Ihr habt es sicher schon in den Nachrichten gehört: Die US-Tochter Monsanto entwickelt sich zur großen Belastung für den Bayer-Konzern. In einem wichtigen Prozess in den USA hat die Jury Monsantos Unkrautvernichter Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat als krebserregend eingestuft. Damit könnten der Konzernmutter Bayer Schadensersatzzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe ins Haus stehen.
Der Prozess geht jetzt mit derselben Jury in eine zweite Phase, in der die Haftungsfragen geklärt werden sollen. Dabei geht es auch darum, ob Monsanto über Risiken hinwegtäuscht hat und wie hoch der mögliche Schadenersatz ausfallen könnte. Sollte Monsanto für haftbar befunden werden, könnte dies Bayer viel Geld kosten. Bayer hingegen ist weiterhin fest davon überzeugt, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse bestätigen, dass glyphosatbasierte Herbizide keinen Krebs verursachen.
Bislang sah das Unternehmen deshalb keinen Grund, für Schadenersatzzahlungen Vorsorge zu leisten. Viel Geld kosten die Glyphosat-Klagen aber dennoch schon: Die Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten stiegen im vergangenen Jahr um rund 660 Millionen Euro. „Wir stellen hier im Wesentlichen für drei Jahre Verteidigungskosten zurück“, hatte Finanzchef Wolfgang Nickl auf der Bilanzpressekonferenz Ende Februar gesagt.
Die Klagewelle gegen Bayer war so richtig ins Rollen gekommen, nachdem eine Geschworenenjury dem Krebspatienten Dewayne Johnson in einem anderen Verfahren im August 2018 insgesamt 289 Millionen Dollar an Schmerzensgeld und Entschädigung zugesprochen hatte. Die Richterin senkte zwar die Strafe gegen den im vergangenen Jahr von Bayer übernommenen US-Saatgutkonzern Monsanto später auf gut 78 Millionen Dollar, im Grundsatz änderte sie am Urteil aber nichts.
Der Bayer-Aktienkurs war nach dem Urteil im August massiv eingebrochen. Anleger und Analysten warfen die Frage auf, ob die Leverkusener die Risiken des rund 55 Milliarden Euro schweren Deals unterschätzt hätten. Denn Monsanto ist nicht nur umstritten wegen des Herbizids Roundup. Noch berühmter ist der US-Konzern für seinen rüden Umgang mit Landwirten, die sich nicht an die von Monsanto gesetzten Spielregeln in Sachen Saatgut halten. Der Konzern pfuscht wie kein anderer in den Genen von Nutzpflanzen herum, lässt sich von seiner PR-Abteilung dafür als Held im Kampf gegen den Hunger in der Welt feiern, während er tatsächlich Landwirte gnadenlos mit Patentklagen überzieht, wenn diese sich erdreisten, einen Teil der Ernte als Saatgut aufzubewahren, anstatt erneut bei Monsanto zu kaufen.
Kurz: Monsanto ist brutal stark im Geschäft mit Saatgut, hat aber in der Agrochemie wenig vorzuweisen außer Glyphosat, dessen Patentschutz allerdings längst abgelaufen ist. Bayer ist stark in der Agrochemie und schwach dort, wo Monsanto stark ist: beim Saatgut und in Amerika. Kein Wunder, dass Bayer allen Ernstes glaubt, mit dem Erwerb von Monsanto in die Liga der weltweit führenden Unternehmen der Agrarwirtschaft aufgestiegen zu sein.
Fragt sich nur, um welchen Preis. „Wenn ich Bayer-Aktien hätte, ich würde sie sofort verkaufen“, habe ich schon 2016 geschrieben. Vor allem unterschätzen die Leverkusener bei weitem das hundsmiserable Image, das der US-Konzern vor sich herträgt. Sie bilden sich offenbar tatsächlich ein, es werde nichts davon auf den ach so schönen Lifescience-Konzern in Leverkusen abfärben. Doch die jüngste Prozesswelle zeigt: Die Bayer-Strategen haben sich gründlich verschätzt. Denn das aktuelle Verfahren ist erst der Anfang: Bis Ende Januar wurden Monsanto in den USA über 10.000 glyphosatbezogene Klagen zugestellt. Am 28. März soll bereits ein weiterer Prozess bei einem Landgericht im kalifornischen Oakland starten, weitere sollen rasch folgen. Warum sich ein deutsche Chemiekonzern freiwillig und ohne Not hoch verschuldet, um eine der miesesten Kröten der Welt zu schlucken, wird mir immer ein Rätsel bleiben.
Meinen Kommentar von 2016 „Bayer reitet der Teufel“ findet Ihr hier.