machen und für bessere Anreize bei der Sammlung sorgen.

Auch die Europäische Union hat das Thema Nachhaltigkeit für Elektronikgeräte entdeckt. Smartphones und Tablets sollen in der EU bald neuen Öko-Standards genügen. So sollen Hersteller verpflichtet werden, mindestens sieben Jahre lang Ersatzteile sowie technische Informationen und mindestens fünf Jahre lang Software-Updates nach dem Ausscheiden eines Produkts vom Markt zur Verfügung zu stellen.

Generalüberholte Elektronikgeräte sind eine nachhaltige Alternative zur Neuware. Der Markt wächst, auch weil zunehmend professionelle Kreisläufe durch Netzbetreiber, Firmenkunden und Refurbisher etabliert werden. Die Journalistin Matilda Jordanova-Duda schildert in einem Online-Beitrag für die Deutsche Welle   eine vielversprechende Initiative aus Düren bei Aachen: Die gemeinnützige GmbH AfB (Arbeit für Menschen mit Behinderung)  sammelt ausrangierte Firmen-Elektronik ein, prüft und reinigt sie, löscht vorhandene die Daten, repariert und rüstet auf, um die Geräte wieder in Umlauf zu bringen.  AfB ist ein zertifizierter Refurbisher, das Unternehmen existiert seit 18 Jahren und hat ca. 650 Mitarbeitende, gut die Hälfte von ihnen mit Behinderung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Messenger-News statt Vierfarb-Flyer?

Foto: Rolf Wenkel

Geht Euch das auch so? Jede Woche flattern mir mindestens zehn aufwendig gedruckte Vierfarb-Flyer des Einzelhandels ins Haus: HIT, Aldi, Rewe, Penny, Lidl, dazu noch ein Baumarkt, ein Elektromarkt, ein Getränkegroßhandel, mindestens zwei Möbelhäuser und ein Küchenstudio. Allerdings: Rund sieben von zehn Prospekten wandern bei mir sofort in die Tonne. Ungelesen. Muss das sein?

Der Kölner Handelsriese REWE hat mal ausrechnen lassen, was die bunten Prospekte für seine bundesweit rund 3.700 Filialen an Ressourcen verschlingen: Über 73.000 Tonnen Papier, 70.000 Tonnen CO2 , 1,1 Millionen Tonnen Wasser und 380 Millionen Kilowattstunden Energie pro Jahr, schreibt RWE in einer Pressemitteilung.

Jedes Jahr landen im Schnitt 40 Kilo an Papierprospekten in den Briefkästen der Republik. Das geht auch anders: Ob REWE, Aldi, Obi, Toom oder Netto – sie alle planen, die gedruckten Handzettel langfristig durch digitale Kommunikation ganz oder teilweise zu ersetzen. Im Gespräch sind besonders Messenger-Dienste wie WhatsApp, weil die auf fast jedem werberelevanten Endgerät verfügbar sind.

Ganz offensichtlich wollen die großen Handelsketten mindestens zwei, wenn nicht gar drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Umstellung auf digitale Werbekanäle wie Newsletter oder Messenger-Dienste gilt als modern und zukunftsorientiert, ist also gut für’s Image, man kann sich als grün, umweltbewusst und nachhaltig darstellen, weil man Ressourcen einspart, was auch gut für’s Image ist, und man spart nebenbei noch die Kosten für Papier und Energie, die dank des Kriegsverbrechers in Moskau in schwindelnde Höhen steigen.

Besonders forsch preschte der Kölner Handelsriese RWE nach vorn – mit der Ankündigung, zum 1. Juli diesen Jahres den Druck und den Vertrieb der bunten Prospekte ganz einzustellen. Indes. „Nur eine Woche nach Bekanntgabe (…) ruderte man in Köln zurück. Die Händler können selbst entscheiden, ob sie mitmachen oder nicht“, heißt es in einem Newsletter der EHI Retail Institute GmbH, dem Forschungsinstitut des deutschen Einzelhandels in Köln.

Überhaupt muss man sich die Frage stellen, ob man klima- und ressourcentechnisch so viel einspart, wenn die digitalen Prospekte demnächst im digitalen Messenger-Briefkasten und nicht in der Papiertonne landen. Es gibt Schätzungen, wonach der digitale Datenverkehr weltweit für etwa zwei Prozent der globalen CO2 –Emissionen verantwortlich und damit in etwa mit der Luftfahrtbranche vergleichbar ist. Und man kann ruhig davon ausgehen, dass gut die Hälfte der digital verursachten CO2 –Emissionen auf das Konto der digitalen Werbung und des Marketings geht. Das ist gewiss keine quantité négligeable.

Allerdings macht das EHI Retail Institute auch auf einen nicht zu unterschätzenden Vorteil aufmerksam: „Der Versand der Angebotsprospekte über Whatsapp hat den Charme, dass die Kund:innen aktiv zustimmen müssen. Durch das Opt-in trennen sich Spreu und Weizen. Außerdem bildet diese Variante der digitalen Kundenbindung die Grundlage für das Sammeln von Daten und Bilden von Nutzerprofilen – natürlich DSGVO-konform.“

Ja, ja, das wäre eine schöne Zukunftsvision: Null Werbung, es sei denn, ich habe ausdrücklich zugestimmt. Die Zukunft jedoch, so fürchte ich, wird eine andere sein: Ich werde digital mit Werbung zugeballert – und muss trotzdem 40 Kilo Papierprospekte pro Jahr entsorgen. Hybrid-Strategie nennt man das denn wohl unter den Marketingexperten.

Architektur-Tipp: Arp-Museum Rolandseck

An einem sonnigen Herbsttag mit knallblauem Himmel sind zwei Sujets besonders dankbare Fotomodelle: Der Laubwald und die moderne Architektur. Also sind wir los zum arp museum am Bahnhof Rolandseck am Rhein, kurz hinter dem südlichsten Zipfel Nordrhein-Westfalens oder andersherum im nördlichsten Zipfel von Rheinland-Pfalz. 

Wenn die elend viel befahrene Bundesstraße B 9 nicht wäre, könnte man glatt von einem idyllischen Fleckchen sprechen. Der Bahnhof Rolandseck ist für rund sieben Millionen Euro restauriert worden. Er sollte ursprünglich abgerissen und durch einen verkleinerten Neubau ersetzt werden, entwickelte sich Mitte der 1960er Jahre aber zu einem Zentrum kulturellen Lebens, in dem Künstler dort lebten, arbeiteten oder ihre Arbeiten präsentierten. Die Namen Hans Arp, Oskar Kokoschka, Bruno Goller, Günther Uecker, Gotthard Graubner, Stefan Askenase, Yehudi Menuhin, Hans Richter, Martha Argerich, Martin Walser und Marcel Marceau stehen für viele andere Künstler und Künstlerinnen. Am Hang über dem Bahnhof erhebt sich seit dem Jahr 2007 ein Neubau, der rund 24 Millionen gekostet hat und Hans Arp und seiner Frau Sophie Taeuber-Arp gewidmet ist.

 

 

 

 

 

Der Eintritt kostet elf Euro für Erwachsene – aber die sollten nicht allzuviel Arp erwarten. Böse Zungen sagen, dafür habe das Geld nicht gereicht, aber es ist wohl eher so, dass viele seiner Werke in Privatbesitz sind und der Mann zu Lebzeiten auch nicht genug Geld hatte, seine zahllosen Formen mit Bronze ausgießen zu lassen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lange gab es einen akademischen Streit darüber, ob seine posthum ausgegossenen Formen noch echte Arp-Plastiken sind oder Repliken. Wie der ausgegangen ist, weiß ich nicht, weil es mir egal ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

Interessanter ist in meinen Augen die Architektur von Richard Meier. Der Mann hätte sich eigentlich nach dem Bau des Getty-Museums in Los Angeles nach seinem Entwurf zur Ruhe setzen können, aber hier hat er einen Traum in Weiß in die Landschaft gesetzt, mit klaren und strengen geometrischen Formen, in dem selbst blutigen Laien wie mir ganz passable Architekturfotos gelingen.

 

 

 

 

 

 

 

Schön ist auch, dass das Personal offenbar keine Anweisungen hat, das Fotografieren zu verbieten, und schön ist auch die Terrasse des Bistros im Bahnhof Rolandseck mit Blick auf den Rhein.

Einziger Nachteil: Dort ist Nachmittags keine Sonne mehr. Aber mit diesem Manko müssen alle linksrheinischen Zeitgenossen im Rheinland leben. Das versuchen die natürlich mit Spott und Häme zu kompensieren. So lächeln die linksrheinischen Kölner über die Deutzer und die Bonner über die Beueler, sprechen sogar von der „schääl Sick“, also von der schiefen, der falschen Seite des Rheins. Manche behaupten sogar, am rechten Rheinufer begänne schon Sibirien. Nix da – bei uns scheint noch die Sonne, wenn Ihr schon längst im Dunkeln sitzt!

30 Jahre SMS

Foto: Peter Freitag/pixelio.de

„Merry Christmas“ stand in der ersten SMS. Sie wurde am 3. Dezember 1992 von einem Computer an den Vodafone-Mitarbeiter Richard Jarvis versendet. Drei Jahre später kam die SMS dann offiziell auf den Markt – und hat den Mobilfunkanbietern jede Menge Windfall-Profits in die Kassen gespült.  Jetzt ist es ruhig geworden um den Datendienst – doch totzukriegen ist er nicht.

„Richtig durchgesetzt hat sich die SMS als Kommunikationsmittel erst in den späten 1990er-Jahren, als Handys preiswerter wurden, die Preise für Mobilfunkdienste fielen und erste SMS-Flatrates auf den Markt kamen“, so zitiert WDR-Redakteur Jens Eberl Tanja Richter, Technikchefin von Vodafone.

Der Short Message Service, kurz: SMS, hat das Leben und die Kommunikation vieler Handynutzer geprägt. Die Kurzmitteilung war die vergleichsweise günstige Alternative zum teuren Handytelefonat. Unvergessen bleiben vielen die Erinnerungen an stundenlange Chats und Datenstau in der Neujahrsnacht. In der ersten Dekade des neuen Jahrtausends hatte die SMS ein beispielloses Rekordwachstum hingelegt. 1996 wurden gerade mal 41 Millionen SMS im ganzen Jahr geschrieben. Ab 1998 ging es dann steil bergauf. Im Jahr 2000 waren es bereits 14,8 Milliarden, und im absoluten Rekordjahr 2012 haben Deutschen fast 60 Milliarden Textnachrichten verschickt.

Was mich schon damals gestört hat: Die Mobilfunkanbieter haben seinerzeit Milliarden verdient, obwohl Ihnen durch den Short Message Service nie zusätzliche Kosten entstanden sind. Der Datenkanal, über den die 160 Zeichen laufen, wird ohnehin bei jeder Mobilfunk-Verbindung aufgebaut. Über diesen Kanal wird zum Beispiel die Rufnummer des Anrufenden angezeigt, sofern diese nicht unterdrückt wurde. Für eine SMS trotzdem 19 Cent zu verlangen, war ein wirklich starkes Stück. Windfall Profits nennt das der Fachmann. Aber wo sind die Milliarden-Einnahmen geblieben? Für Breitbandnetze auf dem platten Land sind sie jedenfalls nicht ausgegeben worden.

Seitdem ist es ruhiger geworden um die SMS. Messenger-Dienste wie WhatsApp, Signal oder Telegram haben ihr inzwischen den Rang abgelaufen. Dort lassen sich auch Fotos oder Videos verschicken. Folgerichtig ging die Nutzung der SMS stark zurück. Im Jahr 2021 berichtet die Bundesnetzagentur von knapp acht Milliarden SMS, was etwa 13 Prozent des Rekordjahres 2012 entspricht. Immerhin hat die Nutzung im Vergleich zu den Vorjahren wieder etwas zugenommen.

„Im Jahr 2004 wurde „simsen“ in den Duden aufgenommen, und 2011 schaffte es das Kürzel LOL (englisch: Laugh Out Loud, deutsch: lautes Auflachen) ins Oxford Dictionary“, berichtet Tagesschau-Redakteur Jens Eberl. Vor einem Jahr wurde dann die erste SMS mit ihrer „Merry Chistmas“-Botschaft für den guten Zweck versteigert. Die als sogenannter Non Fungible-Token, kurz NFT, angebotene Kurznachricht erzielte einen Preis von 107.000 Euro.

„Auch wenn die SMS nicht mehr den Charme vergangener Jahre versprüht, wird sie uns wohl noch länger erhalten bleiben“, ist sich Vodafone-Technik-Chefin Richter sicher. Sie ist einfach zu simpel und vor allem bei Zweifach-Authentifizierungen von Zugängen für Online-Dienste oder als Benachrichtigungsservice für Mailbox-Nachrichten noch immer unverzichtbar. Zudem kann die SMS als Netzdienst unabhängig von Apps genutzt werden. Der Schutz privater Daten kann damit prinzipiell noch besser gewährleistet werden. Der Standard funktioniert auf jedem Handy, benötigt keine Internetanbindung und keine gesonderte Anmeldung.

 

Influencer: Die Luft wird enger

Wer heutzutage einigermaßen geradeaus in ein Mikrofon oder eine Kamera stammeln kann, fühlt sich bald zum Influencer berufen. Ein Drittel aller zwischen 1997 und 2010 in Deutschland geborenen Menschen will seinen Lebensunterhalt als Influencer verdienen, sagen Studien. Das Institut der deutschen Wirtschaft warnt indes: Die Aufmerksamkeit des Pubkikums lässt sich nicht beliebig steigern.

Ach ja, Influencer im Internet: Gibt es doch da die schöne Erzählung, nach der Cristiano Ronaldo auf einer Pressekonferenz der Europameisterschaft 2021 durch das Beiseitestellen zweier Cola-Flaschen den Aktienkurs des weltbekannten Zuckerbrause-Produzenten aus Atlanta/Georgia einbrechen ließ. Seitdem ist klar, wie stark bekannte Persönlichkeiten den Ruf und dadurch die wirtschaftliche Situation einzelner Unternehmen beeinflussen können – im positiven wie im negativen Sinne.

Das Erfolgsrezept: Anders als herkömmliche Werbung wirken Empfehlungen von Influencern auf deren Follower wie ein freundschaftlicher Rat. Für die Unternehmen hinter dem Werbedeal heißt das: Kundenvertrauen ist fest eingebaut. Den werbenden Influencern bringen die gesponsorten Posts indes gutes Geld ein. Und die stetig steigenden Ausgaben für Influencer-Kampagnen legen den Schluss nahe, dass sich die moderne Marketingstrategie auch für die Firmen rentiert. Im Jahr 2021 gaben Unternehmen laut Influencer Marketing Hub weltweit mit fast 14 Milliarden Dollar mehr als doppelt so viel für Influencer-Marketing aus wie noch zwei Jahre zuvor.

Na, das ist doch mal ein richtig dicker Wirtschaftsfaktor: Während 2018 nur zwölf Prozent der deutschen Unternehmen bereit waren, mehr als 100.000 Euro für Influencer-Marketing auszugeben, waren es 2020 bereits 25 Prozent. Laut einer Umfrage des Bundesverbands Digitale Wirtschaft planten für das Jahr 2021 rund 45 Prozent der befragten Unternehmen, ihr Budget für Influencer-Marketing weiter zu erhöhen. Lediglich vier Prozent wollten weniger Geld als 2020 investieren.

Doch nicht nur die Nachfrage der Unternehmen nach werbenden Influencern wächst. Auch viele junge Menschen können sich mittlerweile vorstellen, ihr Geld über die sozialen Medien zu verdienen. Eine Umfrage von YouGov Deutschland unter den von 1997 bis 2010 Geborenen – auch bekannt als Generation Z – zeigt: Fast ein Drittel der Generation Z ist nach eigenen Angaben schon Vollzeit-Influencer oder möchte es werden, sechs Prozent der Befragten verdienten 2021 so bereits ihren Lebensunterhalt.

Auf Plattformen wie Instagram, YouTube und TikTok schießen Influencer derzeit immer noch wie Pilze aus dem Boden. Das Geschäftsmodell beruht natürlich einzig und allein auf der Neugierde und der Aufmerksamkeit ihrer Follower. „Aufmerksamkeit ist aber keine unendliche Ressource“, sagt Barbara Engels, Senior Economist für nachhaltige Digitalisierung beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. „Denn die Anzahl der Menschen, die eine Person wahrnehmen und mit denen sie interagieren kann, ist begrenzt. Das gilt auch für Influencer, die ihre Follower teilweise wie Freunde im Alltag begleiten. Mit höchstens 150 Menschen kann eine Person Studien zufolge in regelmäßigem Kontakt bleiben. Verwendet man diese Zahl für den deutschen Influencer-Markt, zeigen sich die Grenzen des Wachstums.“

Barbara Engels, Senior Economist für nachhaltige Digitalisierung beim IW in Köln (Quelle: IW )

Nicht jeder Influencer kann von seiner Arbeit in sozialen Medien leben. Erst ab einer Followerzahl von mindestens 20.000, eher noch 100.000, kann man davon ausgehen, dass ein Influencer damit seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Gäbe es im deutschen Markt nur mittelgroße Influencer mit 20.000 Followern, würde – unter Berücksichtigung der 150er-Regel – die Aufmerksamkeit der deutschen Internetnutzer ausreichen, um 543.000 Influencer im Markt zu halten, schreibt Barbara Engels in einer IW-Studie. Bereits jetzt verdienen laut Umfragen allein 500.000 Menschen der Generation Z ihren Lebensunterhalt als Influencer. Hinzu kommen noch Influencer anderer Generationen, und Influencer aus dem Ausland – unter diesen Annahmen dürfte der Markt als gesättigt angesehen werden.

Gleichzeitig ist die Branche in Bewegung: Neue Influencer gewinnen Follower, ältere verlieren sie, oder zumindest ihre Aufmerksamkeit. Eine längere Karriere als Influencer bestreiten zu können, ist nur den wenigsten vergönnt. Aber: Influencer sind nur ein Teil der Wertschöpfungskette. Unternehmen, die Influencer monetarisieren, ihnen eine Plattform bieten oder an Audio- und Videoinhalten mitarbeiten, sind Teil eines wachsenden Marktes. „Junge Menschen, die sich für eine Karriere als Influencer interessieren, sollten sich bei der Berufswahl eher an den angrenzenden Bereichen wie der IT-Branche orientieren“, rät IW-Digitalisierungsexpertin Barbara Engels. „Die Chancen stehen schlecht, dauerhaft als Influencer Geld zu verdienen.“

Übrigens, nicht dass ich falsch verstanden werde: Ich mag viele Blogs und Vlogs, sie sind oft sehr unterhaltsam und auch nützlich, z.B. wenn Dir jemand erklärt, was in der chinesischen Gebrauchsanleitung steht oder wie man eine Artemide Tizio aus den 70er Jahren auf LED umrüstet. Die Betreiber haben einfach Spaß und vermutlich, wie das Finanzamt sagt, keine Gewinnerzielungsabsicht. Da sind immer nette Sachen dabei, aber ein ernstzunehmender Berufswunsch sollte das in meinen Augen für junge Menschen mit Perspektive auf die Zukunft nicht sein.

Rottet sich die AfD selbst aus?

Grafik: Tim Reckmann / pixelio.de

 

 

Eine bereits länger gefühlte Wahrheit ist jetzt wissenschaftlich dingfest gemacht: Es ist kein Zufall, dass in AfD-Hochburgen auch die Corona-Inzidenzen überdurchschnittlich sind, berichtet die Katholische Nachrichten-Agentur KNA. 

 

Durch die Auswertung von umfangreichem Datenmaterial haben Forscher aus Jena und München nachgewiesen: Der AfD-Zweitstimmenanteil hat “signifikante Effekte“ auf die regionalen Anstiege der Corona-Infektionszahlen in den ersten beiden Wellen. Signifikant heißt in der Wissenschaft: Nicht mehr durch den Zufall erklärbar.

Als Grundlage für die Studie dienten die Wahlergebnisse und Nichtwähleranteile der letzten Bundestagswahlen sowie die Daten zum Infektionsgeschehen im vergangenen Jahr in allen 401 deutschen Kreisen und kreisfreien Städten. Die Forschungsarbeit stellt fest: Die durchschnittliche Infektionshöhe in der ersten Pandemiewelle ist dort um 2,2 Prozentpunkte erhöht, wo das Wahlergebnis der AfD um einen Prozentpunkt ansteigt.

„Damit liegt statistisch die Infektionshöhe in einem Kreis mit 20 Prozent AfD-Zweitstimmenanteil circa 22 Prozentpunkte über einem Kreis mit einem Stimmenanteil von lediglich 10 Prozent“, erklärt der Soziologe und Mitautor der Studie, Christoph Richter. Dies gelte für West- und Ostdeutschland gleichermaßen. Andere Erklärungen schlossen die Autoren aus.

Denn die Wissenschaftler vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena, die dem Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt angehören, und vom Helmholtz Zentrum München zogen auch weitere soziostrukturelle Variablen wie die wirtschaftliche Situation, Mobilität, Grenznähe, Lebenserwartung und Altersstruktur in ihre Untersuchungen ein. Jedoch keiner dieser insgesamt 48 Faktoren lieferte eine alternative Erklärung.

Steigende Corona-Zahlen ließen sich auch im Zusammenhang mit rechtsextremen Kleinstparteien und Nichtwähler-Anteilen beobachten. Ein ähnlicher Effekt konnte jedoch nicht für die anderen im Bundestag vertretenen Parteien ausgemacht werden.

Schon im Sommer wies eine Studie der TU Dresden in eine ähnliche Richtung. Sie befasste sich mit der Pandemie in Sachsen. Ein besonders hohes Maß an Ablehnung der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie lasse sich vor allem bei AfD-Sympathisanten finden. Sie neigten zudem überdurchschnittlich oft dazu, sich nicht impfen lassen zu wollen.

Die Arbeit der TU legte zudem offen, dass “pandemieskeptische Einstellungen und ein Corona-bezogenes Verschwörungsdenken“ verbreitet bei jenen Personen sind, die mit der AfD sympathisieren. Auch die Jenaer Wissenschaftler verwiesen im Blick auf andere Forschungsarbeiten darauf, dass rechtspopulistische und rechtsextreme Einstellungen und Verschwörungsglauben “stark“ miteinander korrelieren. Dies zeige sich unter anderem in einer Skepsis bis hin zur offenen Ablehnung derjenigen demokratischen Institutionen, die Entscheidungsrelevanz in der Pandemie besäßen.

Das Feindbild der eigenen Regierung ist das Narrativ, dessen sich auch die AfD bedient. Die Forscher vom IDZ bescheinigen der Partei eine “beachtliche inhaltliche Kehrtwende“ in ihrer Corona-Politik. Bis April 2020 noch forderte sie Grenzschließungen und effektivere Schutzmaßnahmen. Es folgte der Ruf nach sofortiger Beendigung der Maßnahmen. Die AfD zielte “auf die Delegitimierung demokratischen staatlichen Handelns und beförderte die in der Pandemie aktualisierten Anti-Establishment-Haltungen“, beschreiben die Autoren.

Ihre Studie galt der ersten und zweiten Pandemie-Welle. Ausgehend von den Ergebnissen sei anzunehmen, dass rechte Einstellungen jedoch auch bei der aktuellen vierten Welle und einer mangelnden Impfbereitschaft verstärkt auf die Pandemie einwirkten. Bei der Bundestagswahl 2021 kam die AfD in Sachsen auf 24,6 Prozent der Zweitstimmen. In der vergangenen Novemberwoche überschritt die Inzidenz im Freistaat die Tausendermarke. In beiden Fällen führt das Bundesland die Statistik an.

Führende AfD-Vertreter wie etwa die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel brüsten sich geradezu damit, nicht geimpft zu sein und nutzen dies auch zur politischen Instrumentalisierung. Sie werde die Interessen der Ungeimpften und derer, die sich diskriminiert fühlten, im Bundestag “bis zum Ende vollumfänglich vertreten und sie verklagen und jagen, bis es nicht mehr weitergeht“.

Als das Erzbistum Berlin bekanntgab, dass für die Gottesdienste in der Advents- und Weihnachtszeit weitgehend 2G-Auflagen gelten sollten, warf die Brandenburger AfD der Kirche prompt vor, sie diskriminiere damit die Ungeimpften. An ihre Zielgruppe gewandt sagte die kirchenpolitische Fraktionssprecherin Kathleen Muxel: “Wer an den Herrn glaubt, sollte sich vor der Plage Corona nicht ängstigen.“

Nix wissen, aber über die Demokratie lästern

Foto: Rolf Handke / pixelio.de)

 

Wer überwiegend oder gar ausschließlich das Internet oder die so genannten Sozialen Medien nutzt, um sich über ökonomische oder soziale Sachverhalte in Deutschland zu informieren, der liegt oft krass daneben. Das gilt besonders AfD-Anhänger, die klassischen Medien misstrauen und Facebook, Twitter und Co. für seriöse Quellen halten.

 

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat gemeinsam mit der Ruhr-Universität Bochum über 1.000 Menschen befragt, um herauszufinden, wie gut sie soziale und wirtschaftliche Kennzahlen zu Armut, Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Erneuerbare Energien und Verkehrstoten einschätzen können.

Die Studie hat den etwas sperrigen Titel: „Selektiver Medienkonsum und sozioökonomisches Unwissen: Ein Katalysator für Unzufriedenheit?“ Ein Ergebnis: Wer sich überwiegend oder ausschließlich im Internet tummelt, schätzt Altersarmut, Kriminalität oder Arbeitslosigkeit besonders hoch ein – während Konsumenten klassischer Medien wie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder überregionaler Zeitungen mit ihren Schätzungen oft besser abschneiden.

Wie viele Menschen sind in Deutschland von Armut bedroht? Im Schnitt schätzen die Bundesbürger diesen Anteil auf 35 Prozent. Doch tatsächlich lag die Armutsgefährdungsquote im Jahr 2019 laut Mikrozensus bei rund 16 Prozent. Gefragt nach der Arbeitslosenquote in Deutschland  tippen die Befragten im Durchschnitt auf 23 Prozent, obwohl sie zum Zeitpunkt der Befragung bei rund sechs Prozent lag.

Noch gravierender ist der Unterschied, wenn nach der Arbeitslosenquote ausländischer Mitbürger gefragt wird: Im August 2020 lag sie bei 15,6 Prozent, doch die Teilnehmer der Studie schätzen sie im Schnitt auf 41 Prozent. Auch bei den Themen Altersarmut und Kriminalität schätzen die Befragten die Realität pessimistischer ein als sie die amtliche Statistik zeigt. „Unsere Untersuchung zeigt, dass Befragte mit starken Fehleinschätzungen eher unzufrieden mit der Demokratie in Deutschland, der sozialen Gerechtigkeit und dem sozialen Sicherungssystem sind“, sagt Studienautorin Judith Niehues laut Pressemitteilung des IW.

Dr. Judith Niehues, Leiterin der Forschungsgruppe Mikrodaten und Methodenentwicklung (Foto: IW)

Wer sich vor allem in klassischen Medien wie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder in überregionalen Zeitungen über politische Themen informiert, schneidet oft besser ab als jemand, der politische Informationen vorrangig über Soziale Medien beziehet, ist ein Ergebnis der Studie.

Zudem fällt auf, dass Fehleinschätzungen im Bereich Altersarmut, Entwicklung von Kriminalität und Arbeitslosigkeit von Ausländern bei Anhängern der AfD besonders hoch ausfallen – gleichzeitig informieren sie sich besonders häufig in Sozialen Medien. Während unter den übrigen Befragten 24 Prozent ihre Nachrichten vorrangig in Sozialen Medien konsumieren, sind es unter den AfD-Anhängern knapp 42 Prozent.

„Anhand der Auswertung wird deutlich, dass ökonomische Bildung das Potential hat, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Vertrauen in die Demokratie zu stärken“, sagt Bodo Hombach, Vorsitzender der privaten Brost-Stiftung in Essen, die diese Befragung gefördert hat. „Zudem sollte die digitale Souveränität gefördert werden, denn Quellenkompetenz wird vor dem Hintergrund der neuen Medienlandschaft immer wichtiger.“

Hier geht’s zum Download der Studie

Und hier geht’s zur Brost-Stiftung

 

Mehr Covid-Infekte durch Querdenker

Das Titelblatt der Studie Quelle: ZEW

Heute bin ich auf eine Pressemitteilung des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW gestoßen, die ich für bemerkenswert halte: Die „Querdenker“-Demos im November 2020 haben dazu beigetragen, dass sich das Corona-Virus innerhalb Deutschlands stark verbreitet hat, zeigt eine aktuelle Studie des ZEW und der Humboldt-Universität zu Berlin. Untersucht wurde, wie sich die zwei großen „Querdenken“-Kundgebungen im November 2020 auf die Sieben-Tage-Inzidenz bis Ende Dezember ausgewirkt haben. Ich bin ehrlich: Mein Mitleid mit denen, die sich dort infiziert haben, hält sich in Grenzen.

Untersucht wurde das Infektionsgeschehen in den Landkreisen, aus denen zehntausende Demonstranten zu den Kundgebungen am 7. November 2020 in Leipzig und am 18. November 2020 in Berlin anreisten. Um diese Orte zu bestimmen, nutzen die Autoren der Studie Informationen über das Angebot von Busreisen eines Netzwerks von Busunternehmen, das sich seit Sommer 2020 auf die Beförderung von Demonstranten zu den „Querdenken“-Kundgebungen spezialisiert hat.

So stieg die Sieben-Tages-Inzidenz nach den Demonstrationen deutlich stärker in Landkreisen an, die Städte mit einer solchen Busverbindung beinhalten, als in Landkreisen ohne solche Busverbindungen. Dies hatte bis Weihnachten einen Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz um 40 in den betroffenen Landkreisen zur Folge.

Die Wissenschaftler schätzen, dass bis Weihnachten zwischen 16.000 und 21.000 Covid-19-Infektionen hätten verhindert werden können, wenn diese beiden großen „Querdenker“-Kundgebungen abgesagt worden wären. „Die Analyse von ZEW und Humboldt-Universität quantifiziert somit erstmals den Zielkonflikt zwischen der Einschränkung von Freiheitsrechten und gesundheitspolitischen Maßnahmen zum Infektionsschutz“, heißt es in einer am 09.02.2021 veröffentlichten Pressemitteilung des ZEW.

Das individuelle Verhalten – wenn Personen beispielsweise entgegen der geltenden Regeln keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen oder Abstandsregeln missachten – kann laut ZEW-Analyse große Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben. „Eine mobile Minderheit, die sich nicht an geltende Hygieneregeln hält, kann so ein erhebliches Risiko für andere Personen darstellen“, sagt der ZEW-Wissenschaftler und Koautor der Studie, Martin Lange.

Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung wichtige Datensätze zur Verfügung. Das Institut berät Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene. Es untersucht vor allem, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW Mannheim rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen rund zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.

Hier geht es zum Download der Studie

 

 

Exitstrategie nach dem Shutdown gesucht

Foto: fotoART-by-Thommy-Weiss_pixelio.de

Die Beschränkungen in Gesellschaft und Wirtschaft allmählich zu lockern und dabei die medizinische Versorgung der gesamten Bevölkerung zu sichern – dafür plädiert jetzt eine interdisziplinäre Gruppe renommierter Wissenschaftler. In ihrem Positionspapier zeigen die Forscher um ifo-Präsident Clemens Fuest und Martin Lohse, Präsident der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, Wege zu diesem Ziel auf.

Die Strategie sieht vor, derzeitige Einschränkungen differenziert und unter kontinuierlicher Abwägung der Risiken nach und nach zu lockern. Priorität genießen müssten dabei Beschränkungen, die hohe wirtschaftliche Kosten verursachen oder zu starken sozialen und gesundheitlichen Belastungen führen, schreiben die Autoren in ihrem 30seitigen Strategiepapier, das man hier als pdf-Download findet.

Regionen mit niedrigen Infektionsraten und freien Kapazitäten im Gesundheitssystem könnten, so der Vorschlag der 14 Experten aus deutschen Universitäten und Forschungsinstituten, beim allmählichen Neubeginn vorangehen. Beginnen sollten zudem Sektoren mit niedriger Ansteckungsgefahr wie zum Beispiel hochautomatisierte Fabriken sowie Bereiche mit weniger gefährdeten Personen, etwa in Schulen und Hochschulen.

„Die aktuellen Beschränkungen sind sinnvoll und zeigen erste Wirkung“, sagt Martin Lohse, Mediziner und Präsident der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ). Allerdings hätten die Maßnahmen neben hohen wirtschaftlichen und sozialen Kosten auch gravierende medizinische Folgen, etwa für Patienten mit anderen schweren Erkrankungen. „Ein genereller Shutdown ist keine langfristige Lösung“, sagt Martin Lohse.

„Gesundheit und eine stabile Wirtschaft schließen sich keineswegs aus“, sagt Clemens Fuest, Ökonom und Präsident des Münchener ifo-Instituts. Beides bedinge sich vielmehr gegenseitig: „So wie eine positive wirtschaftliche Entwicklung bei unkontrollierter Ausbreitung des Virus nicht möglich ist, lässt sich auch die Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitswesens ohne eine funktionierende Wirtschaft nicht aufrechterhalten“, so Fuest. Continue reading „Exitstrategie nach dem Shutdown gesucht“

No deal for Trump

 

Impfstoff first for America? (Foto: Andreas Hermsdorf_pixelio.de)

US-Präsident Donald Trump hat offenbar versucht, sich Deutschland einen möglichen Impfstoff gegen das Coronavirus exklusiv für die USA zu sichern. Berlin hat empört reagiert, und die Firma versichert: Es gibt kein Milliardengeschäft mit der Krise.

 

 

Zwischen Deutschland und den USA gibt es in der Coronavirus-Krise Streit um ein Tübinger Pharma-Unternehmen, das an einem Impfstoff arbeitet. Auf die Frage, ob es aus der US-Regierung den Versuch gegeben habe, das deutsche Unternehmen CureVac für eine sehr hohe Geldsumme zu übernehmen, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer am Sonntag in Berlin: „Ich kann nur sagen, dass ich heute mehrfach gehört habe von Regierungsmitgliedern, dass dies zutrifft und dass wir da morgen im Krisenstab darüber reden.“

Zuerst hatte die „Welt am Sonntag“darüber berichtet. US-Präsident Donald Trump versuche, deutsche Wissenschaftler mit hohen finanziellen Zuwendungen nach Amerika zu locken oder das Medikament exklusiv für sein Land zu sichern, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Regierungskreise in Berlin. Der US-Präsident biete dem Bericht zufolge der Firma einen hohen Betrag, um sich deren Arbeit exklusiv zu sichern. Trump tue alles, um einen Impfstoff für die USA zu bekommen – aber eben nur für die USA, schreibt die Zeitung und beruft sich auf Kreise in der Bundesregierung.

Ein Exklusivvertrag etwa mit den USA für einen Corona-Impfstoff kommt für CureVac nach einem Bericht der Zeitung „Mannheimer Morgen“ allerdings nicht in Frage. „Wir wollen einen Impfstoff für die ganze Welt entwickeln und nicht für einzelne Staaten“, hieß es. Seit Januar forscht CureVac an einem Impfstoff gegen das Coronavirus.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier lobte in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ am Sonntagabend die Tübinger Firma dafür, dass sie für die US-Avancen nicht zur Verfügung steht. Das sei eine großartige Entscheidung. Deutschland stehe „nicht zum Verkauf“, sagte Altmaier.

Das Bundesforschungsministerium wies zudem darauf  hin, dass die dortige Forschung mit staatlichen Geldern gefördert werde. „Der exklusive Verkauf eines eventuellen Impfstoffes an die USA muss mit allen Mitteln verhindert werden. Der Kapitalismus hat Grenzen“ schrieb der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach auf Twitter. Scharfe Kritik wegen US-Begehrlichkeiten kam auch von der stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Bärbel Bas: „Wenn es einen Impfstoff gibt, muss er allen zur Verfügung stehen. Alles andere wäre ein Skandal. Bei einer Pandemie geht es um alle Menschen und nicht um America first“.