Der Euro – eine Fehlkonstruktion

Grafik: Gerd Altmann/pixelio.de
Grafik: Gerd Altmann/pixelio.de

Wenn sich ein Produkt als Fehlkonstruktion erweist, nimmt man es vom Band und beseitigt die Konstruktionsmängel. Das geht auch mit der Europäischen Währungsunion.

Die Europäische Währungsunion in ihrer jetzigen Form war von Anfang an eine Fehlkonstruktion. Zwar war ihren Schöpfern klar, dass ein einheitlicher Währungsraum nur in Volkswirtschaften mit annähernd gleicher Leistungskraft funktionieren kann – doch die Konvergenzkriterien, die sie genau aus diesem Grund für den Beitritt zum Währungsclub entwickelt hatten, waren ungenügend und damit untauglich. Denn diese Kriterien aus dem Vertrag von Maastricht waren willkürlich ausgewählt, und sie bezogen sich nur auf die Teuerungsrate, den langfristigen Zinssatz, die jährliche Neuverschuldung und den Gesamtschuldenstand eines Beitrittskandidaten.

Damit war die Fehlentwicklung programmiert. Denn das gab den mediterranen Weichwährungsländern die Gelegenheit, eine Punktlandung hinzulegen: Zum Zeitpunkt des Beitritts hatten sie die Kriterien annähernd erfüllt, bei manchen wurde ein Auge zugedrückt, mindestens ein Land hat massiv getrickst – Hauptsache, man war dabei, und anschließend konnte der alte Schlendrian wieder einkehren.

Schlimmer aber ist, dass diese Konvergenzkriterien nichts über die strukturellen Stärken und Schwächen eines Landes aussagen – und erst recht nichts über seine Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich. Sicher: Solche Faktoren sind schwer zu quantifizieren, man kann sie schlecht in einen Index quetschen. Aber sie hätten in irgendeiner Form zur Beurteilung herangezogen werden müssen, um zu entscheiden, ob ein Land für den Euro taugt oder nicht.

Ins Knie geschossen

So aber haben strukturschwache und nicht wettbewerbsfähige Länder einen Platz in der Währungsunion erhalten – und sich selbst damit keinen Gefallen getan. Im Gegenteil. Zwar hat der Euro ihnen anfänglich die günstigen Zinsen der nördlichen Nachbarn eingebracht und einen kleinen Boom ausgelöst – langfristig aber haben sie sich selbst geschadet. Denn je länger die Währungsunion bestand, desto offensichtlicher wurden die Strukturschwächen dieser Länder, desto größer wurde der Abstand zu den Produktivitätsfortschritten der disziplinierteren nördlichen Euroländer. Früher wäre die Sache nicht weiter tragisch gewesen – man hätte die griechische Drachme und den portugiesischen Escudo, wie früher auch, in mehreren verträglichen Schritten abwerten können – was heute nicht mehr geht, weil die Währung Euro heißt.

Die Politik ist nicht bereit, diesen Konstruktionsfehler einzugestehen. Sie doktert an den Symptomen herum, verzettelt sich auf Nebenkriegsschauplätzen wie den der Ratingagenturen, erkauft sich Zeit mit Hilfspaketen, errichtet Dauerbaustellen – ohne den eigentlichen Konstruktionsfehler anzugehen. Dabei wäre eine Neukonstruktion der Währungsunion durchaus möglich – freilich nur mit entschlossenen und radikalen Maßnahmen. Erstens: Die Gläubiger müssten einen Schuldenschnitt über sich ergehen lassen. Das Argument, damit würden Griechenland und Portugal vom Kapitalmarkt abgeschnitten, zieht nicht, weil sie dort ohnehin keinen grünen Heller mehr bekommen. Das Bankensystem würde auch nicht kollabieren, weil die meisten Institute ihre Risiken längst verkauft haben – an die Europäische Zentralbank.

Portugal und Griechenland herauskaufen

Und der Virus muss auch durchaus nicht auf Länder wie Spanien, Irland oder Italien überspringen, wenn den Kapitalmärkten von Anfang an klar gemacht wird, wozu diese Maßnahme gedacht ist. Nämlich zweitens: Richtig Geld in die Hand zu nehmen, um Portugal und Griechenland aus dem Euro herauszukaufen, sprich: den in zehn Jahren aufgestauten Abwertungsdruck, der sich notwendigerweise bei der Wiedereinführung von Drachme und Escudo entladen wird, finanziell abzufedern.

Übrig bliebe eine weitgehend gesunde und gestärkte Währungsunion, die dann unbedingt in einem dritten Schritt eine supranationale Institution aus der Taufe heben müsste, die Euro-Anleihen begibt. Diese würden sich am durchschnittlichen Zinssatz der verbliebenen Euroländer orientieren. „Wir hätten eine echte Schuldenbremse“, sagt zum Beispiel EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi dazu. Denn wenn ein Land mit seinen Schulden dann an seine Grenzen stößt, muss es entweder eine Konsolidierung einleiten oder den Europäischen Stabilitätsmechanismus darum bitten, die Lücke zu finanzieren. Das würde dann mit strengen Auflagen versehen. Für eine Euro-Anleihe müsste man freilich dem deutschen Finanzminister den Zahn ziehen, er könne ewig zu den günstigen deutschen Zinsen Schulden machen.

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