Wünsche für 2009

Wie wär’s mit einem Paradigmenwechsel? Die Welt ist zu schön und zu wertvoll, um sie der Deutungshoheit eines Hans-Olaf Henkel, Josef Ackermann oder Hans-Werner Sinn zu überlassen.

Henkel war Chef von IBM Europa, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und sitzt jetzt in Talkshows herum. Josef Ackermann kennt man, und meine Einstellung zu seiner Hybris, man könne seinen Anlegern dauerhaft eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent versprechen, kennt man auch, wenn man meinen Blog liest. Hans-Werner Sinn ist Westfale, den es als Präsidenten des Münchener Ifo-Instituts nach München verschlagen hat. Dort lässt er seine Kommentare im Vierfarbdruck auf deutsch und auf englisch veröffentlichen, ob sie einer lesen mag oder nicht.

Alle drei sind kluge Leute, zweifellos. Aber alle drei sind Anhänger einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, die seit den 80er Jahren konsequent und radikal andere Lehrmeinungen aus den Universitäten vertrieben hat. Man kann ihre Ideologie Neoliberalismus, Marktradikalismus oder auch Raubtierkapitalismus nennen. Und man muss natürlich anerkennen, dass diese Leute nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Scheitern des kläglichen Experiments namens Sozialismus enormen Auftrieb bekommen haben.

Aber eigentlich müsste man diesem Frettchen aus Texas namens George W. Bush dankbar sein. Denn er hat diese Sorte von Raubrittern, die in der angebotsorientierten Ideologie die Nutzenstifter schlechthin sind, unfreiwillig zu ihren Grenzen verholfen: Bush-Adepten und -Günstlinge haben die Welt mit einem Selbstbedienungsladen verwechselt. Das Ergebnis kann man jetzt beobachten. Die USA fallen zurück auf das Stadium eines Entwicklungslandes, ihre Bürger sind um 1.000 Milliarden Dollar für ihre Altersversorgung betrogen worden, die Weltwirtschaft schlittert in eine Krise. Und das Frettchen aus Texas begreift noch nicht einmal, dass er nicht nur einen Krieg, sondern auch eine Weltwirtschaftskrise losgetreten hat.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Auch ich als Spät-68er habe spätestens seit meinem Eintritt ins Berufsleben den freien Wettbewerb als die beste aller möglichen Formen des Wirtschaftens anerkannt. Aber in diesem Dschungel gewinnen schnell die Raubtiere die Oberhand, wenn man den Wettbewerb nicht bestimmten Regeln und Grenzen unterwirft und den Dschungel in ein Gehege verwandelt. Für dieses Modell, das man auch als Soziale Marktwirtschaft kennt, sind die beiden großen Volksparteien in Deutschland jahrzehntelang eingetreten, auch wenn man das bei den Sozialdemokraten momentan nicht immer erkennen kann.

Zwei Experimente sind gescheitert. Der Sozialismus glaubt an das Gute im Menschen, gibt Fünfjahrespläne aus und wundert sich, dass nach vier Dekaden Planung und Wirklichkeit nichts mehr miteinander zu tun und die Menschen die Schnauze voll haben. Aber der Turbo-Kapitalismus, der den Unternehmern Zucker in den Arsch bläst, den Arbeitnehmern Lohnzurückhaltung und Verzicht predigt, auf totale Deregulierung und Privatisierung setzt, Gewinne privatisiert und Verluste dem Steuerzahler und unseren Kindern aufbürdet – dieser Kapitalismus ist genauso gescheitert.

Meine Wünsche für 2009 sind ganz bescheiden: Gebt den nachfrageorientierten Wissenschaftlern wieder mehr Raum!. Kein einziges knallhart durchoptimiertes, auf Effizienz und Produktivität getrimmtes Unternehmen hat eine Chance zu überleben, wenn es keine Nachfrage, keine Käufer für seine Produkte gibt. Wenn die Menschen mehr kaufen sollen, dann brauchen sie mehr Geld. So einfach ist das.

Hält man Neoliberalen vor, dass ihre Rezepte nicht zum Erfolg, sondern zu mehr Schulden und mehr Arbeitslosigkeit geführt haben, bekommt man selbstverständlich zur Antwort, das läge nur daran, dass die Politik die neoliberalen Rezepte nicht konsequent genug durchgesetzt habe. Deshalb: Noch mehr Löhne runter, noch mehr Arbeitszeit ohne Lohnausgleich, noch weniger Steuern für Unternehmen, noch weniger Kündigungsschutz.

Eine sich selbst immunisierende Tautologie nennt Prof. Rudolf Hickel, Direktor den Instituts für Arbeit und Wirtschaft in Bremen, diese iderologischen Glaubenssätze der Neoliberalen – und da ist man scheinbar machtlos. Aber wer weiß – vielleicht erleben die Lehren eines John Manyard Keynes mal eine Renaissance. Von 1950 bis 1974 hat das jedenfalls sehr gut funktioniert. Da ist der Staat, wenn’s kriselte, als starker, selbstbewusster Nachfrager aufgetreten und hat der schwächelnden Konjunktur expansive Impulse gegeben. Und die haben wir auch im Jahr 2009 vermutlich verdammt nötig.

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