Ökonomen: Corona-Hilfen reichen nicht

 

Foto: Christian Daum/pixelio.de

Eine Gruppe von prominenten Wirtschaftswissenschaftlern unterstützt das Paket der Koalition mit Hilfen für die Wirtschaft in der Corona-Krise. Gleichzeitig jedoch fordern sie die Regierung auf, mehr zu tun. Es seien bereits jetzt weitergehende Schritte erforderlich, heißt es in einem 15seitigen Papier, das sieben Volkswirte heute (11.03.2020) veröffentlicht haben.

„Wenn erforderlich, muss zur Behebung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise von der Schwarzen Null im Staatshaushalt abgewichen werden, und es sind die Spielräume zu nutzen, die die Schuldenbremse bietet“, schreiben die Autoren. Verfasst haben die Studie der frühere Wirtschaftsweise Peter Bofinger, der Wissenschaftliche Direktor des IMK Sebastian Dullien, der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft Gabriel Felbermayr, ifo-Präsident Clemens Fuest, IW-Direktor Michael Hüther, der Düsseldorfer Wirtschaftsprofessor Jens Südekum und die Präsidentin des Center for European Policy Research (CEPR), Beatrice Weder di Mauro.

Ausdrücklich loben die Ökonomen die vom Koalitionsausschuss beschlossenen Maßnahmen zur Erleichterung beim Zugang zu Kurzarbeitergeld und damit verbundene Erstattungen der Sozialbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit. Diese Maßnahmen unterstützten die Unternehmen, Beschäftigte zu halten und begrenzten damit schädliche indirekte Wirkungen auf den Konsum. Gelänge es, Unternehmenspleiten und Entlassungen so zu verhindern, sei die Chance gut, dass sich die Konjunktur nach Abflauen der Infektionswelle schnell wieder fange und ausgefallene Produktion nachgeholt werde.

Dafür müsse allerdings alles getan werden, um Liquiditätsengpässe bei Unternehmen zu vermeiden, die entweder Umsatzeinbrüche erleiden oder durch fehlende Teile Produktionsunterbrechungen hinnehmen müssen. Geeignete Instrumente dafür seien die generelle zinsfreie Stundung von Voraus- und Nachzahlungen bei Einkommens-, Körperschafts- und Umsatzsteuer. Außerdem empfehlen die Ökonomen verbesserte Abschreibungsbedingungen, die großzügige Gewährung des Investitionsabzugs und eine großzügigere Gestaltung des steuerlichen Verlustrücktrags.

Auch das Vorziehen der Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags auf den 1. Juli wäre allein aus psychologischen Gründen zu begrüßen, schreiben die Autoren. Sie erhöhe unmittelbar die verfügbaren Einkommen weiter Teile der Bevölkerung. Dies könne zu relativ geringen Kosten das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik und in eine rasche wirtschaftliche Belebung nach dem Abflauen der Krise stärken. Wenn bis in den Mai hinein Messen, Reisen und Veranstaltungen abgesagt und auch die Produktionsausfälle in der Industrie fortsetzen würden, würde sich die schon einige Jahre laufende Industrierezession im ersten Halbjahr 2020 wahrscheinlich zu einer gesamtwirtschaftlichen Rezession auswachsen.

Liquiditätshilfen etwa durch Kredite der KfW halten die Ökonomen für sinnvoll, aber möglicherweise nicht ausreichend. „Wenn es nicht gelingen sollte, die Ausbreitung der wirtschaftlichen Schockwellen einzudämmen, so dass es in größerem Stil zu Unternehmensinsolvenzen käme, wäre als letzte Möglichkeit dran zu denken, dass sich der Staat mit Eigenkapital an Unternehmen beteiligt.“ Dies wäre analog zur Rettung von Banken in der Krise 2008/09. Im Vergleich zum Bankensystem gebe es in der Realwirtschaft jedoch eine weitaus größere Anzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, so dass die Umsetzung mit einem enormen Verwaltungsaufwand verbunden wäre.

Wichtig sei bei allen Maßnahmen, dass diese „timely, targeted and temporary“ sein sollten, also schnell greifen müssen, zielgenau und vorübergehender Natur sein. Dabei habe der deutsche Staat für die vorgeschlagenen Maßnahmen ausreichend fiskalischen Spielraum. So verfüge „die deutsche Finanzpolitik, nicht zuletzt wegen der im internationalen Vergleich niedrigen Schuldenstandquote, über große Potentiale zur Stabilisierung der Wirtschaft“. Weder Schuldenbremse noch europäische Fiskalregeln stünden dem im Wege. „Die Schuldenbremse weist explizit eine Ausnahme für Krisensituationen auf“, heißt es. Gleiches gelte für den Stabilitäts- und Wachstumspakt.

Da der Corona-Schock längst ein globaler Schock geworden sei, sei bei all diesen Maßnahmen auch eine Koordination auf europäischer und globaler Ebene notwendig, heißt es in dem Papier. „Die wesentliche Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass das Corona-Virus sowohl einen Angebotsschock als auch einen Nachfrageschock auslöst.“ Der massive Einbruch an den Börsen könne weitere Erschütterungen auslösen und die Abwärtsdynamik in der Realwirtschaft verstärken, fügen die Ökonomen an.

Das Papier der sieben Autoren gibt es hier als pdf:

https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/policy_papers/PDF/2020/IW-Policy-Paper_2020-COVID.pdf

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