Liebe zum Bargeld lässt nach

Quelle: EHI

„Deutsche kleben am Bargeld“ habe ich im Februar in diesem Blog geschrieben und mich dabei auf eine Studie der Deutschen Bundesbank und des Kölner Handelsinstituts EHI Retail bezogen. Jetzt relativieren die Kölner Handelsforscher ihren Befund vom Frühjahr.

 

 

 

Der Grund: Erstmals haben im vergangenen Jahr die Kartenumsätze im deutschen Einzelhandel die der Bargeldzahlungen überstiegen. Haupttreiber dieser Entwicklung sei vor allem das girocard-System der Deutschen Kreditwirtschaft, schreiben die EHI-Experten.

Gut 209 Milliarden Euro und damit 12,4 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr hat der deutsche Einzelhandel 2018 per Karte umgesetzt. Das entspricht einem Anteil von 48,6 Prozent. Bargeld hat 1,7 Prozentpunkte verloren und liegt nun mit 48,3 Prozent knapp dahinter. Die restlichen 3,1 Prozent verteilen sich auf andere Posten wie zum Beispiel Ratenkäufe. Größter Verlierer im Ranking der Zahlungsarten ist das SEPA-Lastschrift-Verfahren mit nun nur noch zehn Prozent Umsatzanteil von vormals 12,6 Prozent.

Rund 20 Milliarden Einzelkäufe haben die Kunden in Deutschland im vergangenen Jahr im stationären Handel getätigt, davon 15,2 Milliarden in bar und 4,6 Milliarden mit Karte. Auch hier ist der Baranteil um 1,1 Prozentpunkte bzw. 220 Millionen Transaktionen rückläufig. Dennoch werden immer noch 76,1 Prozent aller Einkäufe im Einzelhandel mit Bargeld beglichen – wobei es da regelmäßig um kleinere Beträge als bei Kartenzahlungen geht.

Immer häufiger wird die Girocard eingesetzt. Ihr Umsatzanteil stieg um 3,8 Prozentpunkte oder 19,2 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr. Das habe hauptsächlich drei Gründe, schreiben die EHI-Forscher. Einmal hätten Banken und Sparkassen die Gebühren für Girocard-Zahlungen gedeckelt und die Konditionen dem SEPA-Lastschriftverfahren angeglichen. Seitdem sei das Girocard-PIN-Verfahren für Händler deutlich attraktiver geworden. Mehrere große Lebensmittelhändler hätten daraufhin die girocard-Anteile deutlich höher gewichtet oder sogar komplett von SEPA-Lastschrift auf Girocard-PIN-Verfahren umgestellt. Im Gegensatz zum Lastschrift-Verfahren ermögliche das PIN-basierte Zahlungsverfahren ein praxistaugliches kontaktloses Bezahlen. Kunden scheint diese praktische wie schnelle Alternative zu mehr Kartenzahlungen motiviert zu haben. Hinzu kommt, dass kontaktloses Bezahlen neuerdings häufiger auch für Kleinbeträge genutzt wird.

Das kontaktlose Bezahlen verhilft auch den Kreditkarten zu – allerdings mäßigem – Wachstum. Sie konnten ihren Anteil von 6,5 auf 6,9 Prozent ausbauen. Fast 30 Milliarden Euro wurden damit 2018 umgesetzt, ein kleinerer Teil davon bereits über mobile Bezahlverfahren wie Apple Pay oder Google Pay. Mit 28,2 Prozent Anteil liegt in den vom EHI untersuchten Unternehmen die Kontaktlosquote bei Kreditkartentransaktionen dabei noch deutlich über der stark angestiegenen Girocard-Kontaktlosquote von 21,2 Prozent.

Der Erfolg des kontaktlosen und mobilen Bezahlens und der ohnehin ab und zu fällige Austausch von Terminals hätten die Händler dazu veranlasst, nach mehrjähriger Zurückhaltung jetzt wieder mehr in die Zahlungsverkehr-Infrastruktur zu investieren. Aktuell planten 44,8 Prozent (Vorjahr: 33,8 Prozent) der großen Unternehmen eine Auffrischung ihrer IT-gestützten Kassensysteme. Jedes fünfte Unternehmen will noch in diesem Jahr etwas ändern oder ergänzen.

Das EHI hat für seine Studie 435 Unternehmen mit rund 85.000 Betrieben aus 35 Branchen des Handels mit einem Bruttoumsatz (2018) in Höhe von 274,4 Milliarden Euro untersucht. Die Ergebnisse beziehen sich auf des so genannten stationären „Einzelhandel im engeren Sinne“ – also ohne Kfz, Mineralöl, Apotheken, E-Commerce und Versandhandel.

Deutsche kleben am Bargeld

Das werden Visa, Mastercard und Co. nur ungern hören: Mit Bargeld bezahlen ist in Deutschland im Gegensatz zu unseren Nachbarländern immer noch gute alte Tradition – und nicht nur das – es ist auch oft schneller und kostengünstiger als der Griff zur Kredit- oder EC-Karte.

Ausgerechnet das von Kritikern als umständlich gescholtene Bargeld ist einer Studie zufolge vergleichsweise schnell. An der Ladenkasse sei die Barzahlung noch immer das schnellste und kostengünstigste Zahlungsmittel, sagt Bundesbank-Vorstand Johannes Beermann. Das gilt teilweise sogar im Vergleich zum kontaktlosen Bezahlen mit der Karte quasi im Vorbeigehen – obwohl man in der Schlange an der Ladenkasse oft genug Menschen erlebt, die umständlich in ihren Geldbörsen nach den passenden Münzen suchen.

Eine durchschnittliche Barzahlung an der Ladenkasse dauert gut 22 Sekunden und kostet rund 24 Cent je Transaktion. Das hat eine Untersuchung der Deutschen Bundesbank und des Kölner Handelsinstitutes EHI Retail ergeben. Zahlungen mit Scheinen und Münzen sind damit rund sieben Sekunden schneller als mit Karte und Eingabe der PIN, beim Einsatz der Karte mit Unterschrift sind es sogar 16 Sekunden.

Ausgewertet wurden mehr als 3000 Bezahlvorgänge in 15 Geschäften im Herbst und Sommer 2017. Mittlerweile kann man in Deutschland in fast allen Supermärkten auch mit dem Smartphone oder der Karte kontaktlos seine Rechnung begleichen. Die Studie berücksichtigte diese Entwicklungen durch eine Simulation. Demnach dauert das kontaktlose Bezahlen mit Karte bei Beträgen bis 25 Euro, für die in der Regel keine PIN eingegeben werden muss, nur 15 Sekunden. Größere Summen werden dagegen weiterhin im Schnitt in knapp 30 Sekunden beglichen.

Für den Einzelhandel sind die Kosten pro Transaktion enorm wichtig. Will ein Einzelhändler seinen Kunden alle Möglichkeiten des bargeldlosen Bezahlens bieten, muss er mit den Kartenanbietern zusammenarbeiten – und die verlangen führ ihre Dienstleistungen Gebühren, die sich am Umsatz orientieren. Verlangt zum Beispiel ein Kartenanbieter für seinen Service ein Prozent vom Umsatz, so mutet das auf den ersten Blick zwar recht bescheiden an. Doch wenn man weiß, dass zum Beispiel die Umsatzrendite im deutschen Lebensmitteleinzelhandel bei einem Prozent liegt, dann werden die Dienstleistungen von American Express und Co. schnell uninteressant. Continue reading „Deutsche kleben am Bargeld“