Facebook-Selbstversuch

(Foto: Gerd Altmann/pixelio.de)
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Von George Clooney wird gesagt, er wolle sich lieber von einem Arzt mit einer eiskalten Hand die Prostata abtasten lassen als sich auf fb anzumelden. Ich kann den Mann verstehen, er hätte vermutlich in den ersten Minuten eine Viertelmillion Freundschaftsanfragen – dabei will der Mann einfach nur seine Ruhe haben. Gottlob wird mir so etwas nicht passieren. Mein Motiv, mich auf fb anzumelden, war etwas anders. Mein Arbeitgeber hat einen für meine Begriffe sehr guten Web-Auftritt: Nicht so schnell und aktuell wie Spiegel Online, dafür aber hintergründiger und analytischer – und das in 30 Sprachen. Allein das impliziert schon, dass unser Blick etwas weiter über den Tellerrand hinausgeht als bei anderen deutschen Nachrichtenportalen (und z. B. der Tod von Bernd Klüver nicht unbedingt ein Thema ist, was uns vom Hocker reißt) – und deshalb etwas Reklame in fb verträgt.

Das ist nun einige Wochen her, und ich bin etwas enttäuscht. Inzwischen habe ich zwar über 50 „Freunde“, habe alte Kontakte aufgefrischt, sie reichen bis nach Portugal, Brasilien, Costa Rica und Kalifornien, aber die Effekte eines social networks erscheinen mir doch sehr begrenzt. In der Theorie potenziert sich die Zahl der Kontakte und damit der Nutzen eines Netzwerks, obwohl die Zahl der Nutzer nur linear ansteigt. Andersrum: Mit jedem neuen „Freund“ erhöht sich die Zahl der prinzipiell erreichbaren Nutzer nicht linerar, sondern exponentiell.

Das lässt Netzwerke schnell explodieren, wenn die kritische Masse erreicht wird. Als das Telefon erfunden wurde, war es völlig rational, sich ein solches Gerät n i c h t anzuschaffen. Wenn Du der Erste bist – wer soll Dich anrufen, wen willst Du anrufen? Gottlob gab es auch schon damals einige „early adoptors“, die sich eben nicht rational verhalten und damit dem Medium zum Durchbruch verholfen haben. Mit Skype und Facebook ist das heute nicht anders – aber bringt das wirklich einen sozialen Quantensprung? Klar, es kommen spontane Events zustande, wenn sich genügend Leute finden. Klar, Unternehmen lösen einen shitstorm aus, wenn sie Fehler machen und sich dann noch in der öffentlichen Kommunikation dielettantisch verhalten. Klar, Empfehlungen von fb-Freunden glaubt man eher als bunten Werbeprospekten. Aber eine neue Dimension der Kommunikation und des Zusammenlebens kann ich nicht erkennen.

Wohl aber kann jeder sehen, welche Interessen der jeweils andere hat. Der eine promotet europäischen Wein in den USA, der andere schottischen Whisky in Deutschland. Der dritte postet die Spielstände seiner diversen Online-Spiele – verräterischerweise während seiner Arbeitszeit. Gemeinsame Berührungspunkte gibt es kaum. Viele setzen interessante Links zu wichtigen Themen – doch eine Diskussion darüber will sich nicht entwickeln, die Kommentare bleiben kurz und flach wie das Kurzpassspiel des FC Barcelona, ohne Raumgewinn.

Nur Facebook generiert daraus einen gigantischen Mehrwert. Ich habe als Hobbies Wandern und Jazz angegeben, seitdem bekomme ich Werbung für den einen oder anderen Wanderurlaub oder Angebote über ein Pauschalarrangement in Städten mit Jazz-Festivals. Was brauch‘ ich das? Wozu brauch‘ ich facebook?

Foto: Gerd Altmann/pixelio.de

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