Jedes siebte Patent stammt von Zuwanderern

Blick über die Isar zum Europäischen Patentant in München
Foto: Wolfgang Dirscherl/pixelio.de

Hier kommt wieder mal eine Nachricht, die vermutlich alle AfD-Wähler und sonstige xenophoben Idioten da draußen ärgern wird. Denn sie stammt aus einer seriösen Quelle, die man schlecht als linksversifft denunzieren kann. Eine neue Auswertung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt: Jede siebte Erfindung hierzulande stammt von zugewanderten Menschen – sie werden für unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand immer wichtiger.

„Erfinder mit ausländischen Wurzeln sind für einen wachsenden Teil der Patentanmeldungen in Deutschland verantwortlich“, schreibt das IW in einer Pressemitteilung vom 13.10.25. Laut IW-Berechnungen gingen 2022 etwa 14 Prozent auf ihr Konto. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 war es erst jede zwanzigste Patentanmeldung. Für ihre Untersuchung haben die Forscher die Vornamen sämtlicher Erfinderinnen und Erfinder seit 2000 einem von 24 Sprachräumen zugeordnet. So lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit die Herkunftsregion der betreffenden Person bestimmen.

Mit jeweils knapp drei Prozent leisten Erfinderinnen und Erfinder aus Ost- und Südeuropa den größten Beitrag zum Patentgeschehen hierzulande. Auf Platz drei folgt der arabische Raum inklusive der Türkei mit rund zwei Prozent. Sein Anteil hat sich seit dem Jahr 2000 vervierfacht. Besonders stark ist das Wachstum unter den Menschen mit indischer Herkunft: Seit der Jahrtausendwende haben sich ihre Patentanmeldungen verzwölffacht, auf inzwischen 1,2 Prozent.

Unter den Zugewanderten ist der Anteil von Erfinderinnen mit knapp neun Prozent fast doppelt so hoch wie unter den Deutschen (fünf Prozent). Ein Grund: In vielen Herkunftsländern entscheiden sich Frauen häufiger für ein MINT-Studium, aus dem besonders viele Patente hervorgehen. Damit sind sie auch für den deutschen Arbeitsmarkt besonders attraktiv.

Deutschland altert und ist wie andere Industrieländer auf die Zuwanderung gut ausgebildeter Menschen angewiesen. „Um im Wettbewerb um die klügsten Köpfe mithalten zu können, sind schnelle und unbürokratische Verfahren zur Einreise und Anerkennung von Qualifikationen notwendig“, erklärt Alexandra Köbler, Forscherin am IW. Ein weltoffenes Klima sei ebenfalls entscheidend, Expertinnen und Experten mit ihrem Know-how zu gewinnen und attraktiv für Talente im Ausland zu bleiben.

Zur Methodik: Die Zahlen basieren auf der Patentdatenbank des IW. Sie umfasst vollständige Datenreihen zu rund vier Millionen internationalen Patentfamilien ab dem Jahr 1994. Für den Vergleich wurde das Vornamensmodul der IW-Patentdatenbank verwendet, das die rund 45.000 Vornamen aller in Deutschland wohnhaften Erfinderinnen und Erfinder beinhaltet, die an einer dieser Patentanmeldungen beteiligt waren.

Hier geht es zur Original-Studie.

Wie man mit Märchen Klimapolitik hintertreibt

Grafik: DIW

Populistische Parteien nutzen gezielt Narrative über soziale Ungerechtigkeit, um Klimapolitik als unsozial und von Eliten getrieben darzustellen. Das zeigt eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

Die Autoren Matilda Gettins und Lorenz Meister haben sich gefragt, wie sich drei verbreitete Narrative über die mit klimapolitischen Maßnahmen verbundenen Kosten auf populistische und klimapopulistische Einstellungen auswirken. Dazu haben sie gut 1.600 Personen online befragt. „Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere das Narrativ, wonach einkommensschwache Haushalte überproportional belastet werden, klimapopulistische Haltungen verstärkt und die Zufriedenheit mit Demokratie senkt“, schreiben die DIW-Autoren. Dies gelte vor allem für Frauen und in einkommensschwachen, ostdeutschen und konservativen Wählergruppen.

Was ist überhaupt Populismus? Darunter verstehen die Autoren eine politische Denkweise, die die Gesellschaft in zwei gegensätzliche Gruppen einteilt: „das einfache Volk“ auf der einen Seite und „die korrupte Elite“ auf der anderen. Populistische Akteure fordern, dass die Politik ausschließlich den „Willen des Volkes“ widerspiegeln solle – und was der Wille des Volkes ist, das wissen die Populisten natürlich besser als alle Anderen.

In der Forschung wird Populismus oft nicht direkt über Parteipräferenzen, sondern über Einstellungen gemessen  Ein gängiger Ansatz basiert auf Aussagen, die die Einstellung zu drei Kernelementen des Populismus erfassen: Anti-Elitismus (Kritik an den Mächtigen), Anti-Pluralismus (Ablehnung vielfältiger Meinungen), und Volkssouveränität (Forderung nach direkter Volksentscheidung). So sollten die Befragten zum Beispiel folgende Aussage bewerten: „Klimapolitik ist größtenteils ein Projekt der Eliten, welches das einfache Volk nicht berücksichtigt“ –  auf einer Skala von Null (totale Ablehnung) bis zehn (volle Zustimmung). Diese Vorgehensweise ermöglicht es, Populismus unabhängig von Parteibindung oder Wahlverhalten zu erfassen. Und weil der Begriff „Populismus“ in den Fragen gar nicht vorkommt, werden Verzerrungen im Antwortverhalten vermieden.

Das Narrativ, wonach Unternehmen keine Verantwortung übernehmen, verstärkt vor allem unter Männern und in ostdeutschen und linken Wählergruppen klimaskeptische Einstellungen. Das Narrativ, wonach Klimapolitik die deutsche Volkswirtschaft belastet, wirkt vor allem in der rechten Wählerschaft, heißt es in der Studie weiter. „Narrative können die politische Einstellung stark beeinflussen – vor allem, wenn sie Verteilungsfragen zuspitzen“, sagt Lorenz Meister, Doktorand im Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) im DIW Berlin. Er hat die Studie gemeinsam mit Matilda Gettins von FiscalFuture, einer Nichtregierungsorganisation, erstellt.

Das Unternehmensnarrativ wirkt hingegen vor allem unter Männern, in ostdeutschen Regionen und in linken Wählermilieus. Das Wirtschaftsnarrativ, wonach Klimapolitik die deutsche Volkswirtschaft schwächt, findet besonders in der rechten Wählerschaft Resonanz. „Politische Debatten basieren nicht allein auf Fakten – vereinfachende Geschichten haben große Macht, gerade wenn sie markant und leicht zu merken sind“, so Meister.

Die Studie unterstreicht, dass es nicht nur auf die Narrative selbst, sondern auch auf die Ausgestaltung der Klimapolitik ankommt. „Werden Maßnahmen als gerecht wahrgenommen – etwa durch sozial ausgewogene Ausgleichsmechanismen wie das Klimageld – verlieren polarisierende Narrative an Wirkung“, schreibt das DIW. Entscheidend sei zudem eine transparente Kommunikation, die Verteilungskonflikte nicht verschweige, sondern offen adressiere. „Klimapolitik muss sozialpolitisch eingebettet sein und Sorgen ernst nehmen. Nur so lässt sich klimapopulistischer Vereinnahmung wirksam begegnen“, betont Matilds Gettins.

Die Studie kann man hier als PDF herunterladen.

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Warum ist die EU so mutlos?

Foto: Schmuttel / pixelio.de

 

Trumps Maga-Politik ist ebenso simpel wie wirksam: Erst mit der großen Keule drohen, dann einen „Deal“ abschließen – zu seinen Gunsten natürlich. Wie wäre es, wenn man mal den Spieß umdreht und ihn richtig an den Eiern packt?

 

Die USA sind bei Importen von einigen wichtigen Produkten stark von der EU abhängig. Besonders bei chemischen Erzeugnissen und Maschinen können die USA Lieferungen aus Europa kaum kurzfristig ersetzen. Das zeigt eine neue Analyse des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). „In Zollverhandlungen könnte die EU somit deutlich selbstbewusster auftreten“, schreibt das IW folgerichtig in einer Pressemitteilung vom 18. September.

In mehr als 3.100 Warengruppen haben die USA im Jahr 2024 mindestens die Hälfte ihrer Importe aus der Europäischen Union bezogen – im Gesamtwert von rund 290 Milliarden US-Dollar. Fast 46 Prozent aller US-Importe aus der EU entfallen also auf Produkte, bei denen Europa als Lieferant schwer zu ersetzen sein dürfte.

Dr. Samina Sultan, im IW zuständig für europäische Wirtschaftspolitik und Außenhandel, und Jürgen Mattes, Leiter des Themenclusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte, haben die Außenhandelsstatistik der USA mal genauer unter die Lupe genommen. Sie kommen zu einem interessanten Fazit: Ihre Untersuchung habe „ gezeigt, dass die US-Importabhängigkeit von der EU relativ hoch ist und im Jahr 2024 inzwischen sogar höher als die US-Importabhängigkeit von China.“

Daraus leiten sie eine ganze Reihe von Empfehlungen ab. So wäre die Bundesregierung gut beraten, eine Task-Force zur Analyse internationaler Wertschöpfungsketten einzusetzen. Denn: „Die Frage, wie kritisch die US-Importabhängigkeit von der EU wirklich ist, lässt sich mit Außenhandelsdaten allein nicht abschließend klären. Dazu sind weitergehende Informationen darüber nötig, wie unverzichtbar ein Produkt für die US-Wirtschaft ist und welche gesamtwirtschaftlichen Schäden sein Ausbleiben verursachen würde.“ Durch zusätzlichen Rückgriff auf Unternehmensinformationen und Lieferketten-Datenbanken ließen sich kritische Abhängigkeiten leichter identifizieren, heißt es.

Warenströme sind nicht unveränderlich
Foto: Ingo Fuechtenbusch / pixelio.de

Natürlich würde das IW niemals empfehlen, den US-Präsidenten an den Eiern zu packen. Hier wird das seriöser ausgedrückt: „Die Handelsvereinbarung zwischen der EU und den USA wird zuweilen als zu defensiv kritisiert. Dabei wird teilweise der Vergleich zu China gezogen, das es auf eine Eskalation ankommen ließ. Damit habe China ein Einlenken der US-Administration erreicht, weil die USA auch über Seltene Erden hinaus vermeintlich zu sehr auf chinesische Produkte angewiesen seien. Eine solche Kritik an der Europäischen Kommission erscheint zwar überzogen… Doch verdeutlichen die Ergebnisse dieser Studie, dass die EU durchaus etwas stärker und selbstbewusster in den Verhandlungen auftreten könnte.“

Europas weiche Haltung gegenüber Trump beruhte auch auf der Mutmaßung, dass die EU bei weitem keine so starke Position als Lieferant für die USA habe wie China und daher lieber Zurückhaltung üben solle. Indes: „Diese Studie macht dagegen deutlich, dass die US-Importabhängigkeit von der EU ähnlich groß ist wie die von China. Denn US-Importe aus der EU sind für industrielle Wertschöpfungsketten und teils auch strategisch wichtig für die USA. Die EU hat demnach deutlich mehr zu bieten und die USA sind deutlich abhängiger von der EU als bislang bekannt. Daraus ergeben sich wichtige Schlussfolgerungen für die Verhandlungsstrategie der EU.“

Schwieriger dürfe es werden, Trump klarzumachen, dass er sich mit exorbitanten Zöllen selbst ins Knie schießt: „Die empirische Forschung zu den US-Strafzöllen auf viele chinesische Waren während der ersten Trump-Administration kommt einhellig zu dem klaren Ergebnis, dass die US-Wirtschaft nahezu die volle Last der höheren Zölle trug, da die US-Importpreise in annähernd gleichem Maße stiegen wie die Zölle.“ Doch um diesen Zusammenhang zu begreifen, müsste der klügste Präsident aller Zeiten vermutlich mehr als eine DIN A4-Seite lesen – was er dem Vernehmen nach nicht kann oder will.

Auch ist nicht sicher, ob Trump weiß, dass auch in den USA Wertschöpfungsketten wegen fehlender EU-Vorprodukte abreißen können: „Wenn für die US-Industrie wichtige Vorprodukte nicht mehr verfügbar sind, kann es dort zu Produktionskürzungen oder gar Produktionsstillständen kommen. Dieses Wissen mindert die Gefahr, dass es zu einem eskalierenden Zollkrieg kommt, weil sich die USA damit selbst erheblichen Schaden zufügen würden. Es ist zwar nicht sicher, ob sich die schwer berechenbare US-Administration davon tatsächlich abschrecken lässt. Doch wäre zu erwarten, dass sich die US-Industrie ähnlich vehement gegen anhaltend hohe Zölle auf EU-Produkte wenden würde, wie sie es auch bei der Zolleskalation zwischen den USA und China getan hat.

Desweiteren empfehlen Samina Sultan und Jürgen Mattes vom IW dringend, den europäischen Binnenmarkt weiter zu stärken, Bürokratie und Handelshemmnisse weiter abzubauen, auch mit Großbritannien und der Schweiz, sowie Freihandelsabkommen mit Schwellenländern schnell abzuschließen. „Der Druck von außen erhöht den politischen Handlungsdruck der EU(…) und hat das Potenzial, die Umsetzungschancen deutlich zu erhöhen. In dieser Hinsicht liegt in der Krise auch eine Chance.“

Die ganze 44-Seiten-Studie kann man hier herunterladen:

 

 

 

 

 

 

„Greatest crisis since Civil War“

Foto: Rolf Wenkel 2005

Donald Trumps Geisterfahrt in der Wirtschaftspolitik ist abenteuerlich. Mit Importzöllen in bisher unvorstellbarer Höhe hat Trump einen handfesten Handelskrieg angezettelt. Zudem übt er Druck auf die amerikanische Zentralbank aus, weil ihm die gegenwärtige Geldpolitik nicht passt. Das Urteil der meisten US-Wirtschaftsexperten fällt vernichtend aus.

Das Ifo-Zentrum Zentrum für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie hat jetzt mal untersucht, wie Trumps wirtschaftliche Geisterfahrt bei US-Ökonomen ankommt. Datengrundlage waren die Einschätzungen aus dem so genannten „Economic Experts Survey“ (EES), das weltweit größte Expertenpanel, in dem gegenwärtig bis zu 10.000 Experten aus über 130 Ländern zur Wirtschaftspolitik ihres Landes befragt werden. Die Befragungen finden seit dem Jahr 2022 quartalsweise statt. Es nehmen rund 1 500 Expertinnen und Experten pro Umfrage teil. Und sie zeigen für die USA, dass sich die Einschätzungen der Experten zur Wirtschaftspolitik und politischen Lage seit Trumps Wahlsieg im November 2024 und seinem Amtsantritt im Januar 2025 drastisch verschlechtert haben.

Die Wirtschaftsexperten im EES arbeiten mehrheitlich an Universitäten und Forschungseinrichtungen und sind promoviert. Sie werden jeweils (und ausschließlich) zur Bewertung der Situation des Landes befragt, in dem sie leben und arbeiten und somit über besondere Expertise verfügen. So werden Teilnehmer aus Deutschland nur zur Lage in Deutschland, Teilnehmer aus den Vereinigten Staaten zur Lage in den USA befragt.

Dort stehen die Republikaner traditionell für eine Wirtschaftspolitik, die marktorientierter ist als die der Demokraten. Sie befürworten im Zweifel weniger staatlichen Einfluss in der Wirtschaft. Der Republikaner Trump schert sich nicht um solche Traditionen – und hält mit seiner Politik die gesamte Welt in Atem. Allem voran betreibt er eine protektionistische Handelspolitik. Er hat massive Zölle auf Importe aus über 90 Ländern eingeführt. Zudem übt er Druck auf die amerikanische Zentralbank (Fed) aus, die Zinsen zu senken.

Das ist in zweifacher Weise ungewöhnlich. Erstens ist die amerikanische Zentralbank unabhängig, sprich, Geldpolitik sollte Sache der Zentralbank und nicht der Regierung sein. Zweitens erwartet man von Republikanern eher einen Hang zu einer restriktiven Geldpolitk. Trump wünscht sich dagegen massive Zinssenkungen, weil er sich davon wohl konjunkturelle Impulse erhofft, andererseits vermutlich auch, um die von ihm so massiv erhöhte Staatsverschuldung im Zaum zu halten.

Die Experten geben ihre Einschätzungen im Vergleich zum Vorquartal auf einer Skala von minus 100 (massive Verschlechterung) bis plus 100 (massive Verbesserung) ab. Betrachtet haben die Ifo-Mitarbeiter die vierteljährlichen Befragungen seit Anfang 2022 bis zum zweiten Quartal 2025. Bis Einde 2024 hatten die meisten Bewertungen um den Nullpunkt bis plus 24 gependelt – waren also neutral bis leicht positiv. Seit dem 1. Quartal 2025, als Donald Trump seine zweite Amtszeit angetreten hat, sind die Einschätzungen der US-Experten jedoch dramatisch abgestürzt: So ist die Bewertung der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik als auch die Bewertung der Zukunftsfähigkeit diese Politik jeweils auf einen Wert von minus 58 gesunken, die Performance der Regierung wird mit minus 63 bewertet und die politische Stabilität mit minus 52.

Auch im zweiten Quartal 2025 haben die Experten massiv negative Bewertungen abgegeben. In offenen Textfeldern hatten die Experten die Gelegenheit, ihre quantitativen Einschätzungen zu erläutern. Das dominierende Thema ist die Handelspolitik Trumps, aber auch der Druck auf nationale Institutionen wie die Zentralbank. Zu Einschätzungen der politischen Situation gehörten beispielsweise “The US is on the road to authoritarianism. It is the greatest crisis since the Civil War.”

Den ganzen Aufsatz der Ifo-Mitarbeiter Philipp Heil, Emilie Höslinger, Niklas Potrafke, Emil Scholten und Tuuli Tähtinen kann man hier als PDF heruterladen.

 

Schmutzkonkurrenz kostet uns 123 Milliarden

Grafik: Deutscher Gewerkschaftsbund

Tarifflucht und Lohndumping richten hierzulande einen Schaden von rund 123 Milliarden Euro an – jedes Jahr. Das belegen neue Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes.

Andersherum formuliert: Weil die Politik nicht genug gegen Dumpinglöhne unternimmt und sich immer weniger Unternehmen an Branchentarifverträge halten, entgehen den Sozialversicherungen, dem Fiskus und den Arbeitnehmern jährlich Einnahmen in dreistelliger Milliardenhöhe.

Menschen ohne Tarifvertrag haben geringere Gehälter. Geringere Einkommen bedeuten gleichzeitig immer weniger Einzahlungen in die Sozialversicherungen – also geringere Einnahmen bei der Arbeitslosen-, Renten- und Krankenversicherung. Auch die Steuereinnahmen durch die Einkommensteuer fallen geringer aus. Der DGB hat diese Kosten der Tarifflucht berechnet.

So entgehen den Sozialversicherungen in Deutschland nach Angaben des DGB jährlich rund 41 Milliarden Euro an Beiträgen. Bund, Länder und Kommunen nehmen aus demselben Grund circa 24 Milliarden Euro weniger Einkommensteuer ein. (Zur Erinnerung: Ein Herr Söder aus Bayern regt sich übe fünf Milliarden Euro Bürgergeld auf!) Die mangelnde Tarifbindung wirkt sich darüber hinaus unmittelbar auf die Kaufkraft der arbeitenden Bevölkerung aus: Mit einer flächendeckenden Tarifbindung hätten die Beschäftigten insgesamt rund 58 Milliarden Euro mehr pro Jahr im Portemonnaie.

Betrachtet über ganz Deutschland und über alle Branchen hinweg bedeutet das unter dem Strich, dass Beschäftigte, die keinen Tarifvertrag haben, im Schnitt jährlich 2.891 Euro netto weniger haben als Tarifbeschäftigte. Den Beschäftigten im Osten entgehen jährlich knapp 13 Milliarden Euro netto an Kaufkraft. pro Arbeitnehmer ohne Tarifvertrag – das macht ein jährliches Netto-Minus von 3.451 Euro aus. Im Westen summiert sich der Nettoverlust gesamtwirtschaftlich auf mehr als 45 Milliarden Euro. Ohne Tarifschutz hat ein Beschäftigter oder eine Beschäftigte im Westen 2.765 Euro pro Jahr weniger in der Tasche.

„Tarifverträge sind nicht nur ein Instrument für faire Löhne, sondern auch eine gesamtgesellschaftliche Investition in Stabilität und soziale Sicherheit“, heißt es in einer Pressemitteilung des DGB. Tarifverträge garantierten nicht nur höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und mehr Urlaub, sondern ermöglichten Beschäftigten auch, ihre Arbeitsbedingungen aktiv mitzugestalten. Und nebenbei bemerkt: Auch Arbeitgeber müssten ein großes Interesse an einer flächendeckenden oder branchenweiten Tarifbindung haben, denn nur so können sie verlässlich planen und wirtschaften, ohne Angst vor einer Schmutzkonkurrenz haben zu müssen, die mit Dumpinglöhnen arbeitet. Eine hohe Tarifbindung ist kein Hemmschuh, sondern Motor für wirtschaftliches Wachstum – sie stärkt die Binnennachfrage und sichert gute, nachhaltige Arbeit.

Weil der Staat jetzt endlich viele Milliarden in die Hand nimmt, um Deutschlands marode Infrastruktur zu modernisieren, hält es der DGB für besonders wichtig, dass Aufträge nur an Unternehmen gehen, die ihre Beschäftigten fair nach Tarif bezahlen. „Der Staat ist mächtiger Einkäufer – und damit trägt er Verantwortung für einen fairen Wettbewerb, der nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird“, heißt es beim DGB. Gelder der öffentlichen Hand dürften nicht länger Lohndumping subventionieren. Mit einem starken Bundestariftreuegesetz gingen öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen, die nach Tarif zahlen. Das vom Bundeskabinett beschlossene Bundestariftreuegesetz müsse deshalb schnell vom Bundestag beschlossen werden.

Doch der DGB fordert Nachbesserungen: Der jetzt vorgesehene Schwellenwert, nach dem das Gesetz nur bei Aufträgen ab 50.000 Euro greift, sei zu hoch angesetzt. Im Schnitt würden damit bereits heute über ein Viertel der jährlich gut 22.000 vom Bund vergebenen Aufträge nicht unter die Tariftreuebestimmungen fallen. Außerdem sei die Bundesregierung durch die EU-Mindestlohnrichtlinie verpflichtet, bis Ende des Jahres einen nationalen Aktionsplan für mehr Tarifverträge vorzulegen: Bei Aufspaltung oder Abspaltung von Unternehmen – ein beliebtes Mittel, um Tarifverträge zu umgehen oder Betriebsratswahlen zu vermeiden –  müssten bestehende Tarifverträge bis zu einer neuen Vereinbarung weiter gelten. Zudem müsse es leichter werden, Tarifverträge für alle Unternehmen einer Branche für allgemeinverbindlich zu erklären.“

 

 

Das Märchen vom überbordenden Sozialstaat

Ja, ja – faulenzen und Bürgergeld kassieren ist der Untergang des Abendlandes

Unser Kanzler, Millionär und Privatflugzeugbesitzer meint, wir könnten uns den Sozialstaat nicht mehr leisten. Und der bayerische Möchtegern-Sonnenkönig  fordert ein „grundsätzliches Update“ des Sozialstaates. Anfangen will er mit drastischen Einschnitten beim Bürgergeld: „Weniger Leistungen und mehr Anreize zur Arbeit“. Damit könne man Milliarden einsparen, behauptet er. Ich habe selten so viel Stuss gehört.

Deutschlands öffentliche Haushalte geben gut 1.300 Milliarden (oder 1,3 Billionen) Euro für Sozialleistungen aus – und liegen damit international, was den Anteil  an der gesamten Wirtschaftsleistung angeht, mit 31,2 Prozent im Mittelfeld, hinter Frankreich, Italien, Österreich, Belgien, Finnland und Spanien – die USA z.B. liegen mit 18,3 Prozent vor der Schweiz an vorletzter Stelle (Quellen: Statista, Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung IMK Düsseldorf). Deutschlands Sozialausgaben sind also weder aufgeblasen noch besonders stark angewachsen.

Der größte Stuss:  54 Milliarden Euro kostet uns das Bürgergeld. Das sind 4,2 Prozent der öffentlichen Sozialausgaben, oder 1,3 Prozent unserer gesamten Wirtschaftsleistung. Hallo? 1,3 Prozent einsparen, um den Haushalt zu retten? Diese Populisten reden zwar von Milliardeneinsparungen, verschweigen aber die tatsächlichen Relationen. Und sie begreifen nicht, dass ein gut funktionierender Sozialstaat nicht nur soziale Sicherheit bietet, sondern auch zur wirtschaftlichen Stabilität und zum sozialen Zusammenhalt beiträgt. Der Sozialstaat ist entscheidend, um soziale Ungleichheiten zu bekämpfen und die Lebensqualität der Bürger zu erhöhen. Wer ihn auf amerikanische Verhältnisse zurechtstutzen will, braucht sich nicht zu wundern, wenn eine gesundheitlich unterversorgte, ungebildete und verzweifelte Wählerschaft auf Populisten und politische Geisterfahrer hereinfällt.

Großer Stuss ist zudem der angeblich massenhafte Missbrauch von Sozialleistungen. Auch hier stimmen die Relationen nicht: Die Missbrauchsquote bei Grundsicherung und Arbeitslosengeld lag 2022 bei vier Prozent (Quelle: IMK), während 62 Prozent der Anspruchsberechtigten bei der Grundsicherung und 35 Prozent beim Arbeitslosengeld erst gar keinen Antrag stellen – aus Unwissenheit, Angst oder Scham. Manche scheitern an den Formularen, andere verzichten bewusst, weil sie Sozialleistungen als „llegitim oder verwerflich“ empfinden.

Auch die Behauptung, in der sozialen Hängematte zu liegen sei einträglicher als zu arbeiten, ist völliger Stuss. Der gesetzliche Mindestlohn ist von 2021 bis 2025 um 34,9 Prozent gestiegen, während das Bürgergeld im selben Zeitraum um 26,2 Prozent zugenommen hat. Dies bedeutet, dass der Abstand zwischen Löhnen und Sozialleistungen weiterhin besteht und sogar vergrößert wurde.

Dass zu hohe Sozialleistungen den Anreiz zu arbeiten vermindern, ist schlicht ein Märchen. Im Gegenteil: Viele Vollzeitbeschäftigte sind weiterhin auf Sozialleistungen angewiesen, weil ihre Löhne kaum zum Leben reichen. Elf Prozent arbeiten in schlecht bezahlten Jobs, ebenso viele sind in Ausbildung. Rund ein Drittel der Leistungsbeziehenden ist nicht erwerbsfähig, darunter viele Kinder. Andere können aufgrund von Pflege- oder Erziehungsaufgaben nicht arbeiten. Bessere Löhne würden helfen, die Abhängigkeit von Sozialleistungen zu reduzieren.

Das Problem: „Kein Geld für Sozialschmarotzer“ sind vier Worte, “Ausländer raus“ sind nur zwei Worte, und diese Parolen kann sich jede Dumpfbacke merken. Dieser Text hier hat schon knapp 470 Worte. So viel auf einmal zu lesen ist natürlich ein bisschen viel verlangt.

 

Altersgrenzen für TikTok & Co.?

Foto: Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

Was waren das noch für rosige Zeiten: Im September 2008, also vor rund 17 Jahren, hat meine damalige Mitstreiterin und Co-Autorin G. Frank in diesem Blog ein YT-Video empfohlen, das in 1:30 min in leicht verständlichem Englisch den Charme von Netzwerken und Social Media erklärt – um nicht zu sagen: verklärt. Von dieser Euphorie ist nicht mehr viel übrig, die großen Netzwerke sind zu Gelddruckmaschinen, Datenkraken, Werbehöllen und zu Hass-, Neid-, Fake- und Drecksschleudern verkommen.

Man mag darüber die Achseln zucken und versuchen, diesen Dreck möglichst links liegen zu lassen. Doch wenn ich sehe, mit welchem digitalen Equipment meine Enkelkinder heute umgehen, wird’s mir mulmig. „Smartphones und soziale Netzwerke sind fester Bestandteil des digitalen Alltags von Kindern und Jugendlichen“, schreibt der deutsche IT-Branchenverband Bitkom. Der hat in einer Befragung von über 1.000 Eltern mit Kindern im Alter zwischen sechs und 18 Jahren herausgefunden, dass die Kids heute schon im Alter von sieben Jahren mit Handy, Tablet und Social Media umgehen – und die Eltern dabei nicht immer eine angemessene Begleitrolle spielen.

Kein Wunder, dass jetzt so langsam die Diskussion über digitale Altersgrenzen hochkocht – und das nicht nur in Deutschland. „Australien verbietet Jugendlichen unter 16 Social Media“ (tagesschau.de), Frankreich will TikTok und Konsorten für Kinder unter 15 sperren, Großbritannien macht Altersnachweise für Pornoseiten zu Pflicht, Bundesbildungsministerin Karin Prien denkt über ein Handyverbot für unter 14-jährige nach, und viele Schulen dulden inzwischen kein Handy mehr in den Klassenzimmern.

Während Bayerns Möchtegern-Sonnenkönig Markus Söder die ganze Diskussion für „totalen Quatsch“ und „realitätsfremd“ hält, kommt der IT-Branchenverband Bitkom in einer Anfang August veröffentlichten Studie zu einem sehr differenzierten Bild: „Die meisten Eltern begleiten ihre Kinder bis zum Alter von 13 Jahren aktiv in die digitale Welt und geben auch Regeln vor, spätestens ab 16 Jahren fallen dann die Schranken“, schreibt der Bitkom in einer Pressemitteilung.

Bereits mit sieben Jahren nutze die Mehrheit der Kinder ein Smartphone, heißt es weiter, mit neun Jahren besäßen sie mehrheitlich ein eigenes Gerät. Ebenfalls sehr früh – mit sieben Jahren –  nutzten die meisten Kinder einen PC oder ein Notebook, mit acht Jahren ein Tablet, mit neun eine Spielkonsole, und mit elf Jahren verfügten die meisten über eine Smartwatch. In der Altersgruppe der 13- bis 15-Jährigen seien bereits 92 Prozent der Kinder in sozialen Netzwerken aktiv, 55 Prozent mit einem eigenen, nicht-anonymisierten Profil mit Namen oder Bildern.

Grafik: Bitkom

Doch nur knapp vier von zehn befragten Eltern sprechen mit ihren Kindern darüber, was sie in den sozialen Netzwerken erleben. „Gerade in jungen Jahren brauchen sie Schutzräume in der digitalen Welt, klare Regeln und eine aufmerksame Begleitung durch Eltern und Schulen“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Die überwiegende Mehrheit von 77 Prozent der Eltern erlaubt ihren sechs- bis neunjährigen Kindern kein eigenes Nutzerkonto und auch keine Mitnutzung, 16 Prozent erlauben nur die Mitnutzung des Kontos eines Erwachsenen oder der Familie. Drei Prozent erlauben 6- bis 9-Jährigen ein anonymisiertes Nutzerkonto in sozialen Netzwerken, aber niemand erlaubt in diesem Alter ein eigenes Nutzerkonto mit erkennbarem Namen, Profilbild oder persönlichen Fotos.

Ab dem Alter von 13 Jahren öffnen die allermeisten Eltern dann die Welt der sozialen Medien weit für ihre Kinder. Bei den 13- bis 15-Jährigen verbieten nur noch drei Prozent der Eltern die Nutzung sozialer Medien und nur zwölf Prozent erlauben lediglich die Mitnutzung. 80 Prozent aber gestatten ihren Kindern die Einrichtung eines eigenen Profils. Bei 25 Prozent muss es anonymisiert sein, 55 Prozent aber dürfen bereits ein erkennbar mit der Person des Kindes verbundenes Profil anlegen.

Mit 16 Jahren fallen dann die allermeisten Schranken. Niemand aus der befragten Elternschaft verbietet den Jugendlichen zwischen 16- bis 18-Jährigen die Nutzung sozialer Medien. Der Standard aber ist dann ein eigenes, erkennbares Social-Media-Profil: 83 Prozent der Jugendlichen in der Altersgruppe von 16 bis 18 Jahren haben es mit dem Einverständnis ihrer Eltern. „Auch wenn die meisten Eltern recht freizügig mit sozialen Medien umgehen, sie bereiten ihnen Sorgen“, sagt Bitkom-Geschäftsführer Benhard Rohleder.

80 Prozent der Eltern von Kindern mit Social-Media-Profil haben Angst, ihr Kind könnte in sozialen Netzwerken gemobbt werden. Bei 53 Prozent ist dies nach eigener Einschätzung sogar schon vorgekommen. Mit 54 Prozent sagen ähnlich viele, ihr Kind habe schon einmal verstörende Inhalte in sozialen Netzwerken gesehen und 22 Prozent haben Angst, ihr Kind könnte dort ins links- oder rechtsextreme Milieu abdriften. Allerdings sprechen nur 38 Prozent der Eltern, deren Kinder Social-Media-Profile nutzen dürfen, regelmäßig mit ihrem Kind darüber, was es dort erlebt. „Medienbegleitung endet nicht mit dem ersten eigenen Profil. Gerade dann braucht es aktives Nachfragen und im Bedarfsfall Rat und Unterstützung – in allen Altersklassen“, so Rohleder.

 

 

Ohne Migranten wären wir um 700 Milliarden ärmer!

Grafik: IW

Hier kommt eine Nachricht, die vermutlich alle AfD-Wähler und sonstige xenophoben Idioten da draußen heftig ärgern wird. Denn sie stammt aus einer seriösen Quelle, die man schlecht als linksversifft denunzieren kann. Eine neue Auswertung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt: Ausländische Beschäftigte tragen mit über 700 Milliarden Euro zur Wertschöpfung in Deutschland bei.

Rund sieben Millionen Ausländer haben 2024 in Deutschland gearbeitet, beinahe jeder sechste Beschäftigte besaß keine deutsche Staatsangehörigkeit. Im Jahr 2015, als die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel den historischen Satz „Wir schaffen das“ aussprach, hatte nur jeder zehnte Beschäftigte keinen deutschen Pass. Das spiegelt sich auch in der Wirtschaft wider: „Im vergangenen Jahr trugen die ausländischen Beschäftigten 536 Milliarden Euro zur Wertschöpfung bei“, heißt es in einer Pressemitteilung des IW. Allein die seit 2015 hinzugekommenen Beschäftigten erwirtschafteten laut IW 240 Milliarden Euro. Berücksichtige man auch die vorgelagerten Wertschöpfungseffekte und die Konsumausgaben, hingen sogar 706 Milliarden Euro an Wertschöpfung in der Bundesrepublik von ausländischen Beschäftigten ab.

Besonders in Baden-Württemberg tragen ausländische Beschäftigte viel zur Wertschöpfung bei, 2024 waren es 17,3 Prozent – ein Spitzenwert in der Bundesrepublik. Umgekehrt sieht das Bild in Mecklenburg-Vorpommern aus: Mit 5,4 Prozent war der direkte Beitrag der ausländischen Beschäftigten an der Wertschöpfung im vergangenen Jahr am niedrigsten.

Auch in den anderen ostdeutschen Flächenländern liegt der direkte Beitrag ausländischer Beschäftigter an der Wertschöpfung weit unter dem Bundesschnitt. „Wenn die Bundesländer es schaffen, ausländische Beschäftigte für ihren Arbeitsmarkt zu gewinnen, trägt das unmittelbar zum wirtschaftlichen Erfolg bei“, sagt IW-Expertin Benita Zink. „Andersherum profitieren ausländische Beschäftigte von der Arbeit, denn erfolgreiche Integration geschieht maßgeblich über den Arbeitsmarkt.“ Um die Potenziale auszuschöpfen, müsse insbesondere die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse vereinfacht werden, schreibt das IW in seiner Pressemitteilung.

Für die Auswertung haben die Kölner Wirtschaftsforscher Daten der Bundesagentur für Arbeit herangezogen. Den direkten Wertschöpfungsbeitrag der ausländischen Beschäftigten haben sie unter der Annahme berechnet, dass ihre Produktivität dem durchschnittlichen Niveau ihrer jeweiligen Branche entspricht. Zusätzlich haben sie die indirekten Effekte entlang der vorgelagerten Wertschöpfungsketten und die induzierten Effekte durch Konsumausgaben berechnet.

Iran und USA reichen sich die Hände

Chart: @JustinWolfersSource: Yale Budget Lab, CBO and JCT

Nanu, schon wieder Fake News? Nein, vielmehr eine Horrorvision, die schnell wahr werden kann, wenn Leute wie Peter Thiel einem J.D. Vance ins Amt verhelfen: Hier eine muslimische Militärdiktatur, dort womöglich bald eine christlich-evangelikale Diktatur der superreichen Tech-Elite. Wo ist da noch ein Unterschied?

 

 

 

In den USA macht gerade ein Ökonom mit australischen Wurzeln eine Fernsehkarriere, weil er Donald Trumps krude Wirtschaftspolitik auf lustige Art verspottet: Justin Wolfers bringt schon mal gerne TV-Moderatorinnen in Verlegenheit mit Sätzen wie diesen: „Sending a letter is to making a trade deal as masturbation is to sex. You’re not really involving the other party at all.“ Gemeint sind die Briefe mit den Zoll-Androhungen, die Trump an Handelsnationen verschickt hat. Die seien eher mit Masturbation als mit Sex zu vergleichen, denn für echte Handelsabkommen brauche man zwei Seiten, erklärte Wolfers der verblüfften Moderatorin.

Auch für Trumps so genanntes One Big Beautiful Bill, das am Donnerstag im Kongress mit knapper Mehrheit verabschiedet wurde, hat der Professor von der Universität Michigan sinngemäß nur drei Sätze übrig: Trump gibt den Reichen. Trump nimmt den Armen. Und: „Das ist die größte Umverteilung von Arm zu Reich in der Geschichte der USA.“

Superreiche Unternehmer wie Elon Musk, Jeff Bezos oder Mark Zuckerberg profitieren von diesem „wunderbaren“ Gesetz, das Steuersenkungen vorsieht, die, so Wolfers, vor allem den reichsten zehn Prozent der Bevölkerung zugute kommen. Durch die Steuersenkungen entgehen dem Staat jedoch Einnahmen in Milliardenhöhe. Deshalb greift Trump den Armen in die Tasche. So sind drastische Einschnitte geplant, die vor allem zulasten der ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung gehen. Die Kürzungen treffen unter anderem Medicaid, die Krankenversicherung für einkommensschwache Menschen – und davon sind nach Schätzungen knapp elf Millionen Menschen betroffen..

Wer ohnehin schon mit wenig auskommen muss, hat es also künftig noch schwerer. Zumal auch die Zollpolitik des Horrorclowns ärmere Menschen deutlich stärker belastet. Zölle verteuern importierte Waren, ähnlich wie eine Umsatzsteuer. Gerade Geringverdiener, die den größten Teil ihres Einkommens für Produkte des täglichen Bedarfs ausgeben, werden so stärker belastet. „Beispielsweise stammten noch 2023 mehr als die Hälfte aller Produkte, die in den Regalen von Walmart stehen, aus China“, heißt es bei „Zeit online“.

Immerhin ist Wolfers überzeugt, dass „Trump den Kampf der Ideen verloren hat“, wie er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung FAS erzählt hat. Denn zwei Drittel der amerikanischen Bevölkerung hielten Zölle für eine schlechte Idee, nachdem sie begriffen hätten, dass sie die Zölle zahlen, und nicht China.

Die Umverteilung von den Armen zu den Reichen sollte man als die kleine Schwester der Euthanasie ansehen, heißt es in einem Kommentar zu Wolfers Ausführungen: „Da werden Menschen aussortiert, weil zu arm für gutes Essen, medizinische Versorgung und Bildung. Und Reiche dürfen bestimmen, wer leben darf. Wer sich vermehren darf. Wer Sklavenarbeit machen muss und wer bessere Arbeit machen darf.“

Das erinnert irgendwie an die Fernsehserie „The Handmaid’s Tale“, auf deutsch „Der Report der Magd“, in der – basierend auf einem Roman von Margeret Atwood – ein streng patriarchalischer, christlich-fundamentalistischer Gottesstaat beschrieben wird, eine religiös verbrämte Militärdiktatur, die durch einen gewaltsamen Umsturz in den Vereinigten Staaten entstanden ist.

Doch in Wirklichkeit muss es gar nicht mal zu einem gewaltsamen Umsturz kommen. Die Schafe haben sich ja ihre Schlächter selbst gewählt. Ein mögliches Szenario: Der orangene Horrorclown wird nach den Midterms erkranken oder verunglücken, und sein Vize J.D. Vance macht dann aus der Dystopie einer Margaret Atwood bittere Realität. Die USA, das größere Iran – beides als Gottesstaat verbrämte Diktaturen. Muslimische und christlich-evangelikale Fanatiker reichen sich die Hände.