Schwarze Null spaltet Ökonomenzunft

Foto: Frank Ulbricht / pixelio.de

Ökonomen an deutschsprachigen Universitäten befürworten mehrheitlich die Schuldenbremse, die die Kreditaufnahme durch den Staat begrenzt. Daran ändern auch historisch niedrige Zinsen sowie Forderungen nach höheren Investitionen in die Infrastruktur und in den Klimaschutz nichts. Ob die Politiker allerdings eisern an der „schwarzen Null“ festhalten sollen, ist äußerst umstritten. Das zeigt eine Befragung von ifo Institut und der „Frankfurter Allgemeinen“, auf die rund 120 Wirtschaftsprofessoren geantwortet haben.

„In der öffentlichen Debatte ist der Eindruck entstanden, dass die Ökonomen die Schuldenbremse loswerden wollen. Unsere Ergebnisse bestätigen das nicht“, sagt Niklas Potrafke, Leiter des ifo Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie laut Pressemitteilung des Ifo-Instituts. Man dürfe die Schuldenbremse auch nicht für fehlende öffentliche Investitionen verantwortlich machen. „Fehlende öffentliche Investitionen haben andere Ursachen als die Schuldenbremse“, sagt Clemens Fuest, Präsident am ifo Institut.

Für die Länder sind ausgeglichene Haushalte vorgeschrieben; für den Bund ist in normalen Zeiten ein Defizit in Höhe von 0,35 Prozent vom nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) erlaubt, also rund zwölf Milliarden Euro, in schlechten Zeiten noch etwas mehr. Politiker sollen so besser mit den begrenzten Mitteln haushalten und in Abschwüngen trotzdem einen Spielraum für konjunkturstabilisierende Impulse haben. 64 Professoren rieten dazu, die Schuldenbremse grundsätzlich beizubehalten. Nur eine Minderheit von 31 Professoren will die Regelung abschaffen, Smit „Teils-teils“ antworteten 17.

Eine absolute Mehrheit von 52 Prozent ist überzeugt, dass der Rückgang der Staatsverschuldung in den vergangenen Jahren ohne die Schuldenbremse signifikant geringer ausgefallen wäre. Die größte Übereinstimmung gibt es in der Frage, ob die Schuldenbremse für Maßnahmen des Klimaschutzes aufgehoben werden sollte. Nur 24 Prozent der teilnehmenden Ökonomen halten das für gerechtfertigt. Zwei Drittel sind dagegen.

Die Auswirkungen der Schuldenbremse auf öffentliche Investitionen sind hingegen umstritten. 37 Prozent der Ökonomen glauben, dass die Schuldenbremse im wahrsten Sinne des Wortes bremst, also zukunftsgerichteten Staatsausgaben im Wege steht. 41 Prozent teilen diese Bedenken nicht, 18 Prozent sind unentschieden. Vor allem aber die Frage der „schwarzen Null“ spaltet die deutsche Ökonomenzunft. Die teilnehmenden Professoren beurteilen dieses strenge Haushalten mehrheitlich skeptisch. 48 Prozent sind dagegen, nur 34 Prozent sind dafür, die „schwarze Null“ beizubehalten, 18 Prozent wollen sich nicht festlegen. Continue reading „Schwarze Null spaltet Ökonomenzunft“

Die „Schwarze Null“ – ein unnötiger Bremsklotz

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Der deutsche Fiskus schwimmt in Geld. Trotz der Konjunkturflaute haben Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen im ersten Halbjahr gut 45 Milliarden Euro mehr eingenommen als sie ausgegeben haben, sagt das Statistische Bundesamt.

In den ersten sechs Monaten profitierte der Staat von Steuereinnahmen und sprudelnden Sozialbeiträgen. Bezogen auf die jährliche Wirtschaftsleistung lag der Überschuss bei 2,7 Prozent. Es war der zweitbeste Wert seit der Wiedervereinigung in einem ersten Halbjahr. In den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres hatte der Überschuss um 51,8 Milliarden Euro oder 3,1 Prozent höher gelegen.

Deutschland ist mit dem Überschuss weit entfernt von der Defizitgrenze des Maastricht-Vertrages. Darin erlauben sich die Europäer höchstens ein Haushaltsdefizit von 3,0 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt BIP). Ein minimales Minus hatte Deutschland zuletzt im zweiten Halbjahr 2013 zu verzeichnen.

Angesichts dieser komfortablen Haushaltslage ist es kein Wunder, dass die Rufe nach mehr staatlichen Investitionen und der vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags lauter werden. Der Bund der Steuerzahler und FDP-Politiker wollen den Soli ganz weg haben, und der Deutsche Gewerkschaftsbund mahnt mehr staatliche Investitionen an. Continue reading „Die „Schwarze Null“ – ein unnötiger Bremsklotz“

Haushaltsspielraum – schon verspielt?

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Die Bundesregierung ist zu Zeit nicht nur dabei, die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen, sondern sie plant darüber hinaus weitere Gesetzesvorhaben. Gleichzeitig lässt aber das Wachstum der Steuereinnahmen nach. Die Mehrausgaben würden den Handlungsspielraum des Bundes bis 2022 um voraussichtlich mehr als 100 Milliarden Euro überschreiten, hat der Finanz- und Steuerexperte Tobias Hentze am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln ausgerechnet. Dabei handelt es sich seiner Meinung nach längst nicht nur um zukunftsgerichtete Investitionen, für die im Zweifelsfall neue Schulden gerechtfertigt wären.

 

Als die Große Koalition vor gut einem Jahr ihre Arbeit aufnahm, war sie in einer fast einmalig komfortablen Situation: Der Bundeshaushalt war mit einem Überschuss von 46 Milliarden Euro richtig gut ausgestattet. Erstmals in der Geschichte der Bundesregierung waren viele Projekte möglich, ohne lange über die Finanzierung streiten zu müssen.

Einige der im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhaben – höheres Kindergeld, Baukindergeld und der Digitalpakt an Schulen – sind bereits umgesetzt. Die Bundesregierung möchte jedoch in den Jahren 2019 bis 2022 weitere Projekte verwirklichen. Vor allem die Rentenpläne mit der geplanten Grundrente, der Mütterrente, der Erwerbsminderungsrente und den Zuschüssen zu den Betriebsrenten würden schätzungsweise insgesamt 28 Milliarden Euro verschlingen.

Auch der Brexit belastet den Bundeshaushalt: Wenn die Briten wie geplant aus der Europäischen Union aussteigen, muss Deutschland ab 2021 rund 16 Milliarden zusätzlich für die wegfallenden EU-Nettozahlungen Großbritanniens stemmen. Zudem seien etwa 24 Milliarden Euro mehr für Verteidigung und Entwicklungszusammenarbeit nötig. Auch nicht im Bundeshaushalt eingeplant seien Mehrkosten für den teilweisen Abbau des Solidaritätszuschlags, den IW-Forscher Hentze auf rund 20 Milliarden Euro veranschlagt, die Innere Sicherheit und Verwaltung (zwölf Milliarden), die steuerliche Forschungsförderung (zwei Milliarden) sowie dringende Ausgaben für Bildung, Familien und Wohnen, die sich auf rund drei Milliarden Euro belaufen würden.

In den Jahren 2019 bis 2022 übersteigen nach Hentzes Berechnungen die geplanten Ausgaben den Handlungsspielraum insgesamt um schätzungsweise 105 Milliarden Euro. Schulden sind nach Auffassung Hentzes grundsätzlich kein Tabu – allerdings setze die Bundesregierung falsche Schwerpunkte. „Noch hat die Große Koalition Zeit, ihre Wunschliste kritisch zu prüfen und zu überlegen, ob alle Vorhaben eine Investition in die Zukunftsfähigkeit Deutschlands sind“, sagt der IW-Steuerexperte. Er empfiehlt eine antizyklische Finanzpolitik: Demnach müsste die Bundesregierung in Zeiten von Niedrigzinsen investieren und in Zeiten von hohen Zinsen sparen – dieser Ansatz habe sich bereits bei der Finanzkrise vor zehn Jahren bewährt.

Die Bundesregierung sei gut beraten, wenn sie bei ihren Ausgabenwünschen Prioritäten setzen würde. Andernfalls führe die Summe der strukturellen Ausgabenerhöhungen dazu, dass vor allem die kommenden Generationen stark belastet würden. So richtig evident würde das Ausmaß einer ungebremsten Ausgabenerhöhung werden, wenn das Zinsniveau wieder anzieht.

Eine Kurzfassung der Studie kann man  hier nachlesen.