Der deutsche Fiskus schwimmt in Geld. Trotz der Konjunkturflaute haben Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen im ersten Halbjahr gut 45 Milliarden Euro mehr eingenommen als sie ausgegeben haben, sagt das Statistische Bundesamt.
In den ersten sechs Monaten profitierte der Staat von Steuereinnahmen und sprudelnden Sozialbeiträgen. Bezogen auf die jährliche Wirtschaftsleistung lag der Überschuss bei 2,7 Prozent. Es war der zweitbeste Wert seit der Wiedervereinigung in einem ersten Halbjahr. In den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres hatte der Überschuss um 51,8 Milliarden Euro oder 3,1 Prozent höher gelegen.
Deutschland ist mit dem Überschuss weit entfernt von der Defizitgrenze des Maastricht-Vertrages. Darin erlauben sich die Europäer höchstens ein Haushaltsdefizit von 3,0 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt BIP). Ein minimales Minus hatte Deutschland zuletzt im zweiten Halbjahr 2013 zu verzeichnen.
Angesichts dieser komfortablen Haushaltslage ist es kein Wunder, dass die Rufe nach mehr staatlichen Investitionen und der vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags lauter werden. Der Bund der Steuerzahler und FDP-Politiker wollen den Soli ganz weg haben, und der Deutsche Gewerkschaftsbund mahnt mehr staatliche Investitionen an.
Vor allem Letzterer befindet sich damit in guter Gesellschaft. Auch der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft IW in Köln, Michael Hüther, hält die Schuldenbremse nicht mehr für zeitgemäß. In Zeiten niedriger Zinsen und eines großen Investitionsbedarfs nimmt sie der Politik die nötigen Spielräume, ist Michael Hüther überzeugt. „Wir haben uns eingemauert“, schrieb er schon im März in einem 32seitigen Positionspapier.
Hüther fordert, vom Prinzip des ausgeglichenen Haushalts wieder abzurücken. „Die Schuldenbremse ist nicht flexibel genug, um alle Investitionsbedarfe, die wir haben im Bereich der Infrastruktur, der kommunalen Ausstattung, des Klimaschutzes, zu bewältigen“, so Hüther. Für diese Zukunftsinvestitionen hält er einen dreistelligen Milliardenbetrag für nötig. Doch der IW-Direktor ist nicht der Einzige, der Finanzminister Olaf Scholz unter Druck setzt. Karl Lauterbach und Michael Roth, zwei der Kandidaten für den SPD-Parteivorsitz, fordern ebenfalls eine Abkehr vom Prinzip der schwarzen Null.
Nibelungentreue
Die Schuldenbremse soll Politiker disziplinieren und die Belastung künftiger Generationen reduzieren, wurde früher argumentiert. Man kann den Spieß aber auch umdrehen und argumentieren: Wer heute die dringenden Investitionen in Bildung und Infrastruktur unterlässt, weil er nibelungentreu an der Schwarzen Null festklebt, der schadet künftigen Generationen viel mehr. Denn je länger man diese Investitionen hinausschiebt, desto teurer werden sie für nachfolgende Generationen.
Durch Zinszahlungen jedenfalls werden unsere Kinder nicht belastet. Denn das gegenwärtige Zinsniveau ist nicht nur außerordentlich niedrig, sondern liegt auch unter der Zuwachsrate der jährlichen Wirtschaftsleistung. „Aufgrund der demografischen Alterung wird das noch lange so bleiben; die Umverteilung zulasten künftiger Generationen entfällt“, sagt IW-Chef Hüther. Zudem üben öffentliche Investitionen einen positiven Wachstumseffekt auf die Gesamtwirtschaft aus – und damit hätten auch künftige Generationen etwas von heutigen Investitionen.
Saubere Schulklos
Dazu passt auch eine Meldung von afp: „Linksfraktionsvize Fabio De Masi warf Bundesfinanzminister Olaf Scholz vor, er häufe Überschüsse an, „anstatt das historisch günstige Zinsumfeld zu nutzen und dringend notwendige massive Investitionen zu tätigen“. Der Abschwung werde dadurch „härter als nötig“ ausfallen. „Investitionen in die öffentliche Infrastruktur haben hohe Selbstfinanzierungseffekte, sind ein Anreiz für private Investitionen und würden tausende Jobs sichern“, warb De Masi für seinen Vorschlag.
Linke-Parteichef Bernd Riexinger forderte plakativ „saubere Schulklos statt schwarzer Null“. Die Haushaltsüberschüsse zeigten vor allem, „dass weiterhin zu sehr gegeizt wird“, erklärte er.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte ebenfalls mehr Investitionen von Bund, Ländern und Gemeinden. Das Geld müsse „in den Ausbau der Infrastruktur, bezahlbaren Wohnraum, und in die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“ gesteckt werden, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Damit schnell investiert und die Planungen beschleunigt werden könnten, sei außerdem ein „Sofortprogramm für mehr Personal in der Verwaltung“ notwendig.“
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