Plastikmüll – wie der Handel grüner werden will

Foto: Hartmut910_pixelio.de

Die einen fahren weiter mit ihren SUV-Panzern durch die Gegend, die anderen kriegen schon ein schlechtes Gewissen, wenn sie im Supermarkt ihre Lebensmittel nur in Plastikverpackungen bekommen: Nachhaltigkeit ist aktuell stark in der Diskussion, auch was den riesigen Berg an Verpackungsmüll, angeht, den wir täglich produzieren. Der Handel, Konsumgüter- und Verpackungsindustrie lassen sich inzwischen einiges einfallen, um die Plastikflut einzudämmen und sich ein grüneres Image zu geben. Ob’s hilft?

Hilka Bergmann, Leiterin des Forschungsbereichs Verpackung und Versand beim Kölner EHI-Forschungsinstitut des Handels, hat für die Umweltaktivitäten ihrer rund 800 Mitgliedsfirmen drei Empfehlungen: Sie sollten RRR betreiben – will heißen, sie sollten die Vermeidung und Reduktion (reduce), die Wiederverwendbarkeit (reuse) und die Wiederverwertbarkeit (recycle) von Verpackungen anstreben. Allerdings gleicht das oft einer Quadratur des Kreises, denn einerseits soll die Recyclingfähigkeit von Verpackungen und der Einsatz recycelter Materialien erhöht werden, andererseits soll der Schutz der verpackten Produkte gewährleistet sein, die Verpackungen sollen „maschinengängig“ sein und nicht zuletzt auch noch die Verbraucher ansprechen.

Hilka Bergmann (Foto: EHI)

„Der Handel spielt bei diesem Thema eine sehr bedeutende Rolle“, sagt EHI-Forscherin Bergmann. „Zum einen schauen die Unternehmen in ihren Sortimenten, welche Verpackungen sich sinnvoll optimieren lassen – vor allem in den Bereichen Eigenmarken, Serviceverpackungen, Obst- und Gemüse, Convenience und E-Commerce. Zum anderen stellen sie Forderungen an die Industrie und tauschen sich mit Partnern entlang der Supply Chain aus, um ökologisch vorteilhaftere Verpackungen einzusetzen.“

Teilweise hätten sich Händler bereits mit anderen Unternehmen zu Initiativen zusammengeschlossen, um gemeinsam mehr bewirken zu können. Zusätzlich klärten Handelsunternehmen verstärkt die Kunden auf, welche Verpackungen ökologisch nachhaltig gestaltet seien, bei welchen Optimierungen vorgenommen wurden und wie Verpackungen getrennt und entsorgt werden müssten.

Die Kölner Rewe-Handelsgruppe zum Beispiel will bis Ende 2025 sämtliche Kunststoffverpackungen der Rewe und Penny Eigenmarken, die nicht vermieden werden können, recyclingfähig machen. Zudem wollen Rewe und Penny bis Ende 2025 insgesamt 20 Prozent weniger Kunststoff bei ihren Eigenmarkenverpackungen verwenden und bereits bis Ende 2020 für Papierverpackungen ausschließlich zertifizierte Rohstoffe einsetzen.

Aldi Nord und Aldi Süd haben laut Bergmann „Vermeiden, Wiederverwenden und Recyceln im Fokus“. Bis Ende 2022 sollen alle Eigenmarken-Produktverpackungen recyclingfähig sein. Zwei Drittel seien es bereits heute. Das Gesamtgewicht der Eigenmarken-Produktverpackungen soll bis zum Jahr 2025 um 30 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 2015 reduziert werden.

Der dm drogerie-markt hat ein Forum Rezyklat gegründet, um sich gemeinsam mit Herstellern und Zulieferern dafür einzusetzen, Wertstoffkreisläufe entlang des gesamten Wertschöpfungsprozesses und bei der Kundschaft zu schließen. Partner des von dm initiierten Forums Rezyklat sind 34 Mitgliedsunternehmen, unter andrem machen auch Rossmann und Globus mit, sowie Konsumgüterhersteller, Entsorger und Verpackungsproduzenten.

Laut EHI-Forscherin Bergmann will auch der Onlinehandel künftig weniger überdimensionierte Verpackungen versenden. Firmen wie Otto oder Zalando dächten laut Bergmann zunehmend über Alternativen zu Kunststoffbeuteln und über Mehrweglösungen für die Versandverpackung nach. Bergmann: „Eine entscheidende Herausforderung liegt in der Verfügbarkeit von Rezyklaten. Aktuell existiert lediglich ein Kunststoff-Rezyklat-Standard für Lebensmittelverpackungen, Foodgrade genannt. Zur Erhöhung der Recyclingquote wäre es sinnvoll, für Verpackungen aus den Bereichen Kosmetik sowie Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel weitere rechtsverbindliche Rezyklat-Standards zu definieren.“

Allerdings hat die Branche ein grundsätzliches Problem: Neuer, aus Rohöl gewonnener Kunststoff ist günstiger als recycelte Produkte. Der Einsatz von Rezyklaten soll aber den Kreislaufwirtschaftsgedanken und damit die Vermeidung von Verpackungsmüll fördern. „Zwischen der Recyclingfähigkeit, dem reduzierten Materialeinsatz und dem Produktschutz besteht teilweise ein Zielkonflikt“, räumt Bergmann ein, deshalb müsse für jeden Artikel individuell eine optimale Lösung gefunden werden. In der öffentlichen Diskussion sei häufig nur der Handel im Visier. Doch der könne nur gemeinsam mit Konsumgüterindustrie, Verpackungsindustrie, Entsorgungsunternehmen, den Konsumenten und der Politik versuchen, den Konsum weniger umweltschädlich zu gestalten.

Abfüllstationen sind im Trend (Foto: Carola Langer_pixelio.de)

Inzwischen zieht auch der Verkauf loser Ware Kreise – von den Pionieren der plastik- und verpackungsfreien Läden, die die mitgebrachten Behälter ihrer Kunden befüllen, über Bio-Ketten bis hinein in den klassischen Supermarkt und andere Handelssparten. Zurzeit wird der Unverpackt-Trend in vielen Handelssparten erkundet, in Feldversuchen getestet und durchaus kontrovers diskutiert, weil in der Praxis noch eine Reihe Hürden zu überwinden sind. Dennoch ist das Thema, dauerhaft befeuert durch Umweltproblematik und Verpackungsgesetz, hochgradig virulent. Continue reading „Plastikmüll – wie der Handel grüner werden will“

Umsatzsteuerbetrug im großen Stil?

Foto: Tim Reckmann / pixelio.de

Die Europäische Union hat einen Handelsüberschuss von 307 Milliarden Euro – und jetzt raten Sie mal, mit wem? Mit sich selbst! Wenn alle Im- und Exporte in den europäischen Statistiken korrekt erfasst würden, müsste diese Salden eigentlich null sein. Logisch, oder? Messfehler allein jedoch können diese exorbitant große Abweichung nicht erklären.

 

Experten des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW Kiel) und des ifo Instituts in München vermuten deshalb etwas ganz anderes. Sie glauben, dass ein massiver Umsatzsteuerbetrug eine der Ursachen für diese riesigen Diskrepanzen sein könnte. Träfe dies zu, entgingen den EU-Staaten 30 bis 60 Milliarden Euro pro Jahr, zeigt eine Datenanalyse der beiden Institute.

„Wenn Unternehmen Umsätze als Exporte deklarieren, sind diese von der Umsatzsteuer befreit. Werden diese Umsätze aber gar nicht im Ausland erzielt, sondern im Inland, fehlen sie in der Importstatistik des angeblichen Handelspartners und bleiben damit unversteuert“, erklären die Autoren, IfW-Präsident Gabriel Felbermayr und ifo-Forscher Martin Braml.

Nach ihren Schätzungen sind dem europäischen Fiskus so alleine im Jahr 2018 rund 30 Milliarden Euro verloren gegangen. Sie empfehlen einen digitalen, automatisierten Datenabgleich von Importen und Exporten innerhalb der EU, um Bilanzfehler künftig zu verringern und Betrug zu erschweren. Die Berechnungen sind nun als Working Paper erschienen.

Die Forscher haben die erfassten Handelsdaten aller 28 EU-Mitgliedsstaaten untereinander seit 1999 analysiert. Allein 2018 betrug der EU-EU-Handelsüberschuss beachtliche 307 Milliarden Euro. Dies entspricht knapp zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) der EU und ist mehr als das BIP der acht kleinsten EU-Mitglieder zusammen.

Grafik: Ifo.de

Continue reading „Umsatzsteuerbetrug im großen Stil?“

Zölle – die Denkfehler des Herrn Trump

Foto: Bernd Sterzl / pixelio.de

Zwei Jahre lang schwelte der Handelsstreit zwischen China und den USA. Jetzt haben sich beide Länder auf ein Teilabkommen geeinigt. Sie wollen vorläufig keine neuen Strafzölle mehr einführen. US-Präsident Trump rühmt sich, mit seiner harten Haltung gegenüber China werde er die US-Industrie wiederbeleben. Er begeht dabei einen Denkfehler, zeigt eine neue Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Mit dem neuen Teilabkommen verbinden die USA große Hoffnungen: China soll wieder mehr in den USA einkaufen und so dazu beitragen, dass die US-Industrie eine Renaissance erlebt. Allerdings ist diese Hoffnung trügerisch: Zwar konnten die USA in den Monaten Januar bis November des vergangenen Jahres ihr Handelsbilanzdefizit gegenüber China um rund 62 Milliarden US-Dollar gegenüber dem Vorjahreszeitraum reduzieren. China hat also deutlich weniger Waren in die USA geliefert als noch im Vorjahr. Allerdings wurden diese Waren nicht zwangsläufig von der heimischen Produktion ersetzt, zeigt die neue IW-Studie. In dem gleichen Zeitraum haben die USA netto nämlich deutlich mehr aus der EU, Mexiko, Kanada, Vietnam, Taiwan und der Schweiz importiert. Insgesamt übersteigt die Zunahme des Defizits gegenüber diesen Ländern sogar den Rückgang des Defizits gegenüber China.

Der Grund dafür: Wird in einer globalisierten Welt der Handel mit einem Partner unterdrückt, kommt es zu Ausweichreaktionen. Ein Beispiel: Fernseher, Smartphones und Computer gehören zu den wichtigsten Gütern, die die USA aus China importieren. Erheben die Amerikaner nun Strafzölle auf diese Güter, lohnt sich der Import weniger. Gleichzeitig lohnt es sich aber auch nicht unbedingt, diese Waren in den USA zu produzieren – zumindest, solange es noch Länder gibt, in denen sie deutlich günstiger produziert werden können. In der Folge importieren die USA mehr Waren aus Ländern wie Taiwan oder Hongkong.

IW-Mitarbeiterin Galina Kolev (Foto: IW)

Trotzdem brüstet sich Trump damit, dass sein protektionistischer Kurs erfolgreich war – schließlich ist das Handelsbilanzdefizit gegenüber China um fast 62 Milliarden geschrumpft und die gesamtwirtschaftliche Handelsbilanz hat sich laut Handelsstatistik insgesamt verbessert. Das hatte allerdings wenig mit Handelsbarrieren zu tun, sagt IW-Ökonomin Galina Kolev: So war zum einen der Ölpreis im vergangenen Jahr sehr niedrig. Zum anderen haben die USA weniger Rohöl importiert. „Rechnet man den Handel mit den OPEC-Staaten heraus, ist das US-Handelsbilanzdefizit nicht gesunken, sondern gestiegen“, sagt sie. „Es ist ein Trugschluss, dass Zölle gegenüber einzelnen Ländern in der Lage sind, die heimische Produktion spürbar anzukurbeln.“

Hier gibt’s die Studie: