Schrecken an der Börse

Bulle und Bär vor der Börse in Frankfurt (Foto: Cornerstone / pixelio.de)

Deutschland bleibt ein Land der Aktienmuffel. Nachdem die Zahl der Aktienbesitzer zwei aufeinanderfolgende Jahre gestiegen ist, hat das Deutsche Aktieninstitut 2019 wieder sinkende Anlegerzahlen registriert.  

 

 

 

Für Anleger war die vergangene Woche die schwärzeste seit Beginn der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2008. Der Kursrutsch an den Börsen ist eine Hypothek für die ohnehin fragile Aktienkultur in Deutschland. Denn nicht einmal im vergangenen Jahr, als die Börsen boomten, zog es die Deutschen in Scharen an die Aktienmärkte – im Gegenteil: Die Zahl der Aktionäre ist wieder gesunken, schreibt das Deutsche Aktieninstitut (DAI) in einer heute (28.02.2020) veröffentlichten Studie.

Insgesamt besaßen 2019 rund 9,7 Millionen Menschen Anteilsscheine von Unternehmen oder Aktienfonds. Das entspricht 15,2 Prozent der Bevölkerung oder knapp jedem siebten Bundesbürger ab 14 Jahren. 2018 legten dagegen noch 10,3 Millionen Menschen Geld am Aktienmarkt an. Im Vergleich zum Vorjahr kehrten damit knapp 660.000 Menschen der Börse den Rücken – obwohl  der Deutsche Aktienindex (DAX) im vergangenen Jahr um fast 26 Prozent gestiegen ist.

Verschiedene Gründe können für den Rückgang in Betracht kommen, schreibt das DAI: Eine Erklärung könnte sein, dass die deutschen Aktiensparer auf Kursrückschläge an der Börse sensibel reagierten. 2018 verzeichnete der DAX das erste Verlustjahr seit 2011. Das erste Halbjahr 2019 war entsprechend von hoher Nervosität geprägt, und die Aktionärsquote fiel von 16,2 auf 14,6 Prozent. Anders in der zweiten Jahreshälfte: Nachdem sich die Börsenkurse im Laufe des Jahres 2019 nachhaltig positiv entwickelten, gewannen die Menschen offensichtlich wieder Vertrauen und investierten im zweiten Halbjahr erneut in Aktien (ein Anstieg auf 15,7 Prozent im zweiten Halbjahr). 2019 war also ein Jahr mit zwei sehr unterschiedlichen Halbzeiten. Im Ergebnis ergab sich jedoch ein Minus.

Eine weitere Ursache für die rückläufigen Aktionärszahlen könnten auch die niedrigen Zinsen für Immobilienfinanzierung sein. Ein Teil der Aktienbesitzer hat 2019 möglicherweise seine Depots aufgelöst, um eine Immobilie zu erwerben. Indirekt legen das auch Zahlen der Bundesbank nahe, die einen starken Anstieg von Immobilienkrediten in den letzten zwei Jahren verzeichnen.

Aber auch die Politik sendet nach Meinung des Deutschen Aktieninstituts falsche Signale. Die geplante Aktiensteuer – also die Finanztransaktionssteuer auf Aktien – schrecke potenzielle Neuaktionäre ab und mache die Aktienanlage unattraktiver, klagt das DAI. Sie würde auch Privatanleger bestrafen, die monatlich Teile ihres Einkommens in Aktien anlegen. „Die Politik muss das Umfeld für Aktien und Aktienfonds dringend verbessern. Sie sollte das langfristige Engagement der Menschen in Aktien fördern, statt diesem durch eine diskriminierende Steuerpolitik Steine in den Weg zu legen“, kritisiert Christine Bortenlänger,  Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Aktieninstituts.

Stein des Anstoßes: Die geplante Steuer auf Aktienkäufe. Seit 2011 wird auf EU-Ebene über eine sogenannte Finanztransaktionssteuer diskutiert, mit einem neuen Entwurf versucht Bundesfinanzminister Olaf Scholz, das Thema voranzutreiben. Banken und Fondsanbieter
argumentieren, eine solche Steuer mache die Anlage in Aktien unattraktiver – und das gerade in einer Zeit, in der private Altersvorsorge wichtiger wird und lukrative Alternativen angesichts des Zinstiefs rar sind.

Knapp jeder siebte Bundesbürger ab 14 Jahren war 2019 an der Börse engagiert, rechnet das Aktieninstitut vor. Mit einer Aktionärsquote von 15,2 Prozent bleibt Europas größte Volkswirtschaft meilenweit entfernt von anderen Industrieländern. In den USA etwa, wo
der Staat die Altersvorsorge über den Kapitalmarkt stärker fördert, liegt die Quote bei über 50 Prozent. Auch in Schweden und den Niederlanden haben Aktien größeres Gewicht bei Privatanlegern.

Die meisten Deutschen sehen die Börse vor allem als Ort mit vielen Risiken – das bestätigte jüngst eine Studie von Frankfurter Wissenschaftlern im Auftrag der Deutschen Börse. Die Angst, aufs falsche Pferd zu setzen, ist groß. Viele Anleger verschreckte der Absturz der als „Volksaktie“ angepriesenen Telekom-Papiere und das Platzen der New-Economy-Blase am Neuen Markt um die Jahrtausendwende dauerhaft – auch wenn das Aktieninstitut vorrechnet, dass sich langfristiges Sparen in Aktien in den vergangenen 50 Jahren in der Regel immer ausgezahlt hat.

Die DAI-Studie gibt es hier.

 

 

 

Published by

Kommentar verfassen