Konjunkturdelle ist kein Weltuntergang

Blauhelme (Foto: Rolf Wenkel)

Forschungsinstitute und Wirtschaftsministerium senken ihre Wachstumsprognosen – halten das aber nur für eine vorübergehende Wachstumsschwäche. Vor allem die Auftriebskräfte im Inland seien intakt, heißt es – was man von der Weltwirtschaft zur Zeit nicht behaupten kann. „Die Konjunktur in Deutschland kühlt sich ab, aber das ist kein Weltuntergang“, sagt zum Beispiel DIW-Präsident Marcel Fratzscher.

 

Mit dem Info-Institut hat erneut ein wichtiges Forschungsinstitut seine Prognose für das deutsche Wirtschaftswachstum kräftig gesenkt. Die Ifo-Experten halbierten ihre Wachstumsprognose nahezu und rechnen für das laufende Jahr nur noch mit einem Anstieg der Wirtschaftsleistung um 0,6 Prozent, wie das Institut am Donnerstag mitteilte. Zuvor waren die Forscher noch von einem Wachstum von 1,1 Prozent ausgegangen.

Wie bereits im vergangenen Jahr geht die Konjunkturschwäche von der Industrie aus. „Die Industrie wird 2019 als Konjunkturmotor weitgehend ausfallen“, sagt Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Die weltweite Nachfrage nach deutschen Produkten sei schwach, da die internationale Konjunktur weiter an Dynamik verliere. „Aber die binnenwirtschaftlichen Antriebskräfte sind weiterhin intakt“, versicherte Ifo-Experte Wollmershäuser.

In der vergangenen Woche hatte bereits die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihre Prognose für das deutsche Wachstum 2019 von 1,6 auf 0,7 Prozent reduziert – das wäre nur halb so viel wie im vergangenen Jahr. Neben anderen deutschen Forschungsinstituten senkte auch die Bundesregierung ihre Prognose deutlich. „Die deutsche Wirtschaft ist verhalten in das Jahr 2019 gestartet“, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Monatsbericht. Die Entwicklung sei aufgrund höherer Risiken und Unwägbarkeiten im außenwirtschaftlichen Umfeld in „unruhigeres Fahrwasser“ geraten.

Das Ministerium erwartet, dass sich die Schwächephase in der Industrie angesichts einer schleppenden Auslandsnachfrage fortsetzen wird. In den übrigen Wirtschaftsbereichen, insbesondere in den meisten Dienstleistungsbereichen, dürfte sich das Wachstum hingegen fortsetzen. „Das Bruttoinlandsprodukt dürfte daher im ersten Quartal allenfalls moderat zunehmen“, so das Fazit des Ministeriums.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin rechnet nur mit einer zeitweiligen Delle für die deutsche Konjunktur. Es senkte zwar seine Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr von 1,6 auf 1,0 Prozent, rechnet aber für 2020 weiter mit einem fast doppelt so großem Plus von 1,8 Prozent. „Die Konjunktur in Deutschland kühlt sich ab, aber das ist kein Weltuntergang“, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher am Donnerstag in Berlin. „Wir sollten nicht zu schwarz malen, denn vor allem auf dem Arbeitsmarkt sieht es nach wie vor hervorragend aus – und auch der private Konsum ist stark.“ Im kommenden Jahr soll es rund 650.000 mehr Erwerbstätige geben als 2018.

Im laufenden Jahr dürften vor allem die schwächelnden Exporte auf die Wirtschaftsleistung drücken. „Die Weltkonjunktur kühlt ab“, sagte DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen. „Das ist die Nachfrage, die uns im Moment fehlt.“ Allerdings zeichne sich ab der zweiten Jahreshälfte eine Besserung ab, da beispielsweise Deutschlands wichtigster Handelspartner China mit milliardenschweren Konjunkturimpulsen gegenhalte. „Das Auslandsgeschäft wird sich daher wieder beleben“, sagte Michelsen. Allerdings blieben große Risiken wie etwa ein möglicher Handelskrieg zwischen der EU und den USA.

Der Bundesregierung rät das DIW von einer völligen Abschaffung des Solidaritätszuschlags ab. Stattdessen sollten mittlere und geringere Einkommen bei den Abgaben entlastet werden, sagte Fratzscher. Auch durch bessere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen und stärkere Anreize für Forschung und Entwicklung könnte der Standort Deutschland gefördert werden. Das Geld dafür wäre nach Prognosen des DIW vorhanden: Das Institut rechnet in diesem Jahr mit einem Staatsüberschuss von fast 43 Milliarden Euro, für 2020 dann mit
weiteren 37 Milliarden Euro.

Auch nach Einschätzung der Münchener Ifo-Experten ist die sich jetzt abzeichnede Konjunkturflaute zeitlich begrenzt. Für 2020 erhöhte das Ifo-Institut die Prognose sogar von zuvor 1,6 Prozent auf 1,8 Prozent. „Die gegenwärtigen Produktionsschwierigkeiten der deutschen Industrie dürften allmählich überwunden werden“, sagte Wollmershäuser. Eine unverändert starke Entwicklung erwartet das Ifo-Institut auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Die Zahl der Erwerbstätigen dürfte demnach weiter steigen, von 44,8 Millionen im vergangenen Jahr auf 45,2 Millionen in diesem und 45,5 Millionen im nächsten Jahr. „Entsprechend sinkt die Arbeitslosenquote von 5,2 Prozent über 4,9 auf 4,7 Prozent“, hieß es vom Ifo-Institut.

Die Ifo-Prognose in der Kurzfassung steht hier.

Die Ifo-Prognose ausführlicher steht hier

Hier die DIW-Prognose

Und hier noch der Monatsbericht des Bundeswirtschaftsministeriums.

 

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