Die bösen deutschen Exporte machen angeblich Deutschland reich und die anderen Länder arm. Auch wenn dieses Narrativ ständig wiederholt wird, bleibt es ein Märchen: Von einer starken deutschen Industrie gehen keine Nachteile für die EU-Partnerstaaten aus, sagt eine Studie aus der Schweiz. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Aufgrund der intensiven Handelsverflechtungen der EU-Staaten untereinander profitieren die europäischen Handelspartner von einer günstigen wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands. Fünf Millionen Jobs in Europa hängen von der deutschen Nachfrage nach Gütern und Vorleistungen ab.
Die hohen Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands der vergangenen Jahre stehen international in der Kritik. Donald Trump sieht sie als Ergebnis unfairer Handelspraktiken und denkt ab und zu laut über Strafzölle nach. Auch der Internationale Währungsfonds deutet an, dass Deutschland eine Mitschuld an den wachsenden Handelskonflikten trägt und empfiehlt regelmäßig höhere Staatsausgaben und kräftige Lohnsteigerungen. Die deutschen Überschüsse übersteigen auch deutlich die Zielvorgaben der Europäischen Union. Rund 7,6 Prozent seiner Wirtschaftsleistung hat Deutschland im vergangenen Jahr exportiert, die EU-Kommission hält höchstens sechs Prozent langfristig für angemessen. Im Rahmen des Makroökonomischen Überwachungsverfahrens könnte die Kommission ein Korrekturverfahren einleiten, an dessen Ende möglicherweise Strafzahlungen stehen, auch wenn die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen heißt.
Die Exporterfolge der deutschen Wirtschaft – so wird behauptet – gingen zu Lasten anderer Staaten, insbesondere unserer EU-Partner. Die Kritik geht teilweise so weit, dass gefordert wird, Deutschland solle seine Wettbewerbsfähigkeit zu Gunsten seiner europäischen Partner gezielt schwächen. „Eine solche Argumentation ist absurd“, schimpft Bertram Bossard, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft vbw. Sein Verband hat das schweizer Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos AG beauftragt, einmal auszurechnen, ob und wie unsere Nachbarn vom deutschen Exportboom profitieren. Denn für fast alle EU-Länder ist Deutschland der wichtigste oder zweitwichtigste Exportmarkt. Die Nachfrage aus Deutschland sorgt für Wertschöpfung und Beschäftigung in ganz Europa, wie die Studie zeigt: Fünf Millionen Arbeitsplätze in den anderen EU-Staaten hängen unmittelbar an der Güternachfrage aus Deutschland.
Allein die Nachfrage der deutschen Industrie nach Vorleistungs- und Investitionsgütern sichert 3,3 Millionen Jobs bei unseren europäischen Partnern, heißt es in der Prognos-Studie, die 2019 erstellt wurde und sich auf Daten von 2017 bezieht. Szenario-Rechnungen zeigen, dass eine wirtschaftliche Stagnation Deutschlands ebenso wie eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft auch den anderen europäischen Volkswirtschaften schaden würde. Es wäre also fatal, sich von unserem Erfolgsmodell der Internationalisierung abzukehren. Dies wäre nicht nur zum Schaden der deutschen, sondern der gesamten europäischen Wirtschaft. Continue reading „Fünf Millionen Jobs in Europa“