Trump und die Zölle

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Der selbsternannte klügste Mann der Welt sollte vielleicht mal versuchen, die Zölle für Produkte aus China und Europa tatsächlich zu erhöhen. Damit importiert es sich vermutlich eine drastisch hohe Inflation. Vielleicht bringt das einige seiner Sektenanhänger dann doch ins Grübeln.

Übrigens wird der verurteilte Straftäter nicht müde zu behaupten, die USA hätten durch die Zölle, die er während seiner ersten Amtszeit verhängt hat, „Hunderte von Milliarden Dollar aus China eingenommen“. (Quelle: CNN: https://edition.cnn.com/…/fact-check-trump…/index.html). Das ist natürlich Stuss. Zölle zahlt weder der chinesische Staat noch der chinesische Exporteur, sondern der US-Importeur. Und der hat die Wahl, entweder mit den Zähnen zu knirschen oder die Zollzahlungen auf seine Verkaufspreise aufzuschlagen.
Wenn die USA einen Zoll auf eine importierte Ware erheben, werden die Kosten normalerweise direkt vom Bankkonto des Importeurs abgebucht. „Man kann Zölle getrost als Steuern bezeichnen, denn genau das sind sie“, sagt Erica York, eine leitende Wirtschaftswissenschaftlerin der rechtsgerichteten Tax Foundation. „Da führt kein Weg dran vorbei. Es ist eine Steuer für Leute, die Dinge von ausländischen Unternehmen kaufen“.
Nach Angaben des US-Zoll- und Grenzschutzes haben die amerikanischen Importeure dem US-Finanzministerium bisher mehr als 242 Milliarden Dollar für die von Trump verhängten Zölle auf importierte Solarmodule, Stahl und Aluminium sowie in China hergestellte Waren gezahlt. (https://www.cbp.gov/newsroom/stats/trade)

Unternehmen erwarten von Trump nichts Gutes

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Die deutsche Wirtschaft erwartet massive Nachteile für den Welthandel und ihre eigenen Geschäfte durch die Trump-Regierung. Das zeigt eine aktuelle Unternehmensbefragung des unternehmernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Besonders Industrieunternehmen sehen sich betroffen.

 

 

Neue Zölle, fragliche Militärhilfen für die Ukraine und territoriale Expansionsphantasien: Nicht erst seitdem der „klügste Mann auf unserem Planeten“ (ZEIT-Magazin Nr. 3, 2025 S. 44) zum zweiten Mal als US-Präsident vereidigt wurde, sorgen seine Pläne weltweit für viel Unsicherheit – auch bei deutschen Unternehmen. Über 2000 von ihnen hat das IW befragt. Die meisten befürchten Handelshemmnisse und Wettbewerbsnachteile. Knapp ein Drittel der Firmen erwartet deutliche Nachteile durch höhere eigene Energiekosten, 28 Prozent befürchten starke Einbußen infolge einer schwächeren Weltwirtschaft.

Vor allem Industrieunternehmen sehen sich stärker betroffen: 40 Prozent dieser Firmen rechnen mit erheblichen Wettbewerbsnachteilen durch hohe Energiekosten in Deutschland. Gut ein Drittel geht davon aus, dass der globale Handel beeinträchtigt wird und sich daher die eigenen Absatzmöglichkeiten verschlechtern. Weniger anfällig sind hingegen Dienstleister: Sie sind, verglichen mit der Industrie, nicht so stark auf den Export ausgerichtet.

Außerdem befürchten die befragten Unternehmen, dass Subventionen für US-Unternehmen, neue Zölle und unterschiedliche Umweltstandards das Geschäft negativ beeinflussen werden. Weil die USA ein wirtschaftliches Schwergewicht sind, müsse die EU geschlossen auftreten und ihre Interessen verteidigen, heißt es in der IW-Pressemitteilung zur Studie. „Die neue Trump-Regierung wird deutsche Unternehmen unter Druck setzen. Vor allem eine koordinierte europäische Strategie kann die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen sichern“, sagt Studienautor und IW-Konjunkturexperte Michael Grömling. Hier geht’s zur Studie.

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Wenn ich meine Meinung anfügen darf, dann sollte Trump mal versuchen, die Zölle für Produkte aus China und Europa zu erhöhen. Damit importiert es sich vermutlich eine drastisch hohe Inflation. Vielleicht bringt das einige seiner Sektenanhänger dann doch ins Grübeln.

Übrigens wird der verurteilte Straftäter nicht müde zu behaupten, die USA hätten durch die Zölle, die er während seiner ersten Amtszeit verhängt hat, „Hunderte von Milliarden Dollar aus China eingenommen“. (Quelle: CNN). Das ist natürlich Stuss. Zölle zahlt weder der chinesische Staat noch der chinesische Exporteur, sondern der US-Importeur. Und der hat die Wahl, entweder mit den Zähnen zu knirschen oder die Zollzahlungen auf seine Verkaufspreise aufzuschlagen.

Wenn die USA einen Zoll auf eine importierte Ware erheben, werden die Kosten normalerweise direkt vom Bankkonto des Importeurs abgebucht. „Man kann Zölle getrost als Steuern bezeichnen, denn genau das sind sie“, sagt Erica York, eine leitende Wirtschaftswissenschaftlerin der rechtsgerichteten Tax Foundation. „Da führt kein Weg dran vorbei. Es ist eine Steuer für Leute, die Dinge von ausländischen Unternehmen kaufen“, fügte sie hinzu.

Nach Angaben des US-Zoll- und Grenzschutzes haben die amerikanischen Importeure dem US-Finanzministerium bisher mehr als 242 Milliarden Dollar für die von Trump verhängten Zölle auf importierte Solarmodule, Stahl und Aluminium sowie in China hergestellte Waren gezahlt .

 

 

 

Ein neues magisches Viereck

Quelle: IMK

Wohlstand bedeutet heutzutage mehr als stabile Preise, Wachstum und Beschäftigung. Ein schonender Umgang mit der Natur und der Abbau sozialer Ungleichheit sind heute mindestens ebenso wichtig. Vor knapp 60 Jahren glaubten Politiker in Westdeutschland, man müsse nur die vier Ziele stetiges Wachstum, stabile Preise, wenig Arbeitslose und eine ausgeglichene Export/Importbilanz in ein Gesetz schreiben, und alles würde sich zum Guten wenden. Das ist jedoch schon damals nur ein frommer Wunsch gewesen. 

Im Jahr 1967 trat in der Bundesrepublik das „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“ in Kraft, allgemein immer nur Stabilitätsgesetz genannt. Es benennt vier Einzelziele, die Bund und Länder mit ihren wirtschaftlichen und finanz­politischen Maßnahmen gleichzeitig erreichen sollen. Sie werden häufig als „magisches Viereck“ bezeichnet, weil sie sich nicht immer ohne Konflikte gleichzeitig realisieren lassen. Das magische Viereck umfasst laut Gesetz folgende Ziele: Ein stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum, ein stabiles Preisniveau, ein hoher Beschäftigungsstand und ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht.

Klingt vernünftig, oder? Allerdings wird es Keinen wundern, dass die Daten zum magischen Viereck über die letzten 50 Jahre deutlich schwankten und fast immer mindestens eines dieser Ziele verfehlt wurde. Zudem sind diese vier Ziele bei weitem nicht die einzigen, die sich ein moderner Staat setzen sollte. So sollte die Politik auch beachten, dass es noch andere wichtige Ziele gibt, die teilweise in Konflikt mit den oben genannten Indikatoren stehen.

Beispielsweise mag zwar der deutsche Staatshaushalt einen Überschuss aufweisen, aber gleichzeitig verfällt die deutsche Infrastruktur. In Deutschland stehen immer mehr Menschen in Lohn und Brot, aber gleichzeitig steigt auch die Zahl der von Armut bedrohten Menschen. Die Wirtschaft mag zwar konstant und relativ solide wachsen, aber dies gilt leider auch für den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase.

Damit Regierungen sich diesen und anderen Konflikten stellen, haben die Ökonomen Sebastian Dullien und Till van Treeck schon 2012 vorgeschlagen, per Gesetz ein „Neues Magisches Viereck“ der Wirtschaftspolitik einzuführen. Dieses ergänzt die im alten Viereck enthaltenen Zielgrößen um weitere Indikatoren und verändert die Schwerpunktsetzung. Die neuen vier Zielgrößen lauten: Wirtschaftlicher Wohlstand und Stabilität, Nachhaltigkeit der Staatstätigkeit und der –finanzen, soziale Nachhaltigkeit und ökologische Nachhaltigkeit.

Das gewerkschaftseigene Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in Düsseldorf untersucht gelegentlich, wie es um das Neue Magische Viereck bestellt ist. Und, wenig überraschend, zeigt die aktuelle Auswertung der Wirtschaftspolitik für die Jahre 2019 bis 2023, dass Deutschland in Sachen Nachhaltigkeit viele Ziele nicht erreicht hat. Beim materiellen Wohlstand und der ökonomischen Stabilität sind das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und der Konsum pro Kopf gesunken, während die Inflationsrate und die Leistungsbilanzüberschüsse zu hoch waren. Ein großer Erfolg war allerdings, trotz Krisen, die ansteigende Beschäftigungsquote.

„Die Nachhaltigkeit der Staatstätigkeit und der Staatsfinanzen zeigt eine Verschlechterung aller Indikatoren“, schreibt IMK-Autor Fabian Lindner. „Defizite und Schuldenstandquote sind gestiegen, und die öffentlichen Nettoinvestitionen blieben unzureichend.“ Auch bei der sozialen Nachhaltigkeit sei zum aktuellen Zeitpunkt keines der Ziele erreicht worden. Die Armutsrisikoquote ist im Vergleich zum Vorjahr minimal gesunken, die Einkommensungleichheit nahm leicht zu, und der Gender Pay Gap blieb bestehen. Der Anteil der Jugendlichen ohne Abschluss stieg an.

Beim Ziel der ökologischen Nachhaltigkeit bescheinigt Lindner der Bundesregierung eine „zielkonforme Reduzierung der Treibhausgasemissionen.“ Allerdings seien die Reduzierung des Primärenergieverbrauchs und der Ausbau der erneuerbaren Energien hinter den Zielen zurückgeblieben. Auch die Ziele zur Biodiversität wurden nicht annähernd erreicht. Diese Ergebnisse zeigten laut Lindner „die Herausforderungen, denen die deutsche Wirtschaftspolitik in der Polykrise gegenübersteht.“ Wer will, kann hier die gesamte Studie hier als PDF herunterladen.

Eine Fehlkonstruktion rächt sich

„Schuldenbremse reformieren, Transformation beschleunigen“ – so überschreiben die Forscher des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler Stiftung ihren wirtschaftspolitischen Ausblick auf das Jahr 2004.

Für die Düsseldorfer Forscherinnen und Forscher Sebastian Dullien, Tom Bauermann, Lukas Endres, Alexander Herzog-Stein, Katja Rietzler und Silke Tober ist klar: „Deutschland erlebt derzeit einen immensen Verlust an wirtschaftlichem Wohlstand.“ Auf ein Jahr ohne Wirtschaftswachstum drohe erneut eine leichte Schrumpfung der Wirtschaft, so die IMK-Forscher. Die jährliche Wirtschaftsleistung (das Bruttoinlandsprodukt BIP) könnte damit Ende 2024 noch auf ähnlichem Niveau liegen wie unmittelbar vor dem Ausbruch der Coronakrise. Damit hätte Deutschland seit 2019 fünf Jahre, also ein halbes verlorenes Jahrzehnt erlebt.

Der Verlust an wirtschaftlichem Wohlstand sei dabei immens: Ende 2023 lag die Wirtschaftsleistung etwa um vier Prozent niedriger als von der Bundesregierung noch unmittelbar vor dem russischen Überfall auf die Ukraine vorhergesagt. Trifft die IMK-Prognose für 2024 zu, so wäre die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr sogar rund fünf Prozent niedriger als von der Bundesregierung damals erwartet.

Ursächlich für die maue wirtschaftliche Situation war der durch die russische Invasion 2022 in der Ukraine ausgelöste Energie- und Nahrungsmittelpreisschock, schreiben die IMK-Forscher. Neben der konjunkturellen Belastung stellt der Energiepreisschock allerdings auch eine strukturelle Belastung für die deutsche Wirtschaft dar, heißt es weiter. Deutschland hat sich bekanntlich vorgenommen, bis zum Jahr 2045 CO2-neutral zu werden. Dabei sollte Erdgas beim Dekarbonisierungsprozess die Rolle einer Brückentechnologie spielen. Für eine Übergangszeit hätte man in den neuen, auf Wasserstoff ausgerichteten Anlagen mit Erdgas erzeugten Wasserstoff verwenden können. In anderen Produktionsprozessen wäre die plausible Dekarbonisierungsstrategie eine Umstellung von fossilen Energieträgern auf Strom gewesen.

Der Ukrainekrieg hat diese Strategie massiv erschwert. Erdgas und Strom sind deutlich teurer geworden, was viele industrielle Dekarbonisierungsprojekte gefährdet. Zudem hat der Energiepreisschock gezeigt, wie verletzlich viele Haushalte in Deutschland gegenüber steigenden Energiepreisen sind, und welche Auswirkungen rapide steigende Energiepreise auf die gesamtwirtschaftliche Stabilität haben können.

Dies sehen die IMK-Forscher als besonders wichtig in der Diskussion um die Dekarbonisierung des Gebäude- und Verkehrssektors an. Denn jüngere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass ein Erreichen der CO2-Ziele für den Gebäudesektor in erster Linie über steigende CO2-Preise sehr schnell zu sehr hohen Belastungen für die Haushalte führen könnte, wenn der höhere CO2-Preis nicht durch andere Maßnahmen flankiert wird.

Bis in den November 2023 hinein hätte man vor diesem Hintergrund sagen können, dass die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung – wenn auch mit einigen Abstrichen und einigen handwerklichen Schnitzern in der Umsetzung und Kommunikation wie bei dem Gebäudeenergiegesetz – ökonomisch betrachtet in die richtige Richtung ging. Ein Sondervermögen, also nichts anderes als Kreditermächtigungen, genannt „Klima- und Transformationsfonds“, sollte zur Finanzierung jahresübergreifender Transformationsprojekte wie etwa der Förderung energetischer Gebäudesanierung beitragen. Damit hätte man einerseits eine einigermaßen konjunkturgerechte Finanzpolitik betreiben, zum anderen wichtige Transformationsprojekte zu ermöglichen können.

Doch es kam bekanntlich anders: Das Bundesverfassungsgericht befand, man dürfe Kreditermächtigungen, die zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie gedacht waren, nicht einfach in einen Klima- und Transformationsfonds umwidmen. Darüber hinaus hatte das Urteil auch Folgen für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds, der nun ebenfalls nicht mehr genutzt werden kann.

Die im November hektisch verhängte Haushaltssperre und die wochenlangen Diskussionen um alle möglichen denkbaren Ausgabenkürzungen haben neben dem direkten negativen Effekt auf die Konjunktur zudem noch zu massiver Verunsicherung geführt. „Die Herausforderung der Wirtschaftspolitik ist nun zweierlei“, schreiben die IMK-Forscher: „Erstens muss verhindert werden, dass sich die Stagnationstendenzen der deutschen Wirtschaft 2024 fortsetzen und verhärten. Zweitens muss die Wirtschaftspolitik mittelfristig einen Rahmen schaffen und Maßnahmen ergreifen, so dass die anstehende Dekarbonisierung unter Erhalt des deutschen Wohlstands sozial abgefedert und politisch akzeptiert gelingen kann.“ Und obendrauf kommt noch, dass die über mehrere Jahrzehnte aufgelaufenen Lücken in der traditionellen Infrastruktur wie Schienen, Wasserwege, Brücken sowie Bildung geschlossen werden müssen, die trotz jahrelanger Debatten immer noch nicht effektiv angegangen worden sind.

Mit anderen Worten: Die deutsche Finanzpolitik steht vor einem riesigen Berg von Herausforderungen. Sie muss die Infrastruktur modernisieren und die Transformation der deutschen Wirtschaft hin zur Klimaneutralität vorantreiben. Gleichzeitig ist sie seit nunmehr vier Jahren im Dauerkrisenmodus. Die aktuelle Situation führt deshalb nach Ansicht der IMK-Forscher „mehrere Schwächen der Schuldenbremse deutlich vor Augen.“ In den Jahren vor der Corona-Krise spielte sie wegen der guten Konjunktur nie eine Rolle, in den akuten Krisen wurde sie ausgesetzt.

Doch je länger die Krisen und ihre Wirkungen andauern, umso schwieriger und umstrittener wird der Rückgriff auf die Notlagenregelung. „An dieser Stelle weist die Schuldenbremse einen schweren Konstruktionsfehler auf“, schreiben die IMK-Forscher. „Sie erlaubt keinen schrittweisen Übergang zur sogenannten „Normallage“. Solche Übergangsfristen, die auch bei der Einführung der Schuldenbremse galten, ermöglichen einen schrittweisen Abbau bestehender struktureller Defizite und wurden wiederholt von verschiedener Seite vorgeschlagen. Dies wäre auch im Einklang mit den europäischen Regeln. Eine Ergänzung der Schuldenbremse um diese Möglichkeit wäre eine Mindestvoraussetzung für einen konjunkturverträglichen Ausstieg aus dem Krisenmodus“, schreiben die Forscher.

Klima, Infrastruktur, Bildung: Alle drei Bereiche erfordern nach Berechnungen von Forschern Investitionen in der Größenordnung von jeweils mehreren hundert Milliarden Euro in den nächsten Jahren – wohlgemerkt: Investitionen, die allerdings wegen der Schuldenbremse kaum zu finanzieren sind. Dabei kämen die notwendigen Investitionen nicht nur den heutigen Generationen zugute, schreiben die IMK-Forscher. Sie schlagen deshalb vor, investive Ausgaben aus der Schuldenbremse herauszunehmen. Eine solche „goldene Regel“ würde eine Verstetigung öffentlicher Investitionen ermöglichen und gleichzeitig eine Überschuldung vermeiden. „Die Wirtschaftspolitik sollte sich zeitnah für eine solche Reform einsetzen“, heißt es in dem IMK-Report. Indes: „Leider scheinen die politischen Mehrheiten für eine derartige First-Best-Reform in absehbarer Zeit nicht gegeben.“

Die kompletten 28 Seiten des IMK-Reports kann man hier herunterladen:  https://www.imk-boeckler.de/fpdf/HBS-008771/p_imk_report_187_2024.pdf 

 

IW-Konjunkturprognose: Kein Aufschwung in Sicht

Ein totes Stahlwerk
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Die deutsche Wirtschaft hat das Krisenjahr 2022 besser überstanden als zunächst befürchtet. Doch Unsicherheit, Inflation und hohe Energiekosten belasten den Aufschwung: Für 2023 rechnet das arbeitgermernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln mit einem Wirtschaftswachstum von lediglich einem Viertelprozent.

 

 

Nach dem ersten Schock hat sich Deutschland 2022 an die Folgen des Ukrainekriegs angepasst, schreiben die Kölner Wissenschaftler. Doch die Folgen – hohe Preise, gestiegenes Zinsniveau, geopolitische Unsicherheit und jetzt auch noch Finanzmarktprobleme – bilden eine neue Normalität. Sie trüben das Investitionsklima und setzen den Wirtschaftsstandort Deutschland unter Druck. Für 2023 prognostiziert das IW daher ein schmales Wirtschaftswachstum von ¼ Prozent. „Die Wirtschaft hat die Krise besser bewältigt, als wir es im vergangenen Jahr hätten hoffen können“, sagt IW-Konjunkturexperte Michael Grömling. „Die große Erholung bleibt 2023 dennoch aus. Wir stehen vor einer neuen Zeit der Stagflation“. Das ist ein Kunstwort, zusammengesetzt aus den Begriffen Stagnation und Inflation.

Dieser unschöne Zustand ist nach Ansicht des IW vor allem den hohen Energiepreisen geschuldet. Die gewaltigen Schwankungen aus dem vergangenen Sommer seien zwar abgeebbt, allerdings lägen die Preise immer noch ein Vielfaches über denen der Vorkrisenzeit. Das treibe die Inflation an. Zweistellige Inflationsraten wie 2022 dürften sich zwar nicht wiederholen, die Zeiten der Niedriginflation seien allerdings auch vorbei und kämen soschnell nicht wieder. Für 2023 rechnet das IW mit einer Inflation von sechs Prozent. Damit ist auch eine Rückkehr zu einer Politik des günstigen Gelds unwahrscheinlicher. Gestiegene Finanzierungskosten verteuern deshalb Investitionen noch mehr.

Die Bauwirtschaft bekommt mehrere Probleme zu spüren: Die Finanzierungskosten steigen, Material ist knapp, entsprechend wenig bauen die Deutschen. Für 2023 prognostiziert das IW das dritte Rezessionsjahr in Folge. Die Bauinvestitionen geben um drei Prozent nach, beim Wohnungsbau geht das IW sogar von einem Rückgang von 3 ½ Prozent aus.

Energieintensive Industrien mussten ihre Produktion stark zurückfahren, in der Chemieindustrie brach sie 2022 um fast 30 Prozent ein. Anhaltend hohe Energiepreise belasten die Firmen noch immer. Dazu kommen über alle Branchen hinweg Lieferkettenprobleme. Für 2023 erwartet das IW deshalb nur einen leichten Aufschwung bei der Industrieproduktion.

2022 profitierte die Wirtschaft noch vom privaten Konsum. Gestützt durch private Ersparnisse aus den Corona-Jahren und staatliche Entlastungen gaben die Haushalte so viel wie lange nicht für Urlaub und Freizeit aus. In diesem Jahr dürfte der Staat deutlich weniger unterstützen, die privaten Ersparnisse sind aufgezehrt. Die realen Konsumausgaben werden 2023 deshalb ein halbes Prozent unter dem Vorjahresniveau liegen, glaubt das IW.

Auch aus der Weltwirtschaft gibt es keinen Rückenwind. Geopolitische Spannungen und protektionistische Tendenzen belasten den Welthandel: Die IW-Auslandsprognose geht von einem Wachstum der globalen Handelsströme von gerade einmal einem Prozent aus. Auch die Weltwirtschaft wird nur um zwei Prozent wachsen.

Schon aus den Coronajahren haben die deutschen Unternehmen einen gewaltigen Investitionsstau vor sich hergeschoben. Energiepreise, Inflation und Unsicherheit dürften ihn weiter verlängern. „Wenn Investitionen zu lange ausbleiben, droht eine strukturelle Schädigung der ganzen Volkswirtschaft“, sagt IW-Ökonom Michael Grömling. „Steuerlast, Energiekosten und Fachkräftemangel sind schon heute Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft. Wir müssen zusehen, dass nicht noch Weitere dazukommen. Die Politik muss jetzt dringend die Investitionsbedingungen verbessern.“

Die gesamte IW-Frühjahrsprognoxe kann man hier als PDF herunterladen.

Gewinninflation und Inflationsgewinner

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Das Ifo-Institut bestätigt eine Vermutung, die ich im Dezember in meinem Post „Inflation wird durch Trittbrettfahrer angeheizt“ beschrieben habe:  Da draußen scheint es jede Menge Unternehmen zu geben, die die Inflation nutzen, um ihre Gewinne kräftig aufzublasen – obwohl sie selbst von einem Kostenschub überhaupt nicht betroffen sind. 

 

Manche Unternehmen haben auch im vierten Vierteljahr 2022 ihre Verkaufspreise stärker erhöht als es durch die Entwicklung der Einkaufspreise angelegt war“, schreibt das Ifo-Institut in einer Pressemitteilung. „Diese Firmen haben die Lage genutzt, um ihre Gewinne kräftig zu steigern. Das gilt vor allem für Unternehmen im Handel, Gastgewerbe und Verkehr sowie im Baugewerbe“, sagt Joachim Ragnitz, stellvertretender Leiter der ifo Niederlassung in Dresden. Insgesamt habe sich die Entwicklung im vierten Quartal jedoch verlangsamt. (Hier gibt’s die Studie als PDF)

Die hohen Preissteigerungsraten werden gemeinhin auf höhere Beschaffungskosten der Unternehmen zurückgeführt. Tatsächlich sind insbesondere die Einfuhrpreise stark gestiegen, getrieben vor allem durch die Verteuerung von Energierohstoffen. Es sei aber zur kurz gegriffen, dies allein auf den Ukraine-Krieg und die dadurch verursachten Kostensteigerungen zurückführen, schreibt Ragnitz. Denn der beschleunigte Preisanstieg bei importierten Gütern wie auch bei Energie habe bereits im Frühjahr 2021 eingesetzt. Die Exportpreise seien demgegenüber deutlich schwächer gestiegen. Teuer im Ausland einkaufen, gleichzeitig beim Export kaum Preiserhöhungen durchsetzen – das bedeutet unterm Strich: Deutschland ist ärmer geworden.

Einflüsse aus dem Ausland sind jedoch nicht der alleinige Grund für die gestiegene Inflation. Ein Großteil ist auch hausgemacht: Es ist ja auch sehr verführerisch, den Kostenschub  als Vorwand dafür zu nehmen, durch eine noch stärkere Erhöhung ihrer Absatzpreise auch ihre Gewinnsituation zu verbessern. Dies dürfte die Inflation auf der Verbraucherstufe verstärkt haben.

Dies sei aber kein Grund für staatliche Eingriffe in die Preisbildung, schreibt Ragnitz weiter. Auch Ideen wie die aktuell gerne geforderte Übergewinnsteuer erteilt Ragnitz eine Absage. Sie würde die Knappheitssignale des Marktes verzerren und ließe sich zudem nicht rechtssicher durchsetzen. Sie berge überdies die Gefahr, dass damit auch solche Gewinne einzelner Unternehmen abgeschöpft würden, die aufgrund von Innovationen oder aufgrund einer Steigerung der Absatzmengen erzielt werden können. Und da es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass hinter den Preissteigerungen Absprachen der Unternehmen stehen könnten, seien auch kartellrechtliche Maßnahmen nicht hilfreich.

Stattdessen, so Ragnitz weiter, werde man auf herkömmliche Rezepte setzen müssen: So sei die Inflationsbekämpfung primär eine Sache der Geldpolitik der EZB, die freilich wegen ihres gesamteuropäischen Mandats Besonderheiten der Entwicklung in Deutschland nicht berücksichtigen könne, und auf Unternehmerebene helfe nur vermehrter Wettbewerb gegen weitere Preissteigerungen.

Auch die Finanzpolitik könne – wenngleich nur mit Einschränkungen – zur Senkung der Inflation beitragen, schreibt Ragnitz. Beispielsweise indem sie auf breit angelegte Entlastungsmaßnahmen zugunsten der privaten Nachfrager verzichte, die den realwirtschaftlichen Anpassungseffekt hoher Preise konterkarierten. Stattdessen sollten entsprechende Maßnahmen zielgerichtet auf einkommensschwache Haushalte konzentriert werden.

EZB ist nicht machtlos

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Die Europäische Zentralbank hat eigentlich nur eine Aufgabe: Die Inflation in Euroland möglichst nicht über zwei Prozent pro Jahr steigen zu lassen. Dieses Ziel verfehlt sie momentan recht deutlich, unter anderem, weil der Schlächter im Kreml eine Preisexplosion bei fossilen Energieträgern ausgelöst hat. Gegen steigende Energiepreise aber ist die EZB machtlos. Oder doch nicht?

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW in Berlin hat in einer Studie untersucht, ob Europäische Zentralbank generell etwas gegen steigende Energiepreise im Euroraum ausrichten kann oder nicht. Ergebnis: Leitzinserhöhungen dämpfen Energiepreise über verschiedene Kanäle – über Bande sozusagen. Allerdings verursachen sie auch wirtschaftliche Kosten, schreibt das DIW. Die Zinspolitik der EZB seit Sommer 2022 halten die Berliner Forscher dennoch für richtig.

Ausnahmsweise  muss ich micht mal selbst zitieren. Anfang Januar habe ich in einem Post über Inflationserwartungen geschrieben: „Momentan haben wir es (…) mit einer Inflation zu tun, die von gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten, gestörten Lieferketten und einer Verknappung des Angebots in vielen Branchen und auf vielen Märkten befeuert wird – nicht zu vergessen von einem machtbesessenen Psychopathen in Moskau. Eine solche Inflation mit hohen Leitzinsen zu bekämpfen, gehört zwar zum Standardprogramm der Notenbanker, beseitigt aber nicht unbedingt ihre spezifischen Ursachen. Man kann sich dagegen durchaus fragen, ob die Notenbanker mit global steigenden Leitzinsen nicht auch eine weltweite Rezession in Kauf nehmen. Lieferketten, Fachkräftemangel und Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern heilen sie damit jedenfalls nicht.“

Landläufig wurde angenommen, dass die EZB dagegen wenig ausrichten kann – „auch die EZB selbst ging davon noch im Februar 2022 aus“, schreibt das DIW. Eine aktuelle Studie der Berliner Forscher zeigt jedoch, dass die EZB mit Blick auf die Energiepreise offenbar alles andere als machtlos ist: Erhöht sie den Leitzins, fallen die Energiepreise. Dabei spielen drei Effekte eine Rolle, die sich gegenseitig beeinflussen, wie die DIW-Studie zeigt. Wichtig sind in dem Zusammenhang der Wechselkurs des Euro zum US-Dollar und der Ölpreis. „Unter dem Strich wird klar, dass die EZB die Energiepreise mit Leitzinserhöhungen tatsächlich dämpfen kann“, sagt Alexander Kriwoluzky, Leiter der Abteilung Makroökonomie im DIW Berlin.

DIW Berlin Grafik: DIW Berlin

Die Forscher haben nach eigenen Angaben die strukturellen Effekte von Zinserhöhungen der EZB im Euroraum für den Zeitraum 1999 bis 2020 abgeschätzt. Infolge einer Zinserhöhung sinkt demnach die gesamtwirtschaftliche Nachfrage: Unternehmen investieren weniger, private Haushalte halten sich beim Konsum zurück. Während die Verbraucherpreise daher um etwas weniger als 0,1 Prozent sinken, fallen die Energiepreise sogar um mehr als das Fünffache.

Die Autoren konnten im Zuge ihrer Modellrechnungen drei Effekte identifizieren, durch die dieses Ergebnis zustande kommt und die deutlich machen, dass die Energiepreise nach Leitzinserhöhungen der EZB tatsächlich fallen. Neben dem Nachfrageeffekt, der den in Dollar gehandelten Ölpreis auf dem Weltmarkt infolge einer geringeren Energienachfrage senkt, spielen zwei Preiseffekte des Wechselkurses von Euro zu US-Dollar eine Rolle: Da im Zuge einer Zinserhöhung der EZB der Euro gegenüber dem US-Dollar aufwertet, verbilligen sich die Ölimporte im Euroraum. Da der günstigere Ölpreis in Euro dann aber wiederum die Nachfrage befeuert, steigt die Ölnachfrage auf dem Weltmarkt und damit der globale Ölpreis in US-Dollar. Dieser globale Preiseffekt ist stärker als der lokale Preiseffekt im Euroraum, sodass der stärkere Euro letztlich für einen höheren Ölpreis sorgt.

Zusammengenommen ist der Preiseffekt des Wechselkurses mit seinem steigenden Ölpreis aber schwächer als der Nachfrageeffekt mit seinem sinkenden Ölpreis, sodass die Energiepreise unter dem Strich fallen. Dieser Analyse zufolge hat die EZB also richtig gehandelt, indem sie seit Sommer 2022 sukzessive den Leitzins erhöht hat. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass eine Zinserhöhung für sich genommen die Wirtschaftsleistung senkt und die Arbeitslosigkeit erhöht. „Die Geldpolitik der EZB verursacht also auch wirtschaftliche Kosten“, so Kriwoluzky. „In Zeiten mit hohen Inflationsraten ist es jedoch wichtig, die Inflationserwartungen im Blick zu haben und einzufangen, damit die Inflation mittelfristig nicht aus dem Ruder läuft. Diesbezüglich ist die EZB auf einem guten Weg.“

Das mag wohl sein. Es mag auch sein, dass steigende Leitzinsen indirekt preissenkende Effekte auf die Energiepreise haben. Für mich bleibt es aber dabei: Gestörte Lieferketten, Fachkräftemangel und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern kann keine Zentralbank heilen, das müssen die Märkte schon selbst lösen.

Wirtschaft erholt sich trotz Krise

Foto: Rolf Wenkel

„Einkommensverluste trotz BIP-Wachstum“, schreibt das Münchener Ifo-Institut, „Deutschland shoppt sich aus der Krise“, titelt die Süddeutsche Zeitung auf ihrer Wirtschaftsseite. Beide beziehen sich auf den gleichen Sachverhalt: Die deutsche Wirtschaft ist im Krisenjahr 2022 um 1,9 Prozent gewachsen, meldet das Buddhistische Standesamt in Wiesbaden.

Auf den ersten Blick eine erfreuliche Nachricht, obwohl die Wirtschaftsforscher Anfang 2022 sogar mit einem Wirtschaftswachstum von 3,7 Prozent gerechnet haben. Denn das Jahr 2022 sollte das Jahr der raschen Erholung vom Corona-Crash des Vorjahres werden. Knapp vier Prozent Wachstum wären vermutlich auch drin gewesen, wenn nicht der Kriegsverbrecher im Kreml alles zunichte gemacht hätte.

Plötzlich bestand die Gefahr, dass den Deutschen das Gas ausgeht, die Bürger frieren, die energieintensiven Fabriken reihenweise dichtmachen und die deutsche Wirtschaft vor einem Kollaps steht. Insofern ist ein Wachstum von 1,9 Prozent noch ein überraschend guter Wert, das fünfthöchste der vergangenen zehn Jahre.

Wachstumsträger: Der private Konsum

Großen Anteil an diesem Wachstum hatten die Verbraucher. Zu befürchten war, dass die Haushalte wegen der hohen Preise für Lebensmittel und Energie weniger konsumieren. Doch das Gegenteil war der Fall: Die Konsumausgaben stiegen inflationsbereinigt um 4,6 Prozent und waren damit fast so hoch wie vor der Corona-Krise. „Grund hierfür waren Nachholeffekte im Zuge der Aufhebung fast aller Corona-Schutzmaßnahmen im Frühjahr 2022. Dies wird besonders deutlich bei den Ausgaben für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen. Auch im Bereich Freizeit, Unterhaltung und Kultur gaben die privaten Haushalte wieder mehr aus als noch vor einem Jahr“ schreibt das Statistische Bundesamt.

 

Aber jede Medaille hat zwei Seiten. So gibt Ifo-Konjunkturforscher Timo Wollmershäuser in einer Pressemitteilung zu bedenken, dass in Zeiten wie diesen die mit dem BIP gemessene wirtschaftliche Leistung die Einkommens- und damit die Wohlstandsentwicklung einer Volkswirtschaft überzeichnet. Da ein Großteil der Energie und der Vorprodukte aus dem Ausland bezogen wird und da durch ihre Verknappung die Importpreise kräftig gestiegen sind, musste ein zunehmender Teil von dem in Deutschland erwirtschafteten Einkommen zur Begleichung der Importrechnung verwendet werden.

Grafik: Ifo-Institut

„Daher dürften die verbleibenden Realeinkommen der deutschen Haushalte und Unternehmen nach Schätzungen des ifo Instituts im vergangenen Jahr um 0,7 Prozent geschrumpft sein“ schreibt Wollmershäuser. Oder anders ausgedrückt: „Insgesamt ging Deutschland im vergangenen Jahr Realeinkommen und damit Wohlstand im Umfang von schätzungsweise knapp 110 Milliarden Euro verloren“.

 

 

Inflationserwartungen gehen weltweit zurück

Rund 1500 Wirtschaftsfachleute aus aller Welt erwarten einen allmählichen Rückgang der Inflation. Das geht aus dem Economic Experts Survey hervor, den das Münchener ifo Institut und das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik vierteljährlich durchführen. Demnach wird die Inflationsrate im neuen Jahr weltweit 7,1 Prozent erreichen, im kommenden Jahr dann 5,8 Prozent und 2026 nur noch 4,5 Prozent.

Grafi: Ifo Institut/IWP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Die Erwartungen zum Jahresbeginn sind ermutigend, weil die Experten im Vergleich zum Vorquartal etwas niedrigere Inflationsraten sehen“, sagt ifo-Forscher Niklas Potrafke, Leiter des ifo Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie. „Dennoch bleibt die Inflation auf einem sehr hohen Niveau.“ In Westeuropa (5,4 Prozent), Nordamerika (5,2 Prozent) und Südostasien (5,3 Prozent) liegen die Inflationserwartungen für 2023 deutlich unter dem globalen Durchschnitt. „Zum Rückgang der Inflationserwartungen in Europa haben auch die Zinserhöhungen der EZB im Dezember beigetragen“, sagt Potrafke. Die EZB hatte den Leitzins im Dezember um weitere 0,5 Prozentpunkte erhöht.

Besonders hoch sind die Inflationserwartungen dagegen in Südasien (23 Prozent), Südamerika (25 Prozent), Nordafrika (32 Prozent) und Ostafrika (knapp 35). An der Umfrage im Dezember haben sich 1.537 Expertinnen und Experten aus 133 Ländern beteiligt.

Grafik: Ifo-Institut/IWP

 

 

 

 

 

 

 

 

Innerhalb der Kontinente sind ebenso große Unterschiede in den Erwartungen der Expertinnen und Experten zu beobachten. Osteuropa hat innerhalb Europas mit Abstand die höchsten Inflationserwartungen für das Jahr 2023 (15 Prozent), wohingegen Südafrika innerhalb Afrikas mit 6,5 Prozent einen Ausreißer nach unten darstellt. In Nordamerika erwarten die Expertinnen und Experten für 2026 nur noch eine Inflationsrate von 2,8 Prozent. In Mittelamerika zeigt sich ein ähnlicher Rückgang, dort beträgt die Inflationserwartung noch 7,5 Prozent. Für Südamerika bleiben die Inflationserwartungen langfristig mit rund 18 Prozent auf einem weiterhin sehr hohen Niveau, heißt es in der Pressemitteilung des Ifo-Instituts.

Die Frage nach den Inflationserwartungen unter Wirtschaftsfachleuten ist nicht nur eine simple Meinungsumfrage oder Kaffeesatzleserei. Dahinter steckt die Vermutung, dass soziale Erwartungen durchaus soziale Realitäten schaffen können. So können Inflationserwartungen die Inflation beeinflussen, etwa, wenn die Bürger und Bürgerinnen eine Preissteigerung von – sagen wir mal – zehn Prozent erwarten und deshalb größere Anschaffungen vorziehen, wie etwa Autos, Möbel oder Elektrogroßgeräte. Sie glauben ja, dass später alles noch teurer wird. Die dadurch erhöhte Nachfrage wiederum kann für Preissteigerungen sorgen, die Inflationserwartung erfüllt sich und kann sogar sogar übertroffen werden. Ebenso kann die Inflationserwartung bei Lohn-und Tarifverhandlungen eine Rolle spielen: Arbeitnehmer und Gewerkschaften wollen höhere Lohnabschlüsse als Inflationsausgleich durchsetzen, was durch die höheren Personalkosten für Unternehmen zu höheren Kosten und damit meist höheren Verkaufspreisen führt.

Die Zentralbanken wie die Federal Reserve in Washington oder die EZB in Frankfurt versuchen, die Inflationserwartungen zu beeinflussen oder möglichst zu dämpfen, indem sie ihre Ziele klar kommunizieren und betonen, dass sie steigende Inflationsraten durch Maßnahmen wie eine Leitzinserhöhung oder eine restriktive Geldpolitik bekämpfen wollen. Höhere Zinsen verteuern Kredite und machen Sparen attraktiver, dadurch sinken Nachfrage und Preise, und durch eine restriktive Geldpolitik wird die Geldmenge verknappt und die Nachfrage sinkt.

Momentan haben wir es jedoch eindeutig mit einer Inflation zu tun, die von gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten, gestörten Lieferketten und einer Verknappung des Angebots in vielen Branchen und auf vielen Märkten befeuert wird – nicht zu vergessen von einem machtbesessenen Psychopathen in Moskau. Eine solche Inflation mit hohen Leitzinsen zu bekämpfen, gehört zwar zum Standardprogramm der Notenbanker, beseitigt aber nicht unbedingt ihre spezifischen Ursachen. Man kann sich dagegen durchaus fragen, ob die Notenbanker mit global steigenden Leitzinsen nicht auch eine weltweite Rezession in Kauf nehmen. Lieferketten, Fachkräftemangel und Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern heilen sie damit jedenfalls nicht.

 

Deutschland in der Rezession

Foto: Rolf Wenkel

Die deutsche Wirtschaft rutscht in eine Rezession. Nachdem das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2022 vermutlich um mehr als 1,5 Prozent gewachsen ist, wird die Wirtschaftsleistung im Jahr 2023 um rund 0,75Prozent sinken, zeigt die neue Konjunkturprognose des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Dagegen glaubt das Münchener Ifo-Institut, die erwartete Winterrezession werde milder ausfallen als bislang erwartet. Den Münchner Konjunkturforschern zufolge wird die Wirtschaftsleistung 2023 nur um 0,1 Prozent schrumpfen. Im Herbst erwarteten die Forscher noch minus 0,3 Prozent.

Die deutsche Wirtschaft musste sich in den vergangenen Monaten mit vielen Herausforderungen auseinandersetzen: Steigende Preise, ein drohender Gasmangel und der Krieg Russlands in der Ukraine belasten Verbraucher und Unternehmen. Der Blick auf das kommende Jahr ist kaum optimistischer, wie die Kölner IW-Konjunkturprognose zeigt: Für das kommende Jahr erwarten die IW-Konjunkturforscher einen BIP-Rückgang um 0,75 Prozent.

Die Weltwirtschaft werde im kommenden Jahr nur noch um zwei Prozent zulegen, glauben die Kölner. Vor allem die Energieversorgung bleibe unsicher, zudem drohten wieder Produktionsausfälle. Nach wie vor seien Lieferketten gestört. Anders als in der Industrie und dem Dienstleistungssektor verschärfe sich die Rezession im Bausektor weiter. Fehlende Materialien und Fachkräfte sowie die steigenden Bauzinsen belasteten die Branche.

Als Konjunkturstütze habe sich bisher der private Konsum erwiesen. Das dürfte sich ändern: Die IW-Konjunkturforscher gehen im kommenden Jahr von einem Rückgang in Höhe von 1,5Prozent im Vergleich zu 2022 aus. Immerhin zeigt sich der Arbeitsmarkt noch robust: Die Arbeitslosenquote beträgt im laufenden Jahr 5,3 Prozent. Für das kommende Jahr wird ein leichter Anstieg auf 5,4 Prozent erwartet.

Für das neue Jahr bedeutet das: Deutschland steht vor einer neuen Rezession. Allerdings deuten die Zahlen nicht auf einen Konjunktureinbruch in dem Ausmaß hin, wie es ihn in der Corona-Pandemie oder in der Finanzmarktkrise 2008 gab. „Wie schwer diese Krise ausfallen wird und wie lange sie dauert, hängt stark von der weiteren Entwicklung der Energiekrise ab. Über allem schwebt die geopolitische Gefahr, die vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgeht“, sagt IW-Konjunkturexperte Michael Grömling. „Die Volkswirtschaft als Ganzes ist mit einem gewaltigen Wohlstandsverlust konfrontiert.“
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