Deutschland in der Rezession

Foto: Rolf Wenkel

Die deutsche Wirtschaft rutscht in eine Rezession. Nachdem das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2022 vermutlich um mehr als 1,5 Prozent gewachsen ist, wird die Wirtschaftsleistung im Jahr 2023 um rund 0,75Prozent sinken, zeigt die neue Konjunkturprognose des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Dagegen glaubt das Münchener Ifo-Institut, die erwartete Winterrezession werde milder ausfallen als bislang erwartet. Den Münchner Konjunkturforschern zufolge wird die Wirtschaftsleistung 2023 nur um 0,1 Prozent schrumpfen. Im Herbst erwarteten die Forscher noch minus 0,3 Prozent.

Die deutsche Wirtschaft musste sich in den vergangenen Monaten mit vielen Herausforderungen auseinandersetzen: Steigende Preise, ein drohender Gasmangel und der Krieg Russlands in der Ukraine belasten Verbraucher und Unternehmen. Der Blick auf das kommende Jahr ist kaum optimistischer, wie die Kölner IW-Konjunkturprognose zeigt: Für das kommende Jahr erwarten die IW-Konjunkturforscher einen BIP-Rückgang um 0,75 Prozent.

Die Weltwirtschaft werde im kommenden Jahr nur noch um zwei Prozent zulegen, glauben die Kölner. Vor allem die Energieversorgung bleibe unsicher, zudem drohten wieder Produktionsausfälle. Nach wie vor seien Lieferketten gestört. Anders als in der Industrie und dem Dienstleistungssektor verschärfe sich die Rezession im Bausektor weiter. Fehlende Materialien und Fachkräfte sowie die steigenden Bauzinsen belasteten die Branche.

Als Konjunkturstütze habe sich bisher der private Konsum erwiesen. Das dürfte sich ändern: Die IW-Konjunkturforscher gehen im kommenden Jahr von einem Rückgang in Höhe von 1,5Prozent im Vergleich zu 2022 aus. Immerhin zeigt sich der Arbeitsmarkt noch robust: Die Arbeitslosenquote beträgt im laufenden Jahr 5,3 Prozent. Für das kommende Jahr wird ein leichter Anstieg auf 5,4 Prozent erwartet.

Für das neue Jahr bedeutet das: Deutschland steht vor einer neuen Rezession. Allerdings deuten die Zahlen nicht auf einen Konjunktureinbruch in dem Ausmaß hin, wie es ihn in der Corona-Pandemie oder in der Finanzmarktkrise 2008 gab. „Wie schwer diese Krise ausfallen wird und wie lange sie dauert, hängt stark von der weiteren Entwicklung der Energiekrise ab. Über allem schwebt die geopolitische Gefahr, die vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgeht“, sagt IW-Konjunkturexperte Michael Grömling. „Die Volkswirtschaft als Ganzes ist mit einem gewaltigen Wohlstandsverlust konfrontiert.“

Verglichen mit den Prognosen vor dem russischen Überfall auf die Ukraine werde das reale BIP in Deutschland Ende 2023 um fast fünf Prozent niedriger liegen, sagen die Kölner voraus. Insgesamt war das Jahr 2022 düster: „Die hohen Energiepreise haben das Leben der Menschen und Unternehmen stark verteuert und das Land ausgebremst“, sagt IW-Direktor Michael Hüther. „Im kommenden Jahr wird es leider kaum besser. Wir werden uns wohl oder übel an horrende Energiepreise gewöhnen müssen. Unternehmen werden dadurch weniger investieren und produzieren, ihre Erwartungen sind pessimistisch. Zumindest der Arbeitsmarkt zeigt sich robust.“

Das Münchener Ifo-Institut ist dagegen etwas optimistischer. Demnach wird die Wirtschaftsleistung 2023 nur um 0,1 Prozent schrumpfen. Im Herbst erwarteten die Forscher noch ein Minus von 0,3 Prozent. Auch für das ablaufende Jahr 2022 hat das ifo Institut die Prognose zum Anstieg der Wirtschaftsleistung angehoben: auf plus 1,8 Prozent von zuvor plus 1,6 Prozent. „Insbesondere das dritte Quartal 2022 war mit plus 0,4 Prozent viel besser als gedacht. In den beiden Quartalen des Winterhalbjahres 2022/23 schrumpft das Bruttoinlandsprodukt zwar, aber danach geht es wieder aufwärts“, sagt der Leiter der ifo-Prognosen, Timo Wollmershäuser. Im Jahr 2024 wächst die Wirtschaft dann wieder mit 1,6 Prozent.

Die Inflationsrate werde von 7,8 Prozent in diesem Jahr auf 6,4 Prozent im kommenden Jahr sinken, glauben die Münchener Konjunkturforscher. Beide Zahlen sind deutlich niedriger als noch im Herbst angenommen, weil sie nun die Strom- und Gaspreisbremse berücksichtigen. Der hohe Preisauftrieb werde vor allem im Winterhalbjahr die verfügbaren Realeinkommen der privaten Haushalte sinken lassen und damit die Konjunktur abkühlen. Erst ab der zweiten Jahreshälfte dürften die Einkommen im Verlauf wieder stärker zulegen als die Preise und damit der private Konsum an Fahrt aufnehmen.

Die Kurzarbeit dürfte im Winterhalbjahr vorübergehend wieder ansteigen. Die Arbeitslosigkeit werde im kommenden Jahr voraussichtlich um 84.000 Personen steigen und im Jahr 2024 wieder um 117.000 sinken. Die Arbeitslosenquote stiege damit von 5,3 Prozent im laufenden Jahr auf 5,5 Prozent im kommenden Jahr. 2024 werde sie wieder auf 5,3 Prozent sinken. Bei allen Betrachtungen und Prognosen unterstellen die Münchener Wirtschaftsforscher, dass es in den kommenden beiden Jahren zu keiner Gasmangellage kommt.

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