Sind die fetten Jahre vorbei?

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Für viele Arbeitnehmer war 2018 ein gutes Jahr, schreibt die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung in ihrer neuesten Tarifbilanz für das Jahr 2018. Demnach sind die Tariflöhne- und -gehälter im vergangenen Jahr im Schnitt um 3,0 Prozent gestiegen. Zieht man von diesem Zuwachs die Inflationsrate des vergangenen Jahres ab, bleibt unterm Strich immer noch ein realer Lohnzuwachs von 1,1 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr habe die Lohnentwicklung damit deutlich an Dynamik gewonnen, heißt es in der Untersuchung.

„Mit der Tarifrunde 2018 haben die Gewerkschaften nicht nur kräftige Lohnzuwächse durchgesetzt, sondern auch eine Renaissance der tariflichen Arbeitszeitpolitik eingeleitet“, schreibt der Leiter des gewerkschaftlichen Tarifarchivs, Thorsten Schulten. Denn in einer Reihe von Branchen, von der Metall- und Elektroindustrie bis zur Deutschen Post AG, sei erstmalig die Möglichkeit geschaffen worden, dass Beschäftigte auf einen Teil der vereinbarten Lohnerhöhung verzichten und stattdessen zusätzliche freie Tage wählen können.

Allerdings gab es deutliche Unterschiede zwischen den Branchen. Am höchsten fiel 2018 die jahresbezogene Tarifsteigerung mit nominal 5,2 Prozent im boomenden Bauhauptgewerbe aus. Am wenigsten stiegen die Tariflöhne und -gehälter bei den Banken mit 1,3 Prozent und in der Textilindustrie mit 1,2 Prozent. Insgesamt bedeute die aktuelle Tariflohn-Entwicklung eine „Umverteilung zugunsten der Arbeitseinkommen“, meint Schulten. Denn der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen steige damit wieder an.

Wenn Ihr mich fragt, verdienen deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer noch zu wenig. Continue reading „Sind die fetten Jahre vorbei?“

Wider den Exportwahn

Deutschlands Wirtschaft ist im ersten Halbjahr robuster als erwartet gewachsen. Trotzdem warnen erste Stimmen vor zu hohen Löhnen und nachlassender Wettbewerbsfähigkeit. Das ist übertrieben, meine ich.
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Das Statistische Bundesamt hat am Freitag eine Zahl veröffentlicht, die Laien als mickerig empfinden mögen, Fachleute aber durchaus verblüfft: Das Bruttoinlandsprodukt ist im zweiten Quartal gegenüber dem ersten Quartal, bereinigt um saisonale und kalendarische Einflüsse, um 0,4 Prozent gestiegen. Diese Wachstumsrate hat die Erwartungen der meisten Volkswirte übertroffen, die höchstens mit der Hälfte, also 0,2 Prozent, gerechnet hatten.

Das ist für Fachleute in der Tat überraschend. So sehr, dass einige Ökonomen gleich ihre Prognose für das gesamte Jahr nach oben revidiert haben, wie zum Beispiel Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, der jetzt mit stolzen 1,8 Prozent statt 1,5 Prozent für das Gesamtjahr rechnet.

Das ist schon toll: Seit fast acht Jahren zeigen die Pfeile für die deutsche Wirtschaft nach oben. Und das, obwohl es so aussieht, als gerate die Welt ringsum aus den Fugen: Flüchtlingsströme, Terroranschläge, Brexit ­ das alles paart sich mit den trüben Aussichten für die Weltwirtschaft, dem stotternden Wachstumsmotor China und den Krisen in der Türkei, in Russland und Brasilien. Continue reading „Wider den Exportwahn“