Die Liebe zum Bargeld schwindet

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Die Deutschen zahlen im Einzelhandel und in der Gastronomie immer weniger mit Bargeld. In den letzten anderthalb Jahrzehnten  hat sich das Verhältnis von bar zu bargeldlos genau umgekehrt: Noch 2009 haben im Schnitt sechs von zehn Kunden bar bezahlt, 2023 zahlten knapp 62 Prozent aller Kundinnen und Kunden bargeldlos.

Das hat das EHI herausgefunden, ein Forschungs-, Bildungs- und Beratungsinstitut für den Handel mit Sitz in Köln, das mit seinen rund 80 Mitarbeitenden in einem internationalen Netzwerk von rund 850 Mitgliedsunternehmen des Handels, der Konsum- und Investitionsgüterindustrie und der Dienstleisterbranche eingebunden ist.

Quelle: EHI

Indes: Neun von zehn bargeldlosen Zahlungen laufen über klassische Giro- oder Kreditkarten ab. Doch digitale Geldbörsen auf dem Smartphone oder der Smartwatch, sogenannte E-Wallets, sind beim Bezahlen sowohl im stationären Handel als auch im E-Commerce im Vormarsch. Knapp 600 Millionen mobile Bezahlvorgänge gab es nach Schätzungen und Berechnungen des EHI im Jahr 2023 in den Märkten und Geschäften des deutschen Einzelhandels.

Davon entfielen zwischen 60 und 65 Prozent auf die Wallet-Lösungen Apple Pay und 25-30 Prozent auf Google Pay. Den Rest, fünf bis 15 Prozent, teilen sich weitere mobile Bezahllösungen wie die Sparkassen-App oder die der Genossenschaftsbanken, Bluecode, Payback Pay, Samsung Pay, internationale Verfahren wie WeChat Pay oder auch handelseigene Lösungen wie Lidl Pay oder die Bezahlvarianten in den Apps von Edeka, Famila und – nach dem Ausstieg bei Payback – künftig auch von Rewe.

Das Potenzial ist für Wallets und für das mobile Bezahlen insgesamt aber noch ungleich größer: Von den geschätzten rund acht Milliarden kartengestützten Transaktionen im stationären Einzelhandel entfallen über 90 Prozent noch auf die klassische Karte, und nur und 7,5 Prozent sind bereits mobile Bezahlvorgänge, schreibt das EHI. Allerdings: „Tendenz stark steigend“.

Die Kundschaft favorisiert zur Zeit eindeutig die Wallets, weil in diesen Apps verschiedene Bezahlmöglichkeiten hinterlegt werden können, so zum Beispiel bei Apple Pay verschiedene Kredit- und Debitkarten, aber auch die Girocards der Sparkassen. Hier haben die Kunden eine Wahlfreiheit, die offenbar sehr geschätzt wird. Die Wallet-Lösungen werden von internationalen Anbietern dominiert – und das macht die Akzeptanz für den Handel grundsätzlich teuer. Denn Kartennetzwerke wie Visa oder Mastercard, Zahlungsdienstleister wie Worldline oder Kartenherausgeber verdienen an jeder Transaktion mit einer Kreditkarte oder Debitkarte mit.

Erschreckend: Dieses Bild habe ich mittels einer KI und zwei, drei Schlagwörtern generiert. Quelle: KI?

Das Geld kommt von den Händlern, die sogenannte Interchange Fees abliefern müssen. Diese Gebühren werden mehr oder weniger stark auf die Konsumentenpreise überwälzt. Bargeld ist zwar für Händler auch nicht kostenlos. Allerdings dürften zumindest für kleinere Geschäfte die Bargeldkosten geringer sein als die Interchange Fees.

Im E-Commerce ist man beim Thema Wallets mit Paypal schon deutlich weiter. 27,7 Prozent aller Online-Umsätze laufen über die Bezahllösung des US-Unternehmens, wobei Deutschland nach den USA einer der stärksten Märkte des Wallet-Pioniers ist. Deutlich schwächer ist der Rest, Amazon Pay, Apple Pay und Google Pay. Unternehmen der deutschen Kreditwirtschft spielen so gut wie keine Rolle.

Verschwindet auf lange Sicht das Bargeld? Immerhin hat Bargeld noch verschiedene Vorteile, so ist es zum Beispiel anonymer als Kartengeld. Transaktionen mit der Kredit-, Prepaid- oder Debitkarte werden von den beteiligten Finanzfirmen registriert. Bei Smartphone-Zahlungen haben auch Internet-Riesen wie Google, Apple oder Amazon die Finger im Spiel. Je nach Land kann auch der Staat auf die Daten zugreifen. Die Anonymität des Bargelds ist allerdings auch vielen Staaten ein Dorn im Auge, weil sie die Geldwäsche erleichtert und die Kriminalitätsbekämfung erschwert.

Das Geld auf dem Sparkonto oder Privatkonto ist nur eine Forderung gegenüber der Bank, so genanntes Giralgeld – andernfalls müssten tausende von Lastwagen mit Scheinen und Münzen durch kreuz und quer die Lande fahren. Im Konkursfall der Bank kann es aber im schlimmsten Fall passieren, dass man zumindest einen Teil seines digitalen Geldes verliert. Zwar gibt es eine Einlagensicherung in Deutschland, aber die ist in der Regel auf 100.000 Euro (die ich gerne mal heben würde!) begrenzt. Mit der Digitalisierung nehmen allerdings auch die Gefahren im Internet wie Cyberattacken und immer neue Betrugsmaschen zu. Auch deutsche Bank- und Kreditkarten-Konten Opfer von Betrügereien. Bargeld kann zwar physisch gestohlen werden, allerdings nicht virtuell.

Bargeld erzieht auch nach Ansicht von Verbraucherschützern zu mehr Sparsamkeit. Schuldenberater empfehlen, jeweils nur so viel Bargeld auf sich zu tragen, wie man unbedingt braucht. Das kann helfen, Impulskäufe zu vermeiden. Kreditkarten hingegen können dazu verleiten, über die eigenen Verhältnisse einzukaufen.

Einer Studie der Deutschen Bundesbank zufolge wünscht sich eine Mehrheit der Befragten, Bargeld auch zukünftig nutzen zu können. Gleichzeitig gehen viele Menschen davon aus, dass die Bargeldnutzung langfristig stark sinken wird. Rund zwei Drittel der Befragten möchten Bargeld in 15 Jahren wie bisher nutzen. Fast die Hälfte der Befragten erwartet aber, dass Bargeld dann aus dem Alltag nahezu verschwunden sein wird. Sieben Prozent gingen davon aus, dass Bargeld in 15 Jahren abgeschafft sein wird. Die Bundesbank und die anderen Zentralbanken des Eurosystems arbeiten intensiv daran, Bargeld auch in Zukunft als kostengünstiges und effizientes Zahlungsmittel verfügbar zu halten, versichert Bundesbankvorstand Burkhard Balz. „Bargeld ist und bleibt unser physisches Kernprodukt“.

Die Bundesbank führt seit dem Jahr 2008 regelmäßig detaillierte Studien zur Verwendung von Zahlungsmitteln durch. Für die aktuelle Studie befragte das Marktforschungsinstitut Forsa im Auftrag der Bundesbank von Anfang September bis Ende November 2023 rund 5.700 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren per Telefon. Die Befragten führten zudem ein dreitägiges Tagebuch, in dem sie ihr Zahlungsverhalten dokumentierten. Darin enthalten sind aktiv veranlasste einmalige Zahlungen wie die Barzahlung beim Einkauf im Supermarkt oder die Kreditkartenzahlung in einem Restaurant. Wiederkehrende Zahlungen wie Mieten, Versicherungsbeiträge oder Strom- und Gasrechnungen sind nicht enthalten, weil diese meist dauerhaft per Lastschrift beglichen werden. Insgesamt wurden rund 5.700 Fragebögen und mehr als 4.000 Zahlungstagebücher ausgewertet.

 

 

 

 

 

 

 

Messenger-News statt Vierfarb-Flyer?

Foto: Rolf Wenkel

Geht Euch das auch so? Jede Woche flattern mir mindestens zehn aufwendig gedruckte Vierfarb-Flyer des Einzelhandels ins Haus: HIT, Aldi, Rewe, Penny, Lidl, dazu noch ein Baumarkt, ein Elektromarkt, ein Getränkegroßhandel, mindestens zwei Möbelhäuser und ein Küchenstudio. Allerdings: Rund sieben von zehn Prospekten wandern bei mir sofort in die Tonne. Ungelesen. Muss das sein?

Der Kölner Handelsriese REWE hat mal ausrechnen lassen, was die bunten Prospekte für seine bundesweit rund 3.700 Filialen an Ressourcen verschlingen: Über 73.000 Tonnen Papier, 70.000 Tonnen CO2 , 1,1 Millionen Tonnen Wasser und 380 Millionen Kilowattstunden Energie pro Jahr, schreibt RWE in einer Pressemitteilung.

Jedes Jahr landen im Schnitt 40 Kilo an Papierprospekten in den Briefkästen der Republik. Das geht auch anders: Ob REWE, Aldi, Obi, Toom oder Netto – sie alle planen, die gedruckten Handzettel langfristig durch digitale Kommunikation ganz oder teilweise zu ersetzen. Im Gespräch sind besonders Messenger-Dienste wie WhatsApp, weil die auf fast jedem werberelevanten Endgerät verfügbar sind.

Ganz offensichtlich wollen die großen Handelsketten mindestens zwei, wenn nicht gar drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Umstellung auf digitale Werbekanäle wie Newsletter oder Messenger-Dienste gilt als modern und zukunftsorientiert, ist also gut für’s Image, man kann sich als grün, umweltbewusst und nachhaltig darstellen, weil man Ressourcen einspart, was auch gut für’s Image ist, und man spart nebenbei noch die Kosten für Papier und Energie, die dank des Kriegsverbrechers in Moskau in schwindelnde Höhen steigen.

Besonders forsch preschte der Kölner Handelsriese RWE nach vorn – mit der Ankündigung, zum 1. Juli diesen Jahres den Druck und den Vertrieb der bunten Prospekte ganz einzustellen. Indes. „Nur eine Woche nach Bekanntgabe (…) ruderte man in Köln zurück. Die Händler können selbst entscheiden, ob sie mitmachen oder nicht“, heißt es in einem Newsletter der EHI Retail Institute GmbH, dem Forschungsinstitut des deutschen Einzelhandels in Köln.

Überhaupt muss man sich die Frage stellen, ob man klima- und ressourcentechnisch so viel einspart, wenn die digitalen Prospekte demnächst im digitalen Messenger-Briefkasten und nicht in der Papiertonne landen. Es gibt Schätzungen, wonach der digitale Datenverkehr weltweit für etwa zwei Prozent der globalen CO2 –Emissionen verantwortlich und damit in etwa mit der Luftfahrtbranche vergleichbar ist. Und man kann ruhig davon ausgehen, dass gut die Hälfte der digital verursachten CO2 –Emissionen auf das Konto der digitalen Werbung und des Marketings geht. Das ist gewiss keine quantité négligeable.

Allerdings macht das EHI Retail Institute auch auf einen nicht zu unterschätzenden Vorteil aufmerksam: „Der Versand der Angebotsprospekte über Whatsapp hat den Charme, dass die Kund:innen aktiv zustimmen müssen. Durch das Opt-in trennen sich Spreu und Weizen. Außerdem bildet diese Variante der digitalen Kundenbindung die Grundlage für das Sammeln von Daten und Bilden von Nutzerprofilen – natürlich DSGVO-konform.“

Ja, ja, das wäre eine schöne Zukunftsvision: Null Werbung, es sei denn, ich habe ausdrücklich zugestimmt. Die Zukunft jedoch, so fürchte ich, wird eine andere sein: Ich werde digital mit Werbung zugeballert – und muss trotzdem 40 Kilo Papierprospekte pro Jahr entsorgen. Hybrid-Strategie nennt man das denn wohl unter den Marketingexperten.

Plastikmüll – wie der Handel grüner werden will

Foto: Hartmut910_pixelio.de

Die einen fahren weiter mit ihren SUV-Panzern durch die Gegend, die anderen kriegen schon ein schlechtes Gewissen, wenn sie im Supermarkt ihre Lebensmittel nur in Plastikverpackungen bekommen: Nachhaltigkeit ist aktuell stark in der Diskussion, auch was den riesigen Berg an Verpackungsmüll, angeht, den wir täglich produzieren. Der Handel, Konsumgüter- und Verpackungsindustrie lassen sich inzwischen einiges einfallen, um die Plastikflut einzudämmen und sich ein grüneres Image zu geben. Ob’s hilft?

Hilka Bergmann, Leiterin des Forschungsbereichs Verpackung und Versand beim Kölner EHI-Forschungsinstitut des Handels, hat für die Umweltaktivitäten ihrer rund 800 Mitgliedsfirmen drei Empfehlungen: Sie sollten RRR betreiben – will heißen, sie sollten die Vermeidung und Reduktion (reduce), die Wiederverwendbarkeit (reuse) und die Wiederverwertbarkeit (recycle) von Verpackungen anstreben. Allerdings gleicht das oft einer Quadratur des Kreises, denn einerseits soll die Recyclingfähigkeit von Verpackungen und der Einsatz recycelter Materialien erhöht werden, andererseits soll der Schutz der verpackten Produkte gewährleistet sein, die Verpackungen sollen „maschinengängig“ sein und nicht zuletzt auch noch die Verbraucher ansprechen.

Hilka Bergmann (Foto: EHI)

„Der Handel spielt bei diesem Thema eine sehr bedeutende Rolle“, sagt EHI-Forscherin Bergmann. „Zum einen schauen die Unternehmen in ihren Sortimenten, welche Verpackungen sich sinnvoll optimieren lassen – vor allem in den Bereichen Eigenmarken, Serviceverpackungen, Obst- und Gemüse, Convenience und E-Commerce. Zum anderen stellen sie Forderungen an die Industrie und tauschen sich mit Partnern entlang der Supply Chain aus, um ökologisch vorteilhaftere Verpackungen einzusetzen.“

Teilweise hätten sich Händler bereits mit anderen Unternehmen zu Initiativen zusammengeschlossen, um gemeinsam mehr bewirken zu können. Zusätzlich klärten Handelsunternehmen verstärkt die Kunden auf, welche Verpackungen ökologisch nachhaltig gestaltet seien, bei welchen Optimierungen vorgenommen wurden und wie Verpackungen getrennt und entsorgt werden müssten.

Die Kölner Rewe-Handelsgruppe zum Beispiel will bis Ende 2025 sämtliche Kunststoffverpackungen der Rewe und Penny Eigenmarken, die nicht vermieden werden können, recyclingfähig machen. Zudem wollen Rewe und Penny bis Ende 2025 insgesamt 20 Prozent weniger Kunststoff bei ihren Eigenmarkenverpackungen verwenden und bereits bis Ende 2020 für Papierverpackungen ausschließlich zertifizierte Rohstoffe einsetzen.

Aldi Nord und Aldi Süd haben laut Bergmann „Vermeiden, Wiederverwenden und Recyceln im Fokus“. Bis Ende 2022 sollen alle Eigenmarken-Produktverpackungen recyclingfähig sein. Zwei Drittel seien es bereits heute. Das Gesamtgewicht der Eigenmarken-Produktverpackungen soll bis zum Jahr 2025 um 30 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 2015 reduziert werden.

Der dm drogerie-markt hat ein Forum Rezyklat gegründet, um sich gemeinsam mit Herstellern und Zulieferern dafür einzusetzen, Wertstoffkreisläufe entlang des gesamten Wertschöpfungsprozesses und bei der Kundschaft zu schließen. Partner des von dm initiierten Forums Rezyklat sind 34 Mitgliedsunternehmen, unter andrem machen auch Rossmann und Globus mit, sowie Konsumgüterhersteller, Entsorger und Verpackungsproduzenten.

Laut EHI-Forscherin Bergmann will auch der Onlinehandel künftig weniger überdimensionierte Verpackungen versenden. Firmen wie Otto oder Zalando dächten laut Bergmann zunehmend über Alternativen zu Kunststoffbeuteln und über Mehrweglösungen für die Versandverpackung nach. Bergmann: „Eine entscheidende Herausforderung liegt in der Verfügbarkeit von Rezyklaten. Aktuell existiert lediglich ein Kunststoff-Rezyklat-Standard für Lebensmittelverpackungen, Foodgrade genannt. Zur Erhöhung der Recyclingquote wäre es sinnvoll, für Verpackungen aus den Bereichen Kosmetik sowie Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel weitere rechtsverbindliche Rezyklat-Standards zu definieren.“

Allerdings hat die Branche ein grundsätzliches Problem: Neuer, aus Rohöl gewonnener Kunststoff ist günstiger als recycelte Produkte. Der Einsatz von Rezyklaten soll aber den Kreislaufwirtschaftsgedanken und damit die Vermeidung von Verpackungsmüll fördern. „Zwischen der Recyclingfähigkeit, dem reduzierten Materialeinsatz und dem Produktschutz besteht teilweise ein Zielkonflikt“, räumt Bergmann ein, deshalb müsse für jeden Artikel individuell eine optimale Lösung gefunden werden. In der öffentlichen Diskussion sei häufig nur der Handel im Visier. Doch der könne nur gemeinsam mit Konsumgüterindustrie, Verpackungsindustrie, Entsorgungsunternehmen, den Konsumenten und der Politik versuchen, den Konsum weniger umweltschädlich zu gestalten.

Abfüllstationen sind im Trend (Foto: Carola Langer_pixelio.de)

Inzwischen zieht auch der Verkauf loser Ware Kreise – von den Pionieren der plastik- und verpackungsfreien Läden, die die mitgebrachten Behälter ihrer Kunden befüllen, über Bio-Ketten bis hinein in den klassischen Supermarkt und andere Handelssparten. Zurzeit wird der Unverpackt-Trend in vielen Handelssparten erkundet, in Feldversuchen getestet und durchaus kontrovers diskutiert, weil in der Praxis noch eine Reihe Hürden zu überwinden sind. Dennoch ist das Thema, dauerhaft befeuert durch Umweltproblematik und Verpackungsgesetz, hochgradig virulent. Continue reading „Plastikmüll – wie der Handel grüner werden will“

Liebe zum Bargeld lässt nach

Quelle: EHI

„Deutsche kleben am Bargeld“ habe ich im Februar in diesem Blog geschrieben und mich dabei auf eine Studie der Deutschen Bundesbank und des Kölner Handelsinstituts EHI Retail bezogen. Jetzt relativieren die Kölner Handelsforscher ihren Befund vom Frühjahr.

 

 

 

Der Grund: Erstmals haben im vergangenen Jahr die Kartenumsätze im deutschen Einzelhandel die der Bargeldzahlungen überstiegen. Haupttreiber dieser Entwicklung sei vor allem das girocard-System der Deutschen Kreditwirtschaft, schreiben die EHI-Experten.

Gut 209 Milliarden Euro und damit 12,4 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr hat der deutsche Einzelhandel 2018 per Karte umgesetzt. Das entspricht einem Anteil von 48,6 Prozent. Bargeld hat 1,7 Prozentpunkte verloren und liegt nun mit 48,3 Prozent knapp dahinter. Die restlichen 3,1 Prozent verteilen sich auf andere Posten wie zum Beispiel Ratenkäufe. Größter Verlierer im Ranking der Zahlungsarten ist das SEPA-Lastschrift-Verfahren mit nun nur noch zehn Prozent Umsatzanteil von vormals 12,6 Prozent.

Rund 20 Milliarden Einzelkäufe haben die Kunden in Deutschland im vergangenen Jahr im stationären Handel getätigt, davon 15,2 Milliarden in bar und 4,6 Milliarden mit Karte. Auch hier ist der Baranteil um 1,1 Prozentpunkte bzw. 220 Millionen Transaktionen rückläufig. Dennoch werden immer noch 76,1 Prozent aller Einkäufe im Einzelhandel mit Bargeld beglichen – wobei es da regelmäßig um kleinere Beträge als bei Kartenzahlungen geht.

Immer häufiger wird die Girocard eingesetzt. Ihr Umsatzanteil stieg um 3,8 Prozentpunkte oder 19,2 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr. Das habe hauptsächlich drei Gründe, schreiben die EHI-Forscher. Einmal hätten Banken und Sparkassen die Gebühren für Girocard-Zahlungen gedeckelt und die Konditionen dem SEPA-Lastschriftverfahren angeglichen. Seitdem sei das Girocard-PIN-Verfahren für Händler deutlich attraktiver geworden. Mehrere große Lebensmittelhändler hätten daraufhin die girocard-Anteile deutlich höher gewichtet oder sogar komplett von SEPA-Lastschrift auf Girocard-PIN-Verfahren umgestellt. Im Gegensatz zum Lastschrift-Verfahren ermögliche das PIN-basierte Zahlungsverfahren ein praxistaugliches kontaktloses Bezahlen. Kunden scheint diese praktische wie schnelle Alternative zu mehr Kartenzahlungen motiviert zu haben. Hinzu kommt, dass kontaktloses Bezahlen neuerdings häufiger auch für Kleinbeträge genutzt wird.

Das kontaktlose Bezahlen verhilft auch den Kreditkarten zu – allerdings mäßigem – Wachstum. Sie konnten ihren Anteil von 6,5 auf 6,9 Prozent ausbauen. Fast 30 Milliarden Euro wurden damit 2018 umgesetzt, ein kleinerer Teil davon bereits über mobile Bezahlverfahren wie Apple Pay oder Google Pay. Mit 28,2 Prozent Anteil liegt in den vom EHI untersuchten Unternehmen die Kontaktlosquote bei Kreditkartentransaktionen dabei noch deutlich über der stark angestiegenen Girocard-Kontaktlosquote von 21,2 Prozent.

Der Erfolg des kontaktlosen und mobilen Bezahlens und der ohnehin ab und zu fällige Austausch von Terminals hätten die Händler dazu veranlasst, nach mehrjähriger Zurückhaltung jetzt wieder mehr in die Zahlungsverkehr-Infrastruktur zu investieren. Aktuell planten 44,8 Prozent (Vorjahr: 33,8 Prozent) der großen Unternehmen eine Auffrischung ihrer IT-gestützten Kassensysteme. Jedes fünfte Unternehmen will noch in diesem Jahr etwas ändern oder ergänzen.

Das EHI hat für seine Studie 435 Unternehmen mit rund 85.000 Betrieben aus 35 Branchen des Handels mit einem Bruttoumsatz (2018) in Höhe von 274,4 Milliarden Euro untersucht. Die Ergebnisse beziehen sich auf des so genannten stationären „Einzelhandel im engeren Sinne“ – also ohne Kfz, Mineralöl, Apotheken, E-Commerce und Versandhandel.

Deutsche kleben am Bargeld

Das werden Visa, Mastercard und Co. nur ungern hören: Mit Bargeld bezahlen ist in Deutschland im Gegensatz zu unseren Nachbarländern immer noch gute alte Tradition – und nicht nur das – es ist auch oft schneller und kostengünstiger als der Griff zur Kredit- oder EC-Karte.

Ausgerechnet das von Kritikern als umständlich gescholtene Bargeld ist einer Studie zufolge vergleichsweise schnell. An der Ladenkasse sei die Barzahlung noch immer das schnellste und kostengünstigste Zahlungsmittel, sagt Bundesbank-Vorstand Johannes Beermann. Das gilt teilweise sogar im Vergleich zum kontaktlosen Bezahlen mit der Karte quasi im Vorbeigehen – obwohl man in der Schlange an der Ladenkasse oft genug Menschen erlebt, die umständlich in ihren Geldbörsen nach den passenden Münzen suchen.

Eine durchschnittliche Barzahlung an der Ladenkasse dauert gut 22 Sekunden und kostet rund 24 Cent je Transaktion. Das hat eine Untersuchung der Deutschen Bundesbank und des Kölner Handelsinstitutes EHI Retail ergeben. Zahlungen mit Scheinen und Münzen sind damit rund sieben Sekunden schneller als mit Karte und Eingabe der PIN, beim Einsatz der Karte mit Unterschrift sind es sogar 16 Sekunden.

Ausgewertet wurden mehr als 3000 Bezahlvorgänge in 15 Geschäften im Herbst und Sommer 2017. Mittlerweile kann man in Deutschland in fast allen Supermärkten auch mit dem Smartphone oder der Karte kontaktlos seine Rechnung begleichen. Die Studie berücksichtigte diese Entwicklungen durch eine Simulation. Demnach dauert das kontaktlose Bezahlen mit Karte bei Beträgen bis 25 Euro, für die in der Regel keine PIN eingegeben werden muss, nur 15 Sekunden. Größere Summen werden dagegen weiterhin im Schnitt in knapp 30 Sekunden beglichen.

Für den Einzelhandel sind die Kosten pro Transaktion enorm wichtig. Will ein Einzelhändler seinen Kunden alle Möglichkeiten des bargeldlosen Bezahlens bieten, muss er mit den Kartenanbietern zusammenarbeiten – und die verlangen führ ihre Dienstleistungen Gebühren, die sich am Umsatz orientieren. Verlangt zum Beispiel ein Kartenanbieter für seinen Service ein Prozent vom Umsatz, so mutet das auf den ersten Blick zwar recht bescheiden an. Doch wenn man weiß, dass zum Beispiel die Umsatzrendite im deutschen Lebensmitteleinzelhandel bei einem Prozent liegt, dann werden die Dienstleistungen von American Express und Co. schnell uninteressant. Continue reading „Deutsche kleben am Bargeld“