Fremdenfeindlichkeit lässt etwas nach

Foto: Dieter Schütz / pixelio.de

Die Skepsis gegenüber Zuwanderung von Flüchtlingen ist in Deutschland seit 2015 gesunken. Das geht aus einer am Donnerstag (29.08.19) in Gütersloh veröffentlichten Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung hervor. Demnach sind zwei Drittel der Bevölkerung der Ansicht, Einwanderer seien vor Ort willkommen. Rund 80 Prozent nehmen auch eine Offenheit in den kommunalen Behörden wahr. Einen positiven Effekt von Einwanderung auf die Wirtschaft erwarten etwa 65 Prozent.“

„Deutschland hat den Stresstest der Fluchtzuwanderung ab 2015 gut gemeistert und stabilisiert sich als pragmatisches Einwanderungsland“, sagte Stiftungsvorstand Jörg Dräger. Die Bevölkerung habe die Herausforderungen von Migration klar vor Augen, sehe aber auch die Chancen für eine alternde Gesellschaft. Die Meinung, Deutschland habe bei der Aufnahme von Flüchtlingen seine Belastungsgrenzen erreicht, vertreten – anders als 2017 – die Befragten nicht mehr mehrheitlich, heißt es weiter.

Allerdings gibt es laut Untersuchung weiterhin auch skeptische Einschätzungen. So meint rund jeder Zweite, dass es zu viel Zuwanderung (52 Prozent) gebe. Eine Mehrheit befürchtet auch, zu viele Migranten würden die Wertvorstellungen des Aufnahmelandes nicht übernehmen. Nicht ganz drei Viertel (71 Prozent) der Studien-Teilnehmer meinen, Migration belaste die deutschen Sozialsysteme. In allen Fällen aber hätten die Werte 2017 deutlich höher gelegen, so die Studienautoren. Die Skepsis in der Bevölkerung gegenüber der Einwanderung sei seither nicht weiter gestiegen, sondern habe rückläufige Tendenz.

Laut Studie akzeptieren die Menschen in Deutschland die Folgen von Zuwanderung zunehmend. Für rund zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten machen Migranten das Leben interessanter. Etwa genauso viele (64 Prozent) sehen Einwanderung als Mittel gegen Überalterung der Gesellschaft. Dass Zuwanderung den Fachkräftemangel ausgleiche, bejahen 41 Prozent. Bei diesen Aspekten weist die Studie steigende Tendenzen gegenüber 2017 aus.

Wie ausgeprägt die Willkommenskultur ist, ist den Angaben zufolge abhängig vom Alter, regional verschieden und hängt auch mit dem Bildungsgrad zusammen. Je höher die Bildungsabschlüsse sind, desto offener sind die Befragten für Zuwanderung. Jüngere sind häufiger positiv eingestellt als Ältere. In Ostdeutschland sind die Menschen skeptischer als in Westdeutschland. Continue reading „Fremdenfeindlichkeit lässt etwas nach“

EZB: Euro-Banken leiden immer noch

Andrea Enria (Foto: Europäische Zentralbank, Frankfurt am Main)

Die Banken in der Eurozone sitzen als Folge der globalen Finanzkrise des Jahres 2008 immer noch auf faulen Krediten in Höhe von rund 580 Milliarden Euro. „Der Anteil der faulen Kredite am Gesamtvolumen ist im Euroraum immer noch deutlich höher als beispielsweise in den USA oder Japan“, sagte der Chef der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB), Andrea Enria, in einem Interview, das die EZB am Mittwoch (28.08.19) auf ihrer Webseite veröffentlicht hat. Die meisten dieser notleidenden Kredite seien bei Instituten in Italien, Griechenland, Zypern und Portugal zu finden, sagte Enria weiter.

Die Banken der Vereinigten Staaten hätten die Finanzkrise weitaus besser und schneller verarbeitet als der europäische Bankensektor, sagt Enria. So hätten US-Banken schon vier Jahre nach der Lehman-Pleite ihr Vorkrisenniveau wieder erreicht, während europäische Banken auch nach zehn Jahren noch nicht ihr Vorkrisenniveau erlangt hätten.

Im Zuge des Brexits werden Geldhäuser nach Einschätzung der EZB-Bankenaufsicht in erheblichem Umfang Geschäfte in den Euroraum umschichten. „Am Ende des Prozesses werden wir Vermögenswerte in Höhe von etwa rund 1300 Milliarden Euro haben, die von London in den Euroraum verlagert werden“, sagt Enria. 24 Banken werden nach seinen Angaben umziehen. sieben davon werden unter direkter Aufsicht der EZB stehen, die 17 anderen fallen unter die jeweilige nationale Aufsicht ihrer künftigen Standorte. Die EZB mit Sitz in Frankfurt überwacht seit 2014 die größten Geldinstitute im Euroraum direkt. Derzeit sind es 114 Banken und Bankengruppen.

Der angestrebte britische EU-Austritt zwingt Banken am Finanzplatz London, sich zumindest teilweise umzuorientieren. Denn sobald Großbritannien aus der Europäischen Union ausgeschieden ist, dürfen Banken nicht mehr wie bisher von London aus Finanzgeschäfte in der EU betreiben. Für Dienstleistungen wie Einlagen- und Kreditgeschäfte benötigen die Institute rechtlich selbstständige Einheiten in einem EU-Staat. Sprich: Sie müssen einen Sitz in der EU und eine Lizenz in einem EU-Mitgliedsland haben, um Geschäfte auch in allen anderen EU-Staaten zu machen. Viele der betroffenen Banken zieht es deshalb nach Frankfurt.

Eigentlich wollten die Briten Ende März die EU verlassen haben, doch da es im Parlament in London keine Mehrheit für das Austrittsabkommen mit Brüssel gab, bekam Großbritannien Aufschub bis Ende Oktober. Die Banken hätten die nötigen Vorkehrungen getroffen, stellte Enria fest. „Wir haben die besten Vorbereitungen getroffen, die wir treffen konnten, die Banken haben unsere Auflagen erfüllt, und es besteht ein Notfallplan.“ Dennoch sei der Brexit ein Ereignis, „das immer mit Schocks und Turbulenzen auf den Finanzmärkten einhergehen kann“, sagte Enria. „Das bereitet uns ein wenig Kopfzerbrechen.“

Das ganze Interview in Englisch steht hier.

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Was tun gegen die Plastik-Pest?

Gili Islands, Lombok, Indonesien (Foto: Brian Yurasits @brian_yuri)

Plastik ist bei uns mittlerweile schwer in Verruf gekommen – spätestens seit den Meldungen über vermüllte Ozeane und Mikroplastik im Trinkwasser beginnen viele Menschen nachzudenken über ein Produkt, das die Natur nur sehr schwer abbauen kann. Trotzdem steigt die globale Produktion von Plastik immer noch. Allein die USA planen, ihre Plastikproduktion in den nächsten Jahren um 30 Prozent zu steigern. Weil 99 Prozent allen Plastiks aus fossilen Brennstoffen wie Öl, Gas und Kohle hergestellt werden, sind die klimaschädlichen Emissionen entlang des Lebenszyklus von Plastik enorm.

Um der Plastikflut Einhalt zu gebieten, konzentrieren sich aktuelle Bestrebungen vor allem auf die Abfallwirtschaft und die Konsumenten. Die Plastikhersteller ducken sich weg und sind froh, dass die Verantwortung für die Plastikkrise den Verbrauchern und der Entsorgungswirtschaft zugeschoben wird. Das Meinungsforschungsinsitut Forsa hat im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung eine repräsentative Befragung zur Regulierung der Plastikproduktion und des Plastikverbrauchs durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen: Bei der Frage, ob die Politik die Plastikkrise stärker bekämpfen soll, haben die Deutschen eine klare Haltung: Sie wünschen sich deutlich mehr Regulierung. Continue reading „Was tun gegen die Plastik-Pest?“

Die „Schwarze Null“ – ein unnötiger Bremsklotz

Foto: Frank Ulbricht / pixelio.de

Der deutsche Fiskus schwimmt in Geld. Trotz der Konjunkturflaute haben Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen im ersten Halbjahr gut 45 Milliarden Euro mehr eingenommen als sie ausgegeben haben, sagt das Statistische Bundesamt.

In den ersten sechs Monaten profitierte der Staat von Steuereinnahmen und sprudelnden Sozialbeiträgen. Bezogen auf die jährliche Wirtschaftsleistung lag der Überschuss bei 2,7 Prozent. Es war der zweitbeste Wert seit der Wiedervereinigung in einem ersten Halbjahr. In den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres hatte der Überschuss um 51,8 Milliarden Euro oder 3,1 Prozent höher gelegen.

Deutschland ist mit dem Überschuss weit entfernt von der Defizitgrenze des Maastricht-Vertrages. Darin erlauben sich die Europäer höchstens ein Haushaltsdefizit von 3,0 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt BIP). Ein minimales Minus hatte Deutschland zuletzt im zweiten Halbjahr 2013 zu verzeichnen.

Angesichts dieser komfortablen Haushaltslage ist es kein Wunder, dass die Rufe nach mehr staatlichen Investitionen und der vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags lauter werden. Der Bund der Steuerzahler und FDP-Politiker wollen den Soli ganz weg haben, und der Deutsche Gewerkschaftsbund mahnt mehr staatliche Investitionen an. Continue reading „Die „Schwarze Null“ – ein unnötiger Bremsklotz“