der-newstest.de

Screenshot der-newstest.de

 

 

Eine Binsenweisheit: Im Internet gibt es tonnenweise Falschnachrichten und als Nachrichten getarnte Werbung. Und es gibt Personen, die gezielt Lügen in Sozialen Medien verbreiten. Für den Umgang damit braucht man bestimmte Fähigkeiten. Lese ich gerade eine glaubwürdige Nachricht oder einen nachrichtlich aufgemachten Werbetext? Kann ich öffentliche und private Medien richtig einschätzen? Ein seriöser Test im Internet hilft weiter.

In einem digitalen Selbsttest auf der Seite „der-newstest.de“ kann Jeder seine eigenen Fähigkeiten im Umgang mit Nachrichten im Internet überprüfen. Dazu bekommt man Fragen in fünf verschiedenen Kategorien gestellt, etwa wie gut man sich auf Nachrichten-Webseiten und sozialen Medien zurechtfindet. Außerdem bekommt man Nachrichten und Behauptungen gezeigt, die man einschätzen oder bewerten soll. Ziel ist, auf die Fähigkeiten hinzuweisen, die man im Umgang mit Nachrichten braucht. Und: Menschen zu zeigen, in welchen Bereichen sie ihre Fähigkeiten noch verbessern können.

In jedem der fünf Kategorien (siehe Bild) kann man maximal sechs Punkte, also insgesamt 30 Zähler erreichen. In eine Viertelstunde sind die Fragen beantwortet – wenn man sich nicht sicher ist, kann man Fragen überspringen – wofür es freilich Punkteabzug gibt. Erschreckend war für mich, wie viele Punkte die Besucher der Webseite im Schnitt erzielt haben – es waren noch nicht einmal 15. Grund genug also für Viele, sich in Sachen Medienkompetenz noch etwas draufzuschaffen. Das gilt auch für mich, denn ich habe zwar keine Frage falsch beantwortet, einige aber übersprungen, weil ich mir nicht sicher war.

Den Newstest hat die Stiftung Neue Verantwortung zusammen mit nach morgen, einem Kölner Studio für digitale Produkt- und Markenentwicklung gestaltet, – unterstützt von der Bundeszentrale für Politische Bildung/bpb, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Landesanstalt für Medien NRW und der Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Die Beispiele und Daten im Test kommen aus der Studie „Quelle: Internet“? Digitale Nachrichten- und Informationskompetenz der deutschen Bevölkerung im Test.

Der Test wird aktuell von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, der Bundeszentrale für Politische Bildung/bpb und der Landesanstalt für Medien NRW weiterentwickelt.

 

Stabilitätsanker oder Investitionsblocker?

Eine Fußfessel, gesehen im Kriminalpanoptikum Aschersleben (Harz) Foto: Peter Reinäcker / pixelio.de

 

Deutsche Volkswirte sind gespalten beim Bundeshaushalt und der Schuldenbremse. 48 Prozent der Befragten sind dafür, im Haushalt 2024 vorrangig Ausgaben zu kürzen. 38 Prozent sehen einen Anstieg der Neuverschuldung als primären Weg, um dem Haushalt 2024 mehr Geld zuzuführen.

 

 

Das ist ein Ergebnis des Ökonomenpanels, bei dem das Münchener ifo Institut zusammen mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) Ökonominnen und Ökonomen an deutschen Universitäten befragt, und an dem sich 187 VWL-Professorinnen und Professoren vom 28. November bis zum 5. Dezember beteiligt haben.  „Die bestehende und eine reformierte, investitionsbasierte Schuldenbremse erhalten ähnlich viel Unterstützung. Einig sind sich die Befragten darin, dass die Schuldenbremse nicht ganz abgeschafft werden sollte“, sagt ifo-Präsident Clemens Fuest.

Zugleich gibt es eine größere Gruppe von Befragten, die statt Ausgabenkürzungen einen Anstieg der Neuverschuldung als Lösung für die Haushaltslücke im Jahr 2024 sehen: Rund 15 Prozent fordern eine Reform oder Abschaffung der Schuldenbremse, um so Freiraum für Mehrausgaben zu schaffen. Weitere 18 Prozent wollen Sondervermögen zu Klima und Infrastruktur in Grundgesetz verankern. 5 Prozent sprechen sich für ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse aus. Weitere 5 Prozent fordern Steuererhöhungen. Zudem wollen 7 Prozent andere Maßnahmen, vielfach eine Mischung aus Einsparungen und höheren Steuereinnahmen.

Rund zwei Drittel der Befragten im ifo Ökonomenpanel unterstützen das Vorgehen der Bundesregierung, für das Jahr 2023 rückwirkend eine Notlage zu beschließen und so die Schuldenbremse aussetzen. Dies sei der einzige Weg, um das Jahr kurzfristig mit einem verfassungsmäßigen Haushalt abzuschließen. Im Nachhinein könne man nicht mehr sparen. Alle Alternativen würden Unternehmen und Haushalte erheblich verunsichern und Klimaziele gefährden. 28 Prozent lehnen das Vorgehen ab.

Gespalten sind die Professorinnen und Professoren über die Zukunft der Schuldenbremse: 48 Prozent wollen die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form erhalten. 44 Prozent wollen sie erhalten, aber reformieren, und ganze sechs Prozent wollen sie gänzlich abschaffen.

Mehr Details zu Umfrage hat das Ifo-Institut hier veröffentlicht.

Schuldenbremse verfassungswidrig

Foto: Torsten Bogdenand / pixelio.de

Ja Leute, das hört sich erstmal völlig verrückt an. Wie kann etwas, was in der Verfassung steht, verfassungswidrig sein? Nun, wenn man sich die beiden Grundgesetz-Artikel anschaut, die sich auf die Schuldenbremse beziehen, dann kommen – mir zumindest – erhebliche Zweifel, ob das überhaupt in der gegenwärtigen Form in ein Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gehört. 

In Artikel 109 unserer Verfassung heißt es: „Die nähere Ausgestaltung regelt für den Haushalt des Bundes Artikel 115 mit der Maßgabe, dass Satz 1 entsprochen ist, wenn die Einnahmen aus Krediten 0,35 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten.“ Und in dem besagten Artikel 115 GG heißt es: „Einnahmen und Ausgaben sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Diesem Grundsatz ist entsprochen, wenn die Einnahmen aus Krediten 0,35 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten.“

Mit anderen Worten: Die Nettoneuverschuldung des Bundes darf nur einem Bruchteil der jährlichen Leistung unserer Wirtschaft entsprechen. Starre Regel: 0,35 Prozent – was immer auch um uns herum geschieht.

Das wirft Fragen auf. Wer hat da 0,35 Prozent Nettoneuverschuldung bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt in die Verfassung reingeschrieben? Warum nicht 0,2 Prozent? Oder 0,95 Prozent? Völlig willkürliche Zahlen, aus dem Augenblick geboren, der wirtschaftlichen Situation oder den damals gerade herrschenden politischen Mehrheiten geschuldet – gerne ja. Aber es bleiben Zahlen, die nicht in ein Grundgesetz gehören.

Ich bin kein Jurist und erst recht kein Staatsrechtler. Aber warum darf ein Parlament so eine willkürlich gewählte Zahl in eine Verfassung hineinschreiben? Eine Verfassung, die den Bestand der Bundesrepublik Deutschland auf ewig garantieren soll! Ich glaube, in unser Grundgesetz gehören keine willkürlich ausgesuchten Zahlen oder Prozentsätze. Die in Artikel 109 und 115 genannten Regeln zur Schuldenaufnahme des Staates sind – völlig verrückt – in sich verfassungswidrig, weil sie dort nicht hingehören.

Übrigens: Erinnert sich noch jemand an die sogenannten Maastricht- oder auch Konvergenzkriterien, die seinerzeit jedes EU-Land erfüllen musste, um Mitglied der Europäischen Währungsunion werden zu können? Richtig, da ging es um Inflation, Wechselkurse, Zinsen und – Schulden. So soll die Gesamtverschuldung eines Euro-Landes möglichst nicht mehr als 60 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung (BIP) betragen, und die jährliche Nettoneuverschuldung nicht höher sein als drei Prozent des BIP. Richtig gelesen: 3,0 Prozent und nicht 0,35 Prozent – fast zehn mal so viel wie wir uns ohne Not als Fessel ins Grundgesetz schreiben! Aber wir Deutschen sind halt besonders gründlich – besonders beim Kaputtsparen von Infrastruktur und beim Anlegen von idiotischen Fußfesseln.

 

 

Hört ruhig auf die Idioten

Grafik: Tim Reckmann / pixelio.de:

AfD-Adepten schießen sich am liebsten selbst ins Knie. Oder, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW in Berlin in einer Kurzstudie formuliert: „Die Hauptleidtragenden der AfD-Politik wären ihre eigenen Wähler*innen“. Denn die glauben ernsthaft, eine Rückabwicklung der Globalisierung, ein erstarkender Nationalismus und eine neoliberale Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik böte ihnen persönlich bessere Arbeitsplätze, mehr Sicherheit und bessere Chancen. Genau das Gegenteil würde ihnen blühen, sagt das DIW.

Zu diesem Ergebnis kommen die DIW-Forscher, nachdem sie die programmatischen Ziele dieser Partei mit den Anliegen, Einstellungen und der sozio- ökonomischen Situation von AfD-Unterstützern und Unterstützerinnen zueinander in Beziehung gesetzt haben. Dabei tritt ein bemerkenswertes Paradox auf: Menschen, die die AfD unterstützen, würden am stärksten unter deren Politik leiden, und zwar in Bezug auf fast jeden Politikbereich: Wirtschaft und Steuern ebenso wie Klimaschutz, soziale Absicherung, Demokratie und Globalisierung. „Dieses Paradox scheint mit einer falschen Selbsteinschätzung vieler AfD-Wähler*innen und mit einer Fehleinschätzung der gesellschaftlichen Realität zusammenzuhängen“, schreiben die DIW-Forscher. (Sorry für die völlig absurden Gendersternchen, aber im Originalzitat darf ich sie natürlich nicht verändern).

Wer wählt überhaupt die AfD? Menschen, die mit dieser Partei sympathisieren, sind überwiegend männlich, häufig arbeitslos und leben oft  in strukturschwachen Regionen, ergab eine aktuelle Forsa-Umfrage

https://www.n-tv.de/politik/Umfrage-zeigt-Eigenschaften-der-AfD-Waehler-article24203917.html.

Ältere Untersuchungen haben gezeigt, dass Einkommen und Bildung eher schwach sind. Die Unzufriedenheit über das eigene Leben und über den Zustand von Wirtschaft und Gesellschaft ist unter der AfD-Klientel deutlich höher als im Durchschnitt aller Wahlberechtigten. Und oft haben oder hatten sie eine geringere soziale und auch politische Teilhabe.

Machen wir uns nichts vor: Die AfD schneidet besser in Wahlkreisen ab, in denen die Perspektivlosigkeit groß ist, die Chancen für junge Menschen gering sind und durch deren Abwanderung wichtige Infrastrukturen für Familien und Kinder – und damit auch für Unternehmen – schlechter werden oder verschwinden. Denn dort „kümmern“ sich die AfD-Vertreter um diese abgehängten Leute, blasen ihnen das Lied von denenen da Oben und wir da unten ein – was CDU-, SPD-, Grünen- und FDP-Politiker und Politikerinnen vor Ort oft nicht leisten wollen oder für nötig halten.

Das Ergebnis ist eine hohe Zustimmung vor Ort, die mit den tatsächlichen programmatischen Positionen der Partei praktisch nichts zu tun hat. Beispiele gefällig? Nehmen wir die Wirtschaftspolitik, sie ist in der Programmatik der AfD noch neoliberaler und marktradikaler als die der FDP. Steuersenkungen für Spitzenverdiener, niedrigere Löhne für Geringverdiener, und eine Beschneidung der Sozialsysteme würden AfD-Adepten viel stärker beuteln als alle anderen. Würde sich die AfD-Politik durchsetzen, käme es zu einer Umverteilung von Einkommen und sozialen Leistungen von unten nach oben, die Deppen wären die AfD-Wähler.

Wie kann es sein, dass ein Fünftel der Menschen in Deutschland die Politik einer Partei unterstützt, die stark dem eigenen Wohlergehen und den eigenen Interessen zuwiderläuft? Eine plausible Antwort ist laut DIW „die individuelle und kollektive Fehleinschätzung“ ihrer eigenen Situation. Sie liegt laut DIW darin, „dass viele AfD-Wähler*innen nicht realisieren, dass eine Politik der Diskriminierung und Ausgrenzung sie selbst stark negativ betreffen würde.“

Denn sie selbst gehören häufig zum unteren Rand der Einkommensverteilung, genießen seltener Privilegien und haben weniger Chancen als andere und sind stärker auf finanzielle Leistungen des Staates angewiesen. So wären vor allem AfD-Adepten von Arbeitsplatzverlusten, einer schlechteren Infrastruktur und weniger Leistungen, einer Schwächung der Europäischen Union oder Steuersenkungen für Spitzenverdiener betroffen.

Die kollektive Fehleinschätzung der AfD-Wähler besteht in dem, was der Zeit-Journalist Nils Markwardt „Verblendungszusammenhänge“ nennt. Da  geht es im besten Fall um eine verzerrte Wahrnehmung der Realität und im schlimmsten Fall um irre Verschwörungstheorien, bei denen sich AfD-Adepten als Opfer von Politik und Gesellschaft darstellen und sich selbst als Mehrheit beschreiben.

Das Fazit: AfD-Adepten glauben ernsthaft, eine Rückabwicklung der Globalisierung, ein erstarkender Nationalismus sowie eine neoliberale Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik würde ihnen persönlich bessere Arbeitsplätze, mehr Sicherheit und bessere Chancen verschaffen. Genau das Gegenteil wird passieren.

Die ganze Studie hier:

Klicke, um auf diw_aktuell_88.pdf zuzugreifen

 

 

 

 

 

 

 

Ressourcen in der Schublade

Foto: Peter Freitag/pixelio.de

Fast jeder hat eines Zuhause im Keller oder in der Schublade: Ein altes und ausrangiertes Smartphone. Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass die darin enthaltenen Materialien ausreichen würden, um den Rohstoffbedarf aller neuen Smartphones der kommenden zehn Jahre zu decken. Rückführungs- und Recyclingprozesse müssen allerdings noch effizienter werden, um das Potenzial auszuschöpfen.

In deutschen Haushalten lagen 2022 dem IT-Branchenverband Bitkom zufolge ungefähr 210 Millionen Schubladenhandys, 87 Prozent der Bürger haben mindestens ein ausrangiertes Handy. Seltene Rohstoffe wie Gold, Palladium oder Platin schlummern also nicht nur tief im Boden, sondern oft auch in der eigenen Wohnung – wertvolle Rohstoffe, die auf dem Weltmarkt in Zeiten von Lieferengpässen und Konflikten nicht einfach zu bekommen sind.

Werden Rohstoffe und Materialien aus Altgeräten oder das Gerät selbst aufbereitet und wiederverwendet, spricht man von Kreislaufwirtschaft. Eine neue IW-Berechnung macht nun das Potenzial deutlich: Würden alle Handys und Smartphones, die in Deutschland ungenutzt herumliegen, recycelt, würden die gewonnenen Materialien den Bedarf für alle neuen Smartphones der nächsten zehn Jahre decken.

„Dass die Kreislaufwirtschaft in Zukunft immer wichtiger wird, zeigen drei globale Trends“, heißt es in der IW-Pressemitteilung. „Erstens wächst der Bedarf nach Rohstoffen mit der Weltbevölkerung. Insbesondere der steigende Konsum von Elektrogeräten ist ein Problem. Ausrangierte Geräte liegen oft in Schubladen und Kellern herum, das führt dazu, dass Rohstoffe knapper und teurer werden. Ein drittes Problem: Mit dem höheren Konsum steigen auch die Abfallmengen. Urban Mining, also die Gewinnung und Nutzung der Rohstoffe aus Altgeräten, schützt daher langfristig nicht nur die Umwelt. Es macht die deutsche Wirtschaft und die Verbraucher auch unabhängiger von Exportländern wie China.“

Gleichzeitig seien viele Recyclingprozesse noch nicht effizient genug, die Wiederverwertung lohne sich betriebswirtschaftlich nicht, schreibt das IW. Der reine Metallwert eines alten Handys liege bei 1,15 Euro, die Kleinteiligkeit der Geräte erschwere das Recycling. „Das Recycling stellt nur eine Lösung dar. Besser wäre es, bereits bei der Produktentwicklung Abfälle zu vermeiden oder die Geräte und ihre Komponenten für eine Wiederverwendung professionell aufzubereiten“, sagt Adriana Neligan, eine der beiden Auorinnen der Studie. Ein erster wichtiger Schritt wäre, dass die Verbraucher ihre ungenutzten Altgeräte zurückbringen. Aber auch die Politik müsse hier unterstützen, Tempo machen und für bessere Anreize bei der Sammlung sorgen.

Auch die Europäische Union hat das Thema Nachhaltigkeit für Elektronikgeräte entdeckt. Smartphones und Tablets sollen in der EU bald neuen Öko-Standards genügen. So sollen Hersteller verpflichtet werden, mindestens sieben Jahre lang Ersatzteile sowie technische Informationen und mindestens fünf Jahre lang Software-Updates nach dem Ausscheiden eines Produkts vom Markt zur Verfügung zu stellen.

Generalüberholte Elektronikgeräte sind eine nachhaltige Alternative zur Neuware. Der Markt wächst, auch weil zunehmend professionelle Kreisläufe durch Netzbetreiber, Firmenkunden und Refurbisher etabliert werden. Die Journalistin Matilda Jordanova-Duda schildert in einem Online-Beitrag für die Deutsche Welle   eine vielversprechende Initiative aus Düren bei Aachen: Die gemeinnützige GmbH AfB (Arbeit für Menschen mit Behinderung)  sammelt ausrangierte Firmen-Elektronik ein, prüft und reinigt sie, löscht vorhandene die Daten, repariert und rüstet auf, um die Geräte wieder in Umlauf zu bringen.  AfB ist ein zertifizierter Refurbisher, das Unternehmen existiert seit 18 Jahren und hat ca. 650 Mitarbeitende, gut die Hälfte von ihnen mit Behinderung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Messenger-News statt Vierfarb-Flyer?

Foto: Rolf Wenkel

Geht Euch das auch so? Jede Woche flattern mir mindestens zehn aufwendig gedruckte Vierfarb-Flyer des Einzelhandels ins Haus: HIT, Aldi, Rewe, Penny, Lidl, dazu noch ein Baumarkt, ein Elektromarkt, ein Getränkegroßhandel, mindestens zwei Möbelhäuser und ein Küchenstudio. Allerdings: Rund sieben von zehn Prospekten wandern bei mir sofort in die Tonne. Ungelesen. Muss das sein?

Der Kölner Handelsriese REWE hat mal ausrechnen lassen, was die bunten Prospekte für seine bundesweit rund 3.700 Filialen an Ressourcen verschlingen: Über 73.000 Tonnen Papier, 70.000 Tonnen CO2 , 1,1 Millionen Tonnen Wasser und 380 Millionen Kilowattstunden Energie pro Jahr, schreibt RWE in einer Pressemitteilung.

Jedes Jahr landen im Schnitt 40 Kilo an Papierprospekten in den Briefkästen der Republik. Das geht auch anders: Ob REWE, Aldi, Obi, Toom oder Netto – sie alle planen, die gedruckten Handzettel langfristig durch digitale Kommunikation ganz oder teilweise zu ersetzen. Im Gespräch sind besonders Messenger-Dienste wie WhatsApp, weil die auf fast jedem werberelevanten Endgerät verfügbar sind.

Ganz offensichtlich wollen die großen Handelsketten mindestens zwei, wenn nicht gar drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Umstellung auf digitale Werbekanäle wie Newsletter oder Messenger-Dienste gilt als modern und zukunftsorientiert, ist also gut für’s Image, man kann sich als grün, umweltbewusst und nachhaltig darstellen, weil man Ressourcen einspart, was auch gut für’s Image ist, und man spart nebenbei noch die Kosten für Papier und Energie, die dank des Kriegsverbrechers in Moskau in schwindelnde Höhen steigen.

Besonders forsch preschte der Kölner Handelsriese RWE nach vorn – mit der Ankündigung, zum 1. Juli diesen Jahres den Druck und den Vertrieb der bunten Prospekte ganz einzustellen. Indes. „Nur eine Woche nach Bekanntgabe (…) ruderte man in Köln zurück. Die Händler können selbst entscheiden, ob sie mitmachen oder nicht“, heißt es in einem Newsletter der EHI Retail Institute GmbH, dem Forschungsinstitut des deutschen Einzelhandels in Köln.

Überhaupt muss man sich die Frage stellen, ob man klima- und ressourcentechnisch so viel einspart, wenn die digitalen Prospekte demnächst im digitalen Messenger-Briefkasten und nicht in der Papiertonne landen. Es gibt Schätzungen, wonach der digitale Datenverkehr weltweit für etwa zwei Prozent der globalen CO2 –Emissionen verantwortlich und damit in etwa mit der Luftfahrtbranche vergleichbar ist. Und man kann ruhig davon ausgehen, dass gut die Hälfte der digital verursachten CO2 –Emissionen auf das Konto der digitalen Werbung und des Marketings geht. Das ist gewiss keine quantité négligeable.

Allerdings macht das EHI Retail Institute auch auf einen nicht zu unterschätzenden Vorteil aufmerksam: „Der Versand der Angebotsprospekte über Whatsapp hat den Charme, dass die Kund:innen aktiv zustimmen müssen. Durch das Opt-in trennen sich Spreu und Weizen. Außerdem bildet diese Variante der digitalen Kundenbindung die Grundlage für das Sammeln von Daten und Bilden von Nutzerprofilen – natürlich DSGVO-konform.“

Ja, ja, das wäre eine schöne Zukunftsvision: Null Werbung, es sei denn, ich habe ausdrücklich zugestimmt. Die Zukunft jedoch, so fürchte ich, wird eine andere sein: Ich werde digital mit Werbung zugeballert – und muss trotzdem 40 Kilo Papierprospekte pro Jahr entsorgen. Hybrid-Strategie nennt man das denn wohl unter den Marketingexperten.

Architektur-Tipp: Arp-Museum Rolandseck

An einem sonnigen Herbsttag mit knallblauem Himmel sind zwei Sujets besonders dankbare Fotomodelle: Der Laubwald und die moderne Architektur. Also sind wir los zum arp museum am Bahnhof Rolandseck am Rhein, kurz hinter dem südlichsten Zipfel Nordrhein-Westfalens oder andersherum im nördlichsten Zipfel von Rheinland-Pfalz. 

Wenn die elend viel befahrene Bundesstraße B 9 nicht wäre, könnte man glatt von einem idyllischen Fleckchen sprechen. Der Bahnhof Rolandseck ist für rund sieben Millionen Euro restauriert worden. Er sollte ursprünglich abgerissen und durch einen verkleinerten Neubau ersetzt werden, entwickelte sich Mitte der 1960er Jahre aber zu einem Zentrum kulturellen Lebens, in dem Künstler dort lebten, arbeiteten oder ihre Arbeiten präsentierten. Die Namen Hans Arp, Oskar Kokoschka, Bruno Goller, Günther Uecker, Gotthard Graubner, Stefan Askenase, Yehudi Menuhin, Hans Richter, Martha Argerich, Martin Walser und Marcel Marceau stehen für viele andere Künstler und Künstlerinnen. Am Hang über dem Bahnhof erhebt sich seit dem Jahr 2007 ein Neubau, der rund 24 Millionen gekostet hat und Hans Arp und seiner Frau Sophie Taeuber-Arp gewidmet ist.

 

 

 

 

 

Der Eintritt kostet elf Euro für Erwachsene – aber die sollten nicht allzuviel Arp erwarten. Böse Zungen sagen, dafür habe das Geld nicht gereicht, aber es ist wohl eher so, dass viele seiner Werke in Privatbesitz sind und der Mann zu Lebzeiten auch nicht genug Geld hatte, seine zahllosen Formen mit Bronze ausgießen zu lassen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lange gab es einen akademischen Streit darüber, ob seine posthum ausgegossenen Formen noch echte Arp-Plastiken sind oder Repliken. Wie der ausgegangen ist, weiß ich nicht, weil es mir egal ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

Interessanter ist in meinen Augen die Architektur von Richard Meier. Der Mann hätte sich eigentlich nach dem Bau des Getty-Museums in Los Angeles nach seinem Entwurf zur Ruhe setzen können, aber hier hat er einen Traum in Weiß in die Landschaft gesetzt, mit klaren und strengen geometrischen Formen, in dem selbst blutigen Laien wie mir ganz passable Architekturfotos gelingen.

 

 

 

 

 

 

 

Schön ist auch, dass das Personal offenbar keine Anweisungen hat, das Fotografieren zu verbieten, und schön ist auch die Terrasse des Bistros im Bahnhof Rolandseck mit Blick auf den Rhein.

Einziger Nachteil: Dort ist Nachmittags keine Sonne mehr. Aber mit diesem Manko müssen alle linksrheinischen Zeitgenossen im Rheinland leben. Das versuchen die natürlich mit Spott und Häme zu kompensieren. So lächeln die linksrheinischen Kölner über die Deutzer und die Bonner über die Beueler, sprechen sogar von der „schääl Sick“, also von der schiefen, der falschen Seite des Rheins. Manche behaupten sogar, am rechten Rheinufer begänne schon Sibirien. Nix da – bei uns scheint noch die Sonne, wenn Ihr schon längst im Dunkeln sitzt!

30 Jahre SMS

Foto: Peter Freitag/pixelio.de

„Merry Christmas“ stand in der ersten SMS. Sie wurde am 3. Dezember 1992 von einem Computer an den Vodafone-Mitarbeiter Richard Jarvis versendet. Drei Jahre später kam die SMS dann offiziell auf den Markt – und hat den Mobilfunkanbietern jede Menge Windfall-Profits in die Kassen gespült.  Jetzt ist es ruhig geworden um den Datendienst – doch totzukriegen ist er nicht.

„Richtig durchgesetzt hat sich die SMS als Kommunikationsmittel erst in den späten 1990er-Jahren, als Handys preiswerter wurden, die Preise für Mobilfunkdienste fielen und erste SMS-Flatrates auf den Markt kamen“, so zitiert WDR-Redakteur Jens Eberl Tanja Richter, Technikchefin von Vodafone.

Der Short Message Service, kurz: SMS, hat das Leben und die Kommunikation vieler Handynutzer geprägt. Die Kurzmitteilung war die vergleichsweise günstige Alternative zum teuren Handytelefonat. Unvergessen bleiben vielen die Erinnerungen an stundenlange Chats und Datenstau in der Neujahrsnacht. In der ersten Dekade des neuen Jahrtausends hatte die SMS ein beispielloses Rekordwachstum hingelegt. 1996 wurden gerade mal 41 Millionen SMS im ganzen Jahr geschrieben. Ab 1998 ging es dann steil bergauf. Im Jahr 2000 waren es bereits 14,8 Milliarden, und im absoluten Rekordjahr 2012 haben Deutschen fast 60 Milliarden Textnachrichten verschickt.

Was mich schon damals gestört hat: Die Mobilfunkanbieter haben seinerzeit Milliarden verdient, obwohl Ihnen durch den Short Message Service nie zusätzliche Kosten entstanden sind. Der Datenkanal, über den die 160 Zeichen laufen, wird ohnehin bei jeder Mobilfunk-Verbindung aufgebaut. Über diesen Kanal wird zum Beispiel die Rufnummer des Anrufenden angezeigt, sofern diese nicht unterdrückt wurde. Für eine SMS trotzdem 19 Cent zu verlangen, war ein wirklich starkes Stück. Windfall Profits nennt das der Fachmann. Aber wo sind die Milliarden-Einnahmen geblieben? Für Breitbandnetze auf dem platten Land sind sie jedenfalls nicht ausgegeben worden.

Seitdem ist es ruhiger geworden um die SMS. Messenger-Dienste wie WhatsApp, Signal oder Telegram haben ihr inzwischen den Rang abgelaufen. Dort lassen sich auch Fotos oder Videos verschicken. Folgerichtig ging die Nutzung der SMS stark zurück. Im Jahr 2021 berichtet die Bundesnetzagentur von knapp acht Milliarden SMS, was etwa 13 Prozent des Rekordjahres 2012 entspricht. Immerhin hat die Nutzung im Vergleich zu den Vorjahren wieder etwas zugenommen.

„Im Jahr 2004 wurde „simsen“ in den Duden aufgenommen, und 2011 schaffte es das Kürzel LOL (englisch: Laugh Out Loud, deutsch: lautes Auflachen) ins Oxford Dictionary“, berichtet Tagesschau-Redakteur Jens Eberl. Vor einem Jahr wurde dann die erste SMS mit ihrer „Merry Chistmas“-Botschaft für den guten Zweck versteigert. Die als sogenannter Non Fungible-Token, kurz NFT, angebotene Kurznachricht erzielte einen Preis von 107.000 Euro.

„Auch wenn die SMS nicht mehr den Charme vergangener Jahre versprüht, wird sie uns wohl noch länger erhalten bleiben“, ist sich Vodafone-Technik-Chefin Richter sicher. Sie ist einfach zu simpel und vor allem bei Zweifach-Authentifizierungen von Zugängen für Online-Dienste oder als Benachrichtigungsservice für Mailbox-Nachrichten noch immer unverzichtbar. Zudem kann die SMS als Netzdienst unabhängig von Apps genutzt werden. Der Schutz privater Daten kann damit prinzipiell noch besser gewährleistet werden. Der Standard funktioniert auf jedem Handy, benötigt keine Internetanbindung und keine gesonderte Anmeldung.

 

Influencer: Die Luft wird enger

Wer heutzutage einigermaßen geradeaus in ein Mikrofon oder eine Kamera stammeln kann, fühlt sich bald zum Influencer berufen. Ein Drittel aller zwischen 1997 und 2010 in Deutschland geborenen Menschen will seinen Lebensunterhalt als Influencer verdienen, sagen Studien. Das Institut der deutschen Wirtschaft warnt indes: Die Aufmerksamkeit des Pubkikums lässt sich nicht beliebig steigern.

Ach ja, Influencer im Internet: Gibt es doch da die schöne Erzählung, nach der Cristiano Ronaldo auf einer Pressekonferenz der Europameisterschaft 2021 durch das Beiseitestellen zweier Cola-Flaschen den Aktienkurs des weltbekannten Zuckerbrause-Produzenten aus Atlanta/Georgia einbrechen ließ. Seitdem ist klar, wie stark bekannte Persönlichkeiten den Ruf und dadurch die wirtschaftliche Situation einzelner Unternehmen beeinflussen können – im positiven wie im negativen Sinne.

Das Erfolgsrezept: Anders als herkömmliche Werbung wirken Empfehlungen von Influencern auf deren Follower wie ein freundschaftlicher Rat. Für die Unternehmen hinter dem Werbedeal heißt das: Kundenvertrauen ist fest eingebaut. Den werbenden Influencern bringen die gesponsorten Posts indes gutes Geld ein. Und die stetig steigenden Ausgaben für Influencer-Kampagnen legen den Schluss nahe, dass sich die moderne Marketingstrategie auch für die Firmen rentiert. Im Jahr 2021 gaben Unternehmen laut Influencer Marketing Hub weltweit mit fast 14 Milliarden Dollar mehr als doppelt so viel für Influencer-Marketing aus wie noch zwei Jahre zuvor.

Na, das ist doch mal ein richtig dicker Wirtschaftsfaktor: Während 2018 nur zwölf Prozent der deutschen Unternehmen bereit waren, mehr als 100.000 Euro für Influencer-Marketing auszugeben, waren es 2020 bereits 25 Prozent. Laut einer Umfrage des Bundesverbands Digitale Wirtschaft planten für das Jahr 2021 rund 45 Prozent der befragten Unternehmen, ihr Budget für Influencer-Marketing weiter zu erhöhen. Lediglich vier Prozent wollten weniger Geld als 2020 investieren.

Doch nicht nur die Nachfrage der Unternehmen nach werbenden Influencern wächst. Auch viele junge Menschen können sich mittlerweile vorstellen, ihr Geld über die sozialen Medien zu verdienen. Eine Umfrage von YouGov Deutschland unter den von 1997 bis 2010 Geborenen – auch bekannt als Generation Z – zeigt: Fast ein Drittel der Generation Z ist nach eigenen Angaben schon Vollzeit-Influencer oder möchte es werden, sechs Prozent der Befragten verdienten 2021 so bereits ihren Lebensunterhalt.

Auf Plattformen wie Instagram, YouTube und TikTok schießen Influencer derzeit immer noch wie Pilze aus dem Boden. Das Geschäftsmodell beruht natürlich einzig und allein auf der Neugierde und der Aufmerksamkeit ihrer Follower. „Aufmerksamkeit ist aber keine unendliche Ressource“, sagt Barbara Engels, Senior Economist für nachhaltige Digitalisierung beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. „Denn die Anzahl der Menschen, die eine Person wahrnehmen und mit denen sie interagieren kann, ist begrenzt. Das gilt auch für Influencer, die ihre Follower teilweise wie Freunde im Alltag begleiten. Mit höchstens 150 Menschen kann eine Person Studien zufolge in regelmäßigem Kontakt bleiben. Verwendet man diese Zahl für den deutschen Influencer-Markt, zeigen sich die Grenzen des Wachstums.“

Barbara Engels, Senior Economist für nachhaltige Digitalisierung beim IW in Köln (Quelle: IW )

Nicht jeder Influencer kann von seiner Arbeit in sozialen Medien leben. Erst ab einer Followerzahl von mindestens 20.000, eher noch 100.000, kann man davon ausgehen, dass ein Influencer damit seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Gäbe es im deutschen Markt nur mittelgroße Influencer mit 20.000 Followern, würde – unter Berücksichtigung der 150er-Regel – die Aufmerksamkeit der deutschen Internetnutzer ausreichen, um 543.000 Influencer im Markt zu halten, schreibt Barbara Engels in einer IW-Studie. Bereits jetzt verdienen laut Umfragen allein 500.000 Menschen der Generation Z ihren Lebensunterhalt als Influencer. Hinzu kommen noch Influencer anderer Generationen, und Influencer aus dem Ausland – unter diesen Annahmen dürfte der Markt als gesättigt angesehen werden.

Gleichzeitig ist die Branche in Bewegung: Neue Influencer gewinnen Follower, ältere verlieren sie, oder zumindest ihre Aufmerksamkeit. Eine längere Karriere als Influencer bestreiten zu können, ist nur den wenigsten vergönnt. Aber: Influencer sind nur ein Teil der Wertschöpfungskette. Unternehmen, die Influencer monetarisieren, ihnen eine Plattform bieten oder an Audio- und Videoinhalten mitarbeiten, sind Teil eines wachsenden Marktes. „Junge Menschen, die sich für eine Karriere als Influencer interessieren, sollten sich bei der Berufswahl eher an den angrenzenden Bereichen wie der IT-Branche orientieren“, rät IW-Digitalisierungsexpertin Barbara Engels. „Die Chancen stehen schlecht, dauerhaft als Influencer Geld zu verdienen.“

Übrigens, nicht dass ich falsch verstanden werde: Ich mag viele Blogs und Vlogs, sie sind oft sehr unterhaltsam und auch nützlich, z.B. wenn Dir jemand erklärt, was in der chinesischen Gebrauchsanleitung steht oder wie man eine Artemide Tizio aus den 70er Jahren auf LED umrüstet. Die Betreiber haben einfach Spaß und vermutlich, wie das Finanzamt sagt, keine Gewinnerzielungsabsicht. Da sind immer nette Sachen dabei, aber ein ernstzunehmender Berufswunsch sollte das in meinen Augen für junge Menschen mit Perspektive auf die Zukunft nicht sein.

Rottet sich die AfD selbst aus?

Grafik: Tim Reckmann / pixelio.de

 

 

Eine bereits länger gefühlte Wahrheit ist jetzt wissenschaftlich dingfest gemacht: Es ist kein Zufall, dass in AfD-Hochburgen auch die Corona-Inzidenzen überdurchschnittlich sind, berichtet die Katholische Nachrichten-Agentur KNA. 

 

Durch die Auswertung von umfangreichem Datenmaterial haben Forscher aus Jena und München nachgewiesen: Der AfD-Zweitstimmenanteil hat “signifikante Effekte“ auf die regionalen Anstiege der Corona-Infektionszahlen in den ersten beiden Wellen. Signifikant heißt in der Wissenschaft: Nicht mehr durch den Zufall erklärbar.

Als Grundlage für die Studie dienten die Wahlergebnisse und Nichtwähleranteile der letzten Bundestagswahlen sowie die Daten zum Infektionsgeschehen im vergangenen Jahr in allen 401 deutschen Kreisen und kreisfreien Städten. Die Forschungsarbeit stellt fest: Die durchschnittliche Infektionshöhe in der ersten Pandemiewelle ist dort um 2,2 Prozentpunkte erhöht, wo das Wahlergebnis der AfD um einen Prozentpunkt ansteigt.

„Damit liegt statistisch die Infektionshöhe in einem Kreis mit 20 Prozent AfD-Zweitstimmenanteil circa 22 Prozentpunkte über einem Kreis mit einem Stimmenanteil von lediglich 10 Prozent“, erklärt der Soziologe und Mitautor der Studie, Christoph Richter. Dies gelte für West- und Ostdeutschland gleichermaßen. Andere Erklärungen schlossen die Autoren aus.

Denn die Wissenschaftler vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena, die dem Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt angehören, und vom Helmholtz Zentrum München zogen auch weitere soziostrukturelle Variablen wie die wirtschaftliche Situation, Mobilität, Grenznähe, Lebenserwartung und Altersstruktur in ihre Untersuchungen ein. Jedoch keiner dieser insgesamt 48 Faktoren lieferte eine alternative Erklärung.

Steigende Corona-Zahlen ließen sich auch im Zusammenhang mit rechtsextremen Kleinstparteien und Nichtwähler-Anteilen beobachten. Ein ähnlicher Effekt konnte jedoch nicht für die anderen im Bundestag vertretenen Parteien ausgemacht werden.

Schon im Sommer wies eine Studie der TU Dresden in eine ähnliche Richtung. Sie befasste sich mit der Pandemie in Sachsen. Ein besonders hohes Maß an Ablehnung der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie lasse sich vor allem bei AfD-Sympathisanten finden. Sie neigten zudem überdurchschnittlich oft dazu, sich nicht impfen lassen zu wollen.

Die Arbeit der TU legte zudem offen, dass “pandemieskeptische Einstellungen und ein Corona-bezogenes Verschwörungsdenken“ verbreitet bei jenen Personen sind, die mit der AfD sympathisieren. Auch die Jenaer Wissenschaftler verwiesen im Blick auf andere Forschungsarbeiten darauf, dass rechtspopulistische und rechtsextreme Einstellungen und Verschwörungsglauben “stark“ miteinander korrelieren. Dies zeige sich unter anderem in einer Skepsis bis hin zur offenen Ablehnung derjenigen demokratischen Institutionen, die Entscheidungsrelevanz in der Pandemie besäßen.

Das Feindbild der eigenen Regierung ist das Narrativ, dessen sich auch die AfD bedient. Die Forscher vom IDZ bescheinigen der Partei eine “beachtliche inhaltliche Kehrtwende“ in ihrer Corona-Politik. Bis April 2020 noch forderte sie Grenzschließungen und effektivere Schutzmaßnahmen. Es folgte der Ruf nach sofortiger Beendigung der Maßnahmen. Die AfD zielte “auf die Delegitimierung demokratischen staatlichen Handelns und beförderte die in der Pandemie aktualisierten Anti-Establishment-Haltungen“, beschreiben die Autoren.

Ihre Studie galt der ersten und zweiten Pandemie-Welle. Ausgehend von den Ergebnissen sei anzunehmen, dass rechte Einstellungen jedoch auch bei der aktuellen vierten Welle und einer mangelnden Impfbereitschaft verstärkt auf die Pandemie einwirkten. Bei der Bundestagswahl 2021 kam die AfD in Sachsen auf 24,6 Prozent der Zweitstimmen. In der vergangenen Novemberwoche überschritt die Inzidenz im Freistaat die Tausendermarke. In beiden Fällen führt das Bundesland die Statistik an.

Führende AfD-Vertreter wie etwa die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel brüsten sich geradezu damit, nicht geimpft zu sein und nutzen dies auch zur politischen Instrumentalisierung. Sie werde die Interessen der Ungeimpften und derer, die sich diskriminiert fühlten, im Bundestag “bis zum Ende vollumfänglich vertreten und sie verklagen und jagen, bis es nicht mehr weitergeht“.

Als das Erzbistum Berlin bekanntgab, dass für die Gottesdienste in der Advents- und Weihnachtszeit weitgehend 2G-Auflagen gelten sollten, warf die Brandenburger AfD der Kirche prompt vor, sie diskriminiere damit die Ungeimpften. An ihre Zielgruppe gewandt sagte die kirchenpolitische Fraktionssprecherin Kathleen Muxel: “Wer an den Herrn glaubt, sollte sich vor der Plage Corona nicht ängstigen.“