Vom Rauchen, Saufen, und der Angst vorm Terror

Oh weh! Wenn das stimmt, was viele deutsche Medien zurzeit umtreibt, dann können sich die Deutschen derzeit vor Angst kaum rühren. Die Online-Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ titelt „Studie: Terror-Angst der Deutschen wächst“, die Bild-Zeitung weiß, dass „Terror die größte Sorge der Deutschen!“ ist, und der Westdeutsche Rundfunk schreibt „Nizza und die Folgen: Feiern gegen die Angst?“. Alle Medien beziehen sich auf eine aktuelle Studie zu den „Ängsten der Deutschen“.

Seit 1991 befragt die R+V-Versicherung jährlich mehrere Tausend Menschen, welche politischen, wirtschaftlichen oder persönlichen Sorgen sie belasten. „Nie zuvor im Laufe unserer Umfragen sind die Ängste innerhalb eines Jahres so drastisch in die Höhe geschnellt wie 2016“, sagte eine Unternehmenssprecherin Mitte Juli. „Die Attentate der Terror-Miliz IS in Europa schüren die Angst vor terroristischen Anschlägen massiv. Sie steigt um 21 Prozentpunkte und erreicht damit ihren bisherigen Höchstwert – und erstmals Platz eins unseres Ängste-Rankings.“ Laut Studie fürchten sich 73 Prozent der 2400 befragten Personen davor, dass „terroristische Vereinigungen Anschläge verüben“. Auch international stehen die Deutschen mit dieser Angst an der Spitze. Nach einer Umfrage des US-Meinungsforschungsinstituts Pew befürchten 61 Prozent der befragten Deutschen, dass der Flüchtlingszustrom die Wahrscheinlichkeit von Terrorismus erhöhe. Damit belegt Deutschland unter den zehn Ländern, in denen die Befragung durchgeführt wurde, nach Ungarn und Polen den dritten Platz.

Sicher: Die Ergebnisse der Befragung selbst kann man kaum anzweifeln – die Deutschen fühlen halt so. Obwohl es natürlich bedenklich ist, das sich keiner die Mühe macht, die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Terroranschlages zu werden, mit anderen Gefahren des Lebens zu vergleichen. Dann käme nämlich heraus, dass der berühmte Blitz beim Scheißen öfter zuschlägt als die finsteren Muselmanen. „Selbst in den USA ist es wahrscheinlicher, von einem Kleinkind erschossen zu werden, das mit den Waffen der Eltern herumspielt, als durch einen Terroristen“, schreiben die Betreiber der Webseite Unstatistik des Monats. Nicht zu vergessen die 110.000 Deutschen, die jährlich durch Rauchen sterben und die 15.000 bis 80.000 (je nach Schätzung), die an den Folgen des Alkoholmissbrauchs sterben.

Ich glaube, dass sich der Mensch inzwischen eine völlig sinnfreie und verfälschte Wahrnehmung von Risiken angeeignet hat. Er fährt lieber mit dem Auto oder dem Fahrrad, anstatt sich der Bahn oder dem Flugzeug anzuvertrauen, obwohl letztere Beförderungsmittel statistisch viel sicherer sind. Vielleicht liegt das daran, dass er sich sicherer fühlt, wenn er die Dinge selbst aktiv steuern kann – selber fahren, selber rauchen, selber saufen. Dagegen wird alles, was man nicht aktiv selbst steuern kann, als düstere, ja übermächtige Bedrohung angesehen – und sei es noch so schwachsinnig im Vergleich zu den wirklichen Risiken des Lebens.

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