Große Worte

Wenn man die jüngsten Äußerungen deutscher und europäischer Politiker zum Euro hört, kann einem Angst und bange werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnet die Lage des Euro in der Haushaltsdebatte als außerordentlich ernst, Finanzminister Wolfgang Schäuble stößt ins gleiche Horn, indem er warnt, es stehe unsere gemeinsame Währung auf dem Spiel. Ach ja, tut sie das?

„Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“ – in diesen Satz hat sich die Bundeskanzlerin geradezu verliebt, denn sie hat ihn bei mindestens drei Gelegenheiten geäußert.

Doch eine solche Behauptung wird nicht dadurch wahrer, dass sie ständig wiederholt wird. Fakt ist: Eine Währung kann nicht scheitern, solange sie noch irgendjemand als Zahlungsmittel akzeptiert. Und das tut die ganze Welt – und wird sie auch in Zukunft tun. Fakt ist auch: Wir haben keine Währungskrise, wir haben eine Krise der Staatsfinanzen in einigen Ländern des Euroclubs. Und trotz der desolaten Verfassung einiger öffentlicher Haushalte ist der Euro recht stabil. Im Frühjahr bekam man 1,20 Dollar für einen Euro, heute 1,36 Dollar. Nur zur Erinnerung: Es gab auch schon Zeiten, in denen man nur 95 US-Cent für einen Euro bekam. Auch das hat der Euro verkraftet – und damals hat niemand vom Scheitern des Euro gesprochen.

Warum also jetzt diese düsteren Untergangsszenarien, diese theatralischen Drohungen? Eigentlich liegt nur eine Erklärung nahe: Sie dienen der Vorbeugung, um den europäischen Steuerzahler zu besänftigen, ihm vorzugaukeln, er sei Teil einer Schicksalsgemeinschaft und müsse sich deshalb an der Rettung des Euros beteiligen. Als im Frühjahr die Europäische Union, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds den gigantischen Rettungsschirm von 750 Milliarden Euro aufspannten, da wurden nicht nur in Deutschland die entsprechenden Gesetzgebungsverfahren damit begründet, das Geld werde niemals in Anspruch genommen werden, allein die Existenz eines solchen Schirms werde ausreichen, um die Märkte zu beruhigen.

Nun wird er in Anspruch genommen, und die Politiker geraten in Erklärungsnot, weshalb der Steuerzahler die Risiken übernehmen soll, während die Banken an den Zinsen für Staatsanleihen kräftig verdienen. Allein deutsche Banken haben nach Auskunft der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel rund 300 Milliarden Euro an Griechenland, Spanien, Portugal und Irland verliehen – und verdienen prächtig angesichts hoher Risikoaufschläge. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist das schon lange ein Dorn im Auge. Sie fordert deshalb zu recht, bei künftigen Zahlungsproblemen einzelner Euro-Staaten auch die privaten Gläubiger an den Kosten zu beteiligen.

Gegner werfen ihr vor, damit noch Öl ins Feuer gegossen zu haben. Denn sobald private Gläubigerbanken auch nur riechen, dass sie bei einer Umschuldung auf Forderungen verzichten müssen, verlangen sie noch höhere Risikoaufschläge, verschlimmern also die Haushaltsprobleme diverser Staaten. So gesehen, mag der Zeitpunkt für Angela Merkels Forderung schlecht gewählt sein. Aber das ändert nichts daran, dass die Währungsunion eine Insolvenzordnung für Staaten braucht. Sie wird schmerzhaft für die Gläubiger sein, aber sie wird maroden Staaten einen Neuanfang ermöglichen.

Die Untergangsprophezeiungen für den Euro sind also durch nichts gerechtfertigt. Er wird auch in Zukunft ein weltweit geachtetes und begehrtes Zahlungsmittel sein. Niemand erwartet, dass die Europäer in eine Tauschwirtschaft zurückfallen, nur weil einige Länder massive Haushaltsprobleme haben.

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2 thoughts on “Große Worte

  1. wobei ich für mich persönlich die tauschwirtschaft ganz prima finde. es gibt ja bereits ganze vereine, die so was praktizieren…

    und wenn ich bedenke, dass ich mich damals mit 3000 mark reich gefühlt hab und heute mit 1500 euro zu den eher weniger verdienenden gehören würde (im falle meiner familiären verpflichtungen läge das noch unter dem hartz iv satz, man stelle sich vor…)

    aber eigentlich geht es ja wieder um steuererhöhungen – aber dann sollen die mit dem geld auch ordentlich wirtschaften – sonst kürze ich das und mach ne omapause…

  2. Ich zitiere mal ein paar Gedanken des belgischen Finanzexperten Bernard Lietaer über Geld:

    „Geld ist nichts anderes als die Vereinbarung einer Gemeinschaft, etwas als Tauschmittel zu verwenden. Das können Muscheln sein, Kamele, Weizen, aber auch Eisenbarren, Mühlsteine oder Goldmünzen. Oder eben Banknoten aus Papier. Im Nachkriegsdeutschland schufen die Menschen spontan eine Zigarettenwährung. Entscheidend dafür, ob etwas Geld ist, ist allein die Tatsache, dass Sie und ich und der Rest der Gemeinschaft uns darüber einig sind, etwas als Geld zu definieren. Und schon ist es Geld! Natürlich haben dabei immer auch praktische Erwägungen eine Rolle gespielt: Der Siegeszug des Goldes seit der Antike liegt in seiner physischen Beschaffenheit und seiner leichten Transportierbarkeit. Weizen kann von Ratten gefressen werden oder keimen. Gold ist beständiger.

    In den vergangenen 30 Jahren hat es Währungskrisen in 87 Ländern gegeben. Die Krisen in Mexiko 1995, in Asien 1997, in Russland 1998 oder in Ecuador 1999 sind nur die Spitze des Eisberges. Als 1971 die Nixon-Regierung den Dollar vom Goldstandard gelöst und die festen Wechselkurse aufgehoben hat, war dies das Ende des Weltwährungssystems der Nachkriegszeit. Seither ist unser internationales Geldsystem von der materiell-physischen Realität abgekoppelt. Die Weltwirtschaft verfügt über keinen allgemein anerkannten Wertmaßstab mehr. Unsere Währungen sind reine Fiat-Währungen, das heißt, die Geldschöpfung geschieht heute aus dem Nichts, beziehungsweise sie beruht auf der Kreditvergabe der privaten Banken und ist somit an keine materielle Wirklichkeit mehr gebunden. Die Digitalisierung des Geldes durch die Computertechnik ermöglicht es zudem, große Geldsummen als elektronische Daten zu übermitteln. Dadurch haben die spekulativen Devisentransaktionen in einem ungeheuren Ausmaß zugenommen. Heute entsprechen nur zwei Prozent aller Devisentransaktionen einem realen Austausch von Gütern und Dienstleistungen, 98 Prozent sind spekulativ. In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts lag das tägliche Volumen der Devisentransaktionen bei 20 bis 30 Milliarden US-Dollar. Heute werden weltweit jeden Tag zwei Billionen US-Dollar transferiert.“

    Der Mann hat in der belgischen Zentralbank gearbeitet und war dort verantwortlich für die Einführung des ECU, dem Vorläufer des Euros.

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