IW-Konjunkturprognose: Kein Aufschwung in Sicht

Ein totes Stahlwerk
Foto: R.Wenkel/pixelio

Die deutsche Wirtschaft hat das Krisenjahr 2022 besser überstanden als zunächst befürchtet. Doch Unsicherheit, Inflation und hohe Energiekosten belasten den Aufschwung: Für 2023 rechnet das arbeitgermernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln mit einem Wirtschaftswachstum von lediglich einem Viertelprozent.

 

 

Nach dem ersten Schock hat sich Deutschland 2022 an die Folgen des Ukrainekriegs angepasst, schreiben die Kölner Wissenschaftler. Doch die Folgen – hohe Preise, gestiegenes Zinsniveau, geopolitische Unsicherheit und jetzt auch noch Finanzmarktprobleme – bilden eine neue Normalität. Sie trüben das Investitionsklima und setzen den Wirtschaftsstandort Deutschland unter Druck. Für 2023 prognostiziert das IW daher ein schmales Wirtschaftswachstum von ¼ Prozent. „Die Wirtschaft hat die Krise besser bewältigt, als wir es im vergangenen Jahr hätten hoffen können“, sagt IW-Konjunkturexperte Michael Grömling. „Die große Erholung bleibt 2023 dennoch aus. Wir stehen vor einer neuen Zeit der Stagflation“. Das ist ein Kunstwort, zusammengesetzt aus den Begriffen Stagnation und Inflation.

Dieser unschöne Zustand ist nach Ansicht des IW vor allem den hohen Energiepreisen geschuldet. Die gewaltigen Schwankungen aus dem vergangenen Sommer seien zwar abgeebbt, allerdings lägen die Preise immer noch ein Vielfaches über denen der Vorkrisenzeit. Das treibe die Inflation an. Zweistellige Inflationsraten wie 2022 dürften sich zwar nicht wiederholen, die Zeiten der Niedriginflation seien allerdings auch vorbei und kämen soschnell nicht wieder. Für 2023 rechnet das IW mit einer Inflation von sechs Prozent. Damit ist auch eine Rückkehr zu einer Politik des günstigen Gelds unwahrscheinlicher. Gestiegene Finanzierungskosten verteuern deshalb Investitionen noch mehr.

Die Bauwirtschaft bekommt mehrere Probleme zu spüren: Die Finanzierungskosten steigen, Material ist knapp, entsprechend wenig bauen die Deutschen. Für 2023 prognostiziert das IW das dritte Rezessionsjahr in Folge. Die Bauinvestitionen geben um drei Prozent nach, beim Wohnungsbau geht das IW sogar von einem Rückgang von 3 ½ Prozent aus.

Energieintensive Industrien mussten ihre Produktion stark zurückfahren, in der Chemieindustrie brach sie 2022 um fast 30 Prozent ein. Anhaltend hohe Energiepreise belasten die Firmen noch immer. Dazu kommen über alle Branchen hinweg Lieferkettenprobleme. Für 2023 erwartet das IW deshalb nur einen leichten Aufschwung bei der Industrieproduktion.

2022 profitierte die Wirtschaft noch vom privaten Konsum. Gestützt durch private Ersparnisse aus den Corona-Jahren und staatliche Entlastungen gaben die Haushalte so viel wie lange nicht für Urlaub und Freizeit aus. In diesem Jahr dürfte der Staat deutlich weniger unterstützen, die privaten Ersparnisse sind aufgezehrt. Die realen Konsumausgaben werden 2023 deshalb ein halbes Prozent unter dem Vorjahresniveau liegen, glaubt das IW.

Auch aus der Weltwirtschaft gibt es keinen Rückenwind. Geopolitische Spannungen und protektionistische Tendenzen belasten den Welthandel: Die IW-Auslandsprognose geht von einem Wachstum der globalen Handelsströme von gerade einmal einem Prozent aus. Auch die Weltwirtschaft wird nur um zwei Prozent wachsen.

Schon aus den Coronajahren haben die deutschen Unternehmen einen gewaltigen Investitionsstau vor sich hergeschoben. Energiepreise, Inflation und Unsicherheit dürften ihn weiter verlängern. „Wenn Investitionen zu lange ausbleiben, droht eine strukturelle Schädigung der ganzen Volkswirtschaft“, sagt IW-Ökonom Michael Grömling. „Steuerlast, Energiekosten und Fachkräftemangel sind schon heute Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft. Wir müssen zusehen, dass nicht noch Weitere dazukommen. Die Politik muss jetzt dringend die Investitionsbedingungen verbessern.“

Die gesamte IW-Frühjahrsprognoxe kann man hier als PDF herunterladen.

EZB ist nicht machtlos

Foto: JUREC / pixelio.de

 

Die Europäische Zentralbank hat eigentlich nur eine Aufgabe: Die Inflation in Euroland möglichst nicht über zwei Prozent pro Jahr steigen zu lassen. Dieses Ziel verfehlt sie momentan recht deutlich, unter anderem, weil der Schlächter im Kreml eine Preisexplosion bei fossilen Energieträgern ausgelöst hat. Gegen steigende Energiepreise aber ist die EZB machtlos. Oder doch nicht?

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW in Berlin hat in einer Studie untersucht, ob Europäische Zentralbank generell etwas gegen steigende Energiepreise im Euroraum ausrichten kann oder nicht. Ergebnis: Leitzinserhöhungen dämpfen Energiepreise über verschiedene Kanäle – über Bande sozusagen. Allerdings verursachen sie auch wirtschaftliche Kosten, schreibt das DIW. Die Zinspolitik der EZB seit Sommer 2022 halten die Berliner Forscher dennoch für richtig.

Ausnahmsweise  muss ich micht mal selbst zitieren. Anfang Januar habe ich in einem Post über Inflationserwartungen geschrieben: „Momentan haben wir es (…) mit einer Inflation zu tun, die von gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten, gestörten Lieferketten und einer Verknappung des Angebots in vielen Branchen und auf vielen Märkten befeuert wird – nicht zu vergessen von einem machtbesessenen Psychopathen in Moskau. Eine solche Inflation mit hohen Leitzinsen zu bekämpfen, gehört zwar zum Standardprogramm der Notenbanker, beseitigt aber nicht unbedingt ihre spezifischen Ursachen. Man kann sich dagegen durchaus fragen, ob die Notenbanker mit global steigenden Leitzinsen nicht auch eine weltweite Rezession in Kauf nehmen. Lieferketten, Fachkräftemangel und Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern heilen sie damit jedenfalls nicht.“

Landläufig wurde angenommen, dass die EZB dagegen wenig ausrichten kann – „auch die EZB selbst ging davon noch im Februar 2022 aus“, schreibt das DIW. Eine aktuelle Studie der Berliner Forscher zeigt jedoch, dass die EZB mit Blick auf die Energiepreise offenbar alles andere als machtlos ist: Erhöht sie den Leitzins, fallen die Energiepreise. Dabei spielen drei Effekte eine Rolle, die sich gegenseitig beeinflussen, wie die DIW-Studie zeigt. Wichtig sind in dem Zusammenhang der Wechselkurs des Euro zum US-Dollar und der Ölpreis. „Unter dem Strich wird klar, dass die EZB die Energiepreise mit Leitzinserhöhungen tatsächlich dämpfen kann“, sagt Alexander Kriwoluzky, Leiter der Abteilung Makroökonomie im DIW Berlin.

DIW Berlin Grafik: DIW Berlin

Die Forscher haben nach eigenen Angaben die strukturellen Effekte von Zinserhöhungen der EZB im Euroraum für den Zeitraum 1999 bis 2020 abgeschätzt. Infolge einer Zinserhöhung sinkt demnach die gesamtwirtschaftliche Nachfrage: Unternehmen investieren weniger, private Haushalte halten sich beim Konsum zurück. Während die Verbraucherpreise daher um etwas weniger als 0,1 Prozent sinken, fallen die Energiepreise sogar um mehr als das Fünffache.

Die Autoren konnten im Zuge ihrer Modellrechnungen drei Effekte identifizieren, durch die dieses Ergebnis zustande kommt und die deutlich machen, dass die Energiepreise nach Leitzinserhöhungen der EZB tatsächlich fallen. Neben dem Nachfrageeffekt, der den in Dollar gehandelten Ölpreis auf dem Weltmarkt infolge einer geringeren Energienachfrage senkt, spielen zwei Preiseffekte des Wechselkurses von Euro zu US-Dollar eine Rolle: Da im Zuge einer Zinserhöhung der EZB der Euro gegenüber dem US-Dollar aufwertet, verbilligen sich die Ölimporte im Euroraum. Da der günstigere Ölpreis in Euro dann aber wiederum die Nachfrage befeuert, steigt die Ölnachfrage auf dem Weltmarkt und damit der globale Ölpreis in US-Dollar. Dieser globale Preiseffekt ist stärker als der lokale Preiseffekt im Euroraum, sodass der stärkere Euro letztlich für einen höheren Ölpreis sorgt.

Zusammengenommen ist der Preiseffekt des Wechselkurses mit seinem steigenden Ölpreis aber schwächer als der Nachfrageeffekt mit seinem sinkenden Ölpreis, sodass die Energiepreise unter dem Strich fallen. Dieser Analyse zufolge hat die EZB also richtig gehandelt, indem sie seit Sommer 2022 sukzessive den Leitzins erhöht hat. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass eine Zinserhöhung für sich genommen die Wirtschaftsleistung senkt und die Arbeitslosigkeit erhöht. „Die Geldpolitik der EZB verursacht also auch wirtschaftliche Kosten“, so Kriwoluzky. „In Zeiten mit hohen Inflationsraten ist es jedoch wichtig, die Inflationserwartungen im Blick zu haben und einzufangen, damit die Inflation mittelfristig nicht aus dem Ruder läuft. Diesbezüglich ist die EZB auf einem guten Weg.“

Das mag wohl sein. Es mag auch sein, dass steigende Leitzinsen indirekt preissenkende Effekte auf die Energiepreise haben. Für mich bleibt es aber dabei: Gestörte Lieferketten, Fachkräftemangel und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern kann keine Zentralbank heilen, das müssen die Märkte schon selbst lösen.

Wirtschaft erholt sich trotz Krise

Foto: Rolf Wenkel

„Einkommensverluste trotz BIP-Wachstum“, schreibt das Münchener Ifo-Institut, „Deutschland shoppt sich aus der Krise“, titelt die Süddeutsche Zeitung auf ihrer Wirtschaftsseite. Beide beziehen sich auf den gleichen Sachverhalt: Die deutsche Wirtschaft ist im Krisenjahr 2022 um 1,9 Prozent gewachsen, meldet das Buddhistische Standesamt in Wiesbaden.

Auf den ersten Blick eine erfreuliche Nachricht, obwohl die Wirtschaftsforscher Anfang 2022 sogar mit einem Wirtschaftswachstum von 3,7 Prozent gerechnet haben. Denn das Jahr 2022 sollte das Jahr der raschen Erholung vom Corona-Crash des Vorjahres werden. Knapp vier Prozent Wachstum wären vermutlich auch drin gewesen, wenn nicht der Kriegsverbrecher im Kreml alles zunichte gemacht hätte.

Plötzlich bestand die Gefahr, dass den Deutschen das Gas ausgeht, die Bürger frieren, die energieintensiven Fabriken reihenweise dichtmachen und die deutsche Wirtschaft vor einem Kollaps steht. Insofern ist ein Wachstum von 1,9 Prozent noch ein überraschend guter Wert, das fünfthöchste der vergangenen zehn Jahre.

Wachstumsträger: Der private Konsum

Großen Anteil an diesem Wachstum hatten die Verbraucher. Zu befürchten war, dass die Haushalte wegen der hohen Preise für Lebensmittel und Energie weniger konsumieren. Doch das Gegenteil war der Fall: Die Konsumausgaben stiegen inflationsbereinigt um 4,6 Prozent und waren damit fast so hoch wie vor der Corona-Krise. „Grund hierfür waren Nachholeffekte im Zuge der Aufhebung fast aller Corona-Schutzmaßnahmen im Frühjahr 2022. Dies wird besonders deutlich bei den Ausgaben für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen. Auch im Bereich Freizeit, Unterhaltung und Kultur gaben die privaten Haushalte wieder mehr aus als noch vor einem Jahr“ schreibt das Statistische Bundesamt.

 

Aber jede Medaille hat zwei Seiten. So gibt Ifo-Konjunkturforscher Timo Wollmershäuser in einer Pressemitteilung zu bedenken, dass in Zeiten wie diesen die mit dem BIP gemessene wirtschaftliche Leistung die Einkommens- und damit die Wohlstandsentwicklung einer Volkswirtschaft überzeichnet. Da ein Großteil der Energie und der Vorprodukte aus dem Ausland bezogen wird und da durch ihre Verknappung die Importpreise kräftig gestiegen sind, musste ein zunehmender Teil von dem in Deutschland erwirtschafteten Einkommen zur Begleichung der Importrechnung verwendet werden.

Grafik: Ifo-Institut

„Daher dürften die verbleibenden Realeinkommen der deutschen Haushalte und Unternehmen nach Schätzungen des ifo Instituts im vergangenen Jahr um 0,7 Prozent geschrumpft sein“ schreibt Wollmershäuser. Oder anders ausgedrückt: „Insgesamt ging Deutschland im vergangenen Jahr Realeinkommen und damit Wohlstand im Umfang von schätzungsweise knapp 110 Milliarden Euro verloren“.

 

 

Inflationserwartungen gehen weltweit zurück

Rund 1500 Wirtschaftsfachleute aus aller Welt erwarten einen allmählichen Rückgang der Inflation. Das geht aus dem Economic Experts Survey hervor, den das Münchener ifo Institut und das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik vierteljährlich durchführen. Demnach wird die Inflationsrate im neuen Jahr weltweit 7,1 Prozent erreichen, im kommenden Jahr dann 5,8 Prozent und 2026 nur noch 4,5 Prozent.

Grafi: Ifo Institut/IWP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Die Erwartungen zum Jahresbeginn sind ermutigend, weil die Experten im Vergleich zum Vorquartal etwas niedrigere Inflationsraten sehen“, sagt ifo-Forscher Niklas Potrafke, Leiter des ifo Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie. „Dennoch bleibt die Inflation auf einem sehr hohen Niveau.“ In Westeuropa (5,4 Prozent), Nordamerika (5,2 Prozent) und Südostasien (5,3 Prozent) liegen die Inflationserwartungen für 2023 deutlich unter dem globalen Durchschnitt. „Zum Rückgang der Inflationserwartungen in Europa haben auch die Zinserhöhungen der EZB im Dezember beigetragen“, sagt Potrafke. Die EZB hatte den Leitzins im Dezember um weitere 0,5 Prozentpunkte erhöht.

Besonders hoch sind die Inflationserwartungen dagegen in Südasien (23 Prozent), Südamerika (25 Prozent), Nordafrika (32 Prozent) und Ostafrika (knapp 35). An der Umfrage im Dezember haben sich 1.537 Expertinnen und Experten aus 133 Ländern beteiligt.

Grafik: Ifo-Institut/IWP

 

 

 

 

 

 

 

 

Innerhalb der Kontinente sind ebenso große Unterschiede in den Erwartungen der Expertinnen und Experten zu beobachten. Osteuropa hat innerhalb Europas mit Abstand die höchsten Inflationserwartungen für das Jahr 2023 (15 Prozent), wohingegen Südafrika innerhalb Afrikas mit 6,5 Prozent einen Ausreißer nach unten darstellt. In Nordamerika erwarten die Expertinnen und Experten für 2026 nur noch eine Inflationsrate von 2,8 Prozent. In Mittelamerika zeigt sich ein ähnlicher Rückgang, dort beträgt die Inflationserwartung noch 7,5 Prozent. Für Südamerika bleiben die Inflationserwartungen langfristig mit rund 18 Prozent auf einem weiterhin sehr hohen Niveau, heißt es in der Pressemitteilung des Ifo-Instituts.

Die Frage nach den Inflationserwartungen unter Wirtschaftsfachleuten ist nicht nur eine simple Meinungsumfrage oder Kaffeesatzleserei. Dahinter steckt die Vermutung, dass soziale Erwartungen durchaus soziale Realitäten schaffen können. So können Inflationserwartungen die Inflation beeinflussen, etwa, wenn die Bürger und Bürgerinnen eine Preissteigerung von – sagen wir mal – zehn Prozent erwarten und deshalb größere Anschaffungen vorziehen, wie etwa Autos, Möbel oder Elektrogroßgeräte. Sie glauben ja, dass später alles noch teurer wird. Die dadurch erhöhte Nachfrage wiederum kann für Preissteigerungen sorgen, die Inflationserwartung erfüllt sich und kann sogar sogar übertroffen werden. Ebenso kann die Inflationserwartung bei Lohn-und Tarifverhandlungen eine Rolle spielen: Arbeitnehmer und Gewerkschaften wollen höhere Lohnabschlüsse als Inflationsausgleich durchsetzen, was durch die höheren Personalkosten für Unternehmen zu höheren Kosten und damit meist höheren Verkaufspreisen führt.

Die Zentralbanken wie die Federal Reserve in Washington oder die EZB in Frankfurt versuchen, die Inflationserwartungen zu beeinflussen oder möglichst zu dämpfen, indem sie ihre Ziele klar kommunizieren und betonen, dass sie steigende Inflationsraten durch Maßnahmen wie eine Leitzinserhöhung oder eine restriktive Geldpolitik bekämpfen wollen. Höhere Zinsen verteuern Kredite und machen Sparen attraktiver, dadurch sinken Nachfrage und Preise, und durch eine restriktive Geldpolitik wird die Geldmenge verknappt und die Nachfrage sinkt.

Momentan haben wir es jedoch eindeutig mit einer Inflation zu tun, die von gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten, gestörten Lieferketten und einer Verknappung des Angebots in vielen Branchen und auf vielen Märkten befeuert wird – nicht zu vergessen von einem machtbesessenen Psychopathen in Moskau. Eine solche Inflation mit hohen Leitzinsen zu bekämpfen, gehört zwar zum Standardprogramm der Notenbanker, beseitigt aber nicht unbedingt ihre spezifischen Ursachen. Man kann sich dagegen durchaus fragen, ob die Notenbanker mit global steigenden Leitzinsen nicht auch eine weltweite Rezession in Kauf nehmen. Lieferketten, Fachkräftemangel und Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern heilen sie damit jedenfalls nicht.

 

Deutschland in der Rezession

Foto: Rolf Wenkel

Die deutsche Wirtschaft rutscht in eine Rezession. Nachdem das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2022 vermutlich um mehr als 1,5 Prozent gewachsen ist, wird die Wirtschaftsleistung im Jahr 2023 um rund 0,75Prozent sinken, zeigt die neue Konjunkturprognose des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Dagegen glaubt das Münchener Ifo-Institut, die erwartete Winterrezession werde milder ausfallen als bislang erwartet. Den Münchner Konjunkturforschern zufolge wird die Wirtschaftsleistung 2023 nur um 0,1 Prozent schrumpfen. Im Herbst erwarteten die Forscher noch minus 0,3 Prozent.

Die deutsche Wirtschaft musste sich in den vergangenen Monaten mit vielen Herausforderungen auseinandersetzen: Steigende Preise, ein drohender Gasmangel und der Krieg Russlands in der Ukraine belasten Verbraucher und Unternehmen. Der Blick auf das kommende Jahr ist kaum optimistischer, wie die Kölner IW-Konjunkturprognose zeigt: Für das kommende Jahr erwarten die IW-Konjunkturforscher einen BIP-Rückgang um 0,75 Prozent.

Die Weltwirtschaft werde im kommenden Jahr nur noch um zwei Prozent zulegen, glauben die Kölner. Vor allem die Energieversorgung bleibe unsicher, zudem drohten wieder Produktionsausfälle. Nach wie vor seien Lieferketten gestört. Anders als in der Industrie und dem Dienstleistungssektor verschärfe sich die Rezession im Bausektor weiter. Fehlende Materialien und Fachkräfte sowie die steigenden Bauzinsen belasteten die Branche.

Als Konjunkturstütze habe sich bisher der private Konsum erwiesen. Das dürfte sich ändern: Die IW-Konjunkturforscher gehen im kommenden Jahr von einem Rückgang in Höhe von 1,5Prozent im Vergleich zu 2022 aus. Immerhin zeigt sich der Arbeitsmarkt noch robust: Die Arbeitslosenquote beträgt im laufenden Jahr 5,3 Prozent. Für das kommende Jahr wird ein leichter Anstieg auf 5,4 Prozent erwartet.

Für das neue Jahr bedeutet das: Deutschland steht vor einer neuen Rezession. Allerdings deuten die Zahlen nicht auf einen Konjunktureinbruch in dem Ausmaß hin, wie es ihn in der Corona-Pandemie oder in der Finanzmarktkrise 2008 gab. „Wie schwer diese Krise ausfallen wird und wie lange sie dauert, hängt stark von der weiteren Entwicklung der Energiekrise ab. Über allem schwebt die geopolitische Gefahr, die vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgeht“, sagt IW-Konjunkturexperte Michael Grömling. „Die Volkswirtschaft als Ganzes ist mit einem gewaltigen Wohlstandsverlust konfrontiert.“
Continue reading „Deutschland in der Rezession“