Ressourcen in der Schublade

Foto: Peter Freitag/pixelio.de

Fast jeder hat eines Zuhause im Keller oder in der Schublade: Ein altes und ausrangiertes Smartphone. Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass die darin enthaltenen Materialien ausreichen würden, um den Rohstoffbedarf aller neuen Smartphones der kommenden zehn Jahre zu decken. Rückführungs- und Recyclingprozesse müssen allerdings noch effizienter werden, um das Potenzial auszuschöpfen.

In deutschen Haushalten lagen 2022 dem IT-Branchenverband Bitkom zufolge ungefähr 210 Millionen Schubladenhandys, 87 Prozent der Bürger haben mindestens ein ausrangiertes Handy. Seltene Rohstoffe wie Gold, Palladium oder Platin schlummern also nicht nur tief im Boden, sondern oft auch in der eigenen Wohnung – wertvolle Rohstoffe, die auf dem Weltmarkt in Zeiten von Lieferengpässen und Konflikten nicht einfach zu bekommen sind.

Werden Rohstoffe und Materialien aus Altgeräten oder das Gerät selbst aufbereitet und wiederverwendet, spricht man von Kreislaufwirtschaft. Eine neue IW-Berechnung macht nun das Potenzial deutlich: Würden alle Handys und Smartphones, die in Deutschland ungenutzt herumliegen, recycelt, würden die gewonnenen Materialien den Bedarf für alle neuen Smartphones der nächsten zehn Jahre decken.

„Dass die Kreislaufwirtschaft in Zukunft immer wichtiger wird, zeigen drei globale Trends“, heißt es in der IW-Pressemitteilung. „Erstens wächst der Bedarf nach Rohstoffen mit der Weltbevölkerung. Insbesondere der steigende Konsum von Elektrogeräten ist ein Problem. Ausrangierte Geräte liegen oft in Schubladen und Kellern herum, das führt dazu, dass Rohstoffe knapper und teurer werden. Ein drittes Problem: Mit dem höheren Konsum steigen auch die Abfallmengen. Urban Mining, also die Gewinnung und Nutzung der Rohstoffe aus Altgeräten, schützt daher langfristig nicht nur die Umwelt. Es macht die deutsche Wirtschaft und die Verbraucher auch unabhängiger von Exportländern wie China.“

Gleichzeitig seien viele Recyclingprozesse noch nicht effizient genug, die Wiederverwertung lohne sich betriebswirtschaftlich nicht, schreibt das IW. Der reine Metallwert eines alten Handys liege bei 1,15 Euro, die Kleinteiligkeit der Geräte erschwere das Recycling. „Das Recycling stellt nur eine Lösung dar. Besser wäre es, bereits bei der Produktentwicklung Abfälle zu vermeiden oder die Geräte und ihre Komponenten für eine Wiederverwendung professionell aufzubereiten“, sagt Adriana Neligan, eine der beiden Auorinnen der Studie. Ein erster wichtiger Schritt wäre, dass die Verbraucher ihre ungenutzten Altgeräte zurückbringen. Aber auch die Politik müsse hier unterstützen, Tempo machen und für bessere Anreize bei der Sammlung sorgen.

Auch die Europäische Union hat das Thema Nachhaltigkeit für Elektronikgeräte entdeckt. Smartphones und Tablets sollen in der EU bald neuen Öko-Standards genügen. So sollen Hersteller verpflichtet werden, mindestens sieben Jahre lang Ersatzteile sowie technische Informationen und mindestens fünf Jahre lang Software-Updates nach dem Ausscheiden eines Produkts vom Markt zur Verfügung zu stellen.

Generalüberholte Elektronikgeräte sind eine nachhaltige Alternative zur Neuware. Der Markt wächst, auch weil zunehmend professionelle Kreisläufe durch Netzbetreiber, Firmenkunden und Refurbisher etabliert werden. Die Journalistin Matilda Jordanova-Duda schildert in einem Online-Beitrag für die Deutsche Welle   eine vielversprechende Initiative aus Düren bei Aachen: Die gemeinnützige GmbH AfB (Arbeit für Menschen mit Behinderung)  sammelt ausrangierte Firmen-Elektronik ein, prüft und reinigt sie, löscht vorhandene die Daten, repariert und rüstet auf, um die Geräte wieder in Umlauf zu bringen.  AfB ist ein zertifizierter Refurbisher, das Unternehmen existiert seit 18 Jahren und hat ca. 650 Mitarbeitende, gut die Hälfte von ihnen mit Behinderung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wirtschaft erholt sich trotz Krise

Foto: Rolf Wenkel

„Einkommensverluste trotz BIP-Wachstum“, schreibt das Münchener Ifo-Institut, „Deutschland shoppt sich aus der Krise“, titelt die Süddeutsche Zeitung auf ihrer Wirtschaftsseite. Beide beziehen sich auf den gleichen Sachverhalt: Die deutsche Wirtschaft ist im Krisenjahr 2022 um 1,9 Prozent gewachsen, meldet das Buddhistische Standesamt in Wiesbaden.

Auf den ersten Blick eine erfreuliche Nachricht, obwohl die Wirtschaftsforscher Anfang 2022 sogar mit einem Wirtschaftswachstum von 3,7 Prozent gerechnet haben. Denn das Jahr 2022 sollte das Jahr der raschen Erholung vom Corona-Crash des Vorjahres werden. Knapp vier Prozent Wachstum wären vermutlich auch drin gewesen, wenn nicht der Kriegsverbrecher im Kreml alles zunichte gemacht hätte.

Plötzlich bestand die Gefahr, dass den Deutschen das Gas ausgeht, die Bürger frieren, die energieintensiven Fabriken reihenweise dichtmachen und die deutsche Wirtschaft vor einem Kollaps steht. Insofern ist ein Wachstum von 1,9 Prozent noch ein überraschend guter Wert, das fünfthöchste der vergangenen zehn Jahre.

Wachstumsträger: Der private Konsum

Großen Anteil an diesem Wachstum hatten die Verbraucher. Zu befürchten war, dass die Haushalte wegen der hohen Preise für Lebensmittel und Energie weniger konsumieren. Doch das Gegenteil war der Fall: Die Konsumausgaben stiegen inflationsbereinigt um 4,6 Prozent und waren damit fast so hoch wie vor der Corona-Krise. „Grund hierfür waren Nachholeffekte im Zuge der Aufhebung fast aller Corona-Schutzmaßnahmen im Frühjahr 2022. Dies wird besonders deutlich bei den Ausgaben für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen. Auch im Bereich Freizeit, Unterhaltung und Kultur gaben die privaten Haushalte wieder mehr aus als noch vor einem Jahr“ schreibt das Statistische Bundesamt.

 

Aber jede Medaille hat zwei Seiten. So gibt Ifo-Konjunkturforscher Timo Wollmershäuser in einer Pressemitteilung zu bedenken, dass in Zeiten wie diesen die mit dem BIP gemessene wirtschaftliche Leistung die Einkommens- und damit die Wohlstandsentwicklung einer Volkswirtschaft überzeichnet. Da ein Großteil der Energie und der Vorprodukte aus dem Ausland bezogen wird und da durch ihre Verknappung die Importpreise kräftig gestiegen sind, musste ein zunehmender Teil von dem in Deutschland erwirtschafteten Einkommen zur Begleichung der Importrechnung verwendet werden.

Grafik: Ifo-Institut

„Daher dürften die verbleibenden Realeinkommen der deutschen Haushalte und Unternehmen nach Schätzungen des ifo Instituts im vergangenen Jahr um 0,7 Prozent geschrumpft sein“ schreibt Wollmershäuser. Oder anders ausgedrückt: „Insgesamt ging Deutschland im vergangenen Jahr Realeinkommen und damit Wohlstand im Umfang von schätzungsweise knapp 110 Milliarden Euro verloren“.

 

 

Messenger-News statt Vierfarb-Flyer?

Foto: Rolf Wenkel

Geht Euch das auch so? Jede Woche flattern mir mindestens zehn aufwendig gedruckte Vierfarb-Flyer des Einzelhandels ins Haus: HIT, Aldi, Rewe, Penny, Lidl, dazu noch ein Baumarkt, ein Elektromarkt, ein Getränkegroßhandel, mindestens zwei Möbelhäuser und ein Küchenstudio. Allerdings: Rund sieben von zehn Prospekten wandern bei mir sofort in die Tonne. Ungelesen. Muss das sein?

Der Kölner Handelsriese REWE hat mal ausrechnen lassen, was die bunten Prospekte für seine bundesweit rund 3.700 Filialen an Ressourcen verschlingen: Über 73.000 Tonnen Papier, 70.000 Tonnen CO2 , 1,1 Millionen Tonnen Wasser und 380 Millionen Kilowattstunden Energie pro Jahr, schreibt RWE in einer Pressemitteilung.

Jedes Jahr landen im Schnitt 40 Kilo an Papierprospekten in den Briefkästen der Republik. Das geht auch anders: Ob REWE, Aldi, Obi, Toom oder Netto – sie alle planen, die gedruckten Handzettel langfristig durch digitale Kommunikation ganz oder teilweise zu ersetzen. Im Gespräch sind besonders Messenger-Dienste wie WhatsApp, weil die auf fast jedem werberelevanten Endgerät verfügbar sind.

Ganz offensichtlich wollen die großen Handelsketten mindestens zwei, wenn nicht gar drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Umstellung auf digitale Werbekanäle wie Newsletter oder Messenger-Dienste gilt als modern und zukunftsorientiert, ist also gut für’s Image, man kann sich als grün, umweltbewusst und nachhaltig darstellen, weil man Ressourcen einspart, was auch gut für’s Image ist, und man spart nebenbei noch die Kosten für Papier und Energie, die dank des Kriegsverbrechers in Moskau in schwindelnde Höhen steigen.

Besonders forsch preschte der Kölner Handelsriese RWE nach vorn – mit der Ankündigung, zum 1. Juli diesen Jahres den Druck und den Vertrieb der bunten Prospekte ganz einzustellen. Indes. „Nur eine Woche nach Bekanntgabe (…) ruderte man in Köln zurück. Die Händler können selbst entscheiden, ob sie mitmachen oder nicht“, heißt es in einem Newsletter der EHI Retail Institute GmbH, dem Forschungsinstitut des deutschen Einzelhandels in Köln.

Überhaupt muss man sich die Frage stellen, ob man klima- und ressourcentechnisch so viel einspart, wenn die digitalen Prospekte demnächst im digitalen Messenger-Briefkasten und nicht in der Papiertonne landen. Es gibt Schätzungen, wonach der digitale Datenverkehr weltweit für etwa zwei Prozent der globalen CO2 –Emissionen verantwortlich und damit in etwa mit der Luftfahrtbranche vergleichbar ist. Und man kann ruhig davon ausgehen, dass gut die Hälfte der digital verursachten CO2 –Emissionen auf das Konto der digitalen Werbung und des Marketings geht. Das ist gewiss keine quantité négligeable.

Allerdings macht das EHI Retail Institute auch auf einen nicht zu unterschätzenden Vorteil aufmerksam: „Der Versand der Angebotsprospekte über Whatsapp hat den Charme, dass die Kund:innen aktiv zustimmen müssen. Durch das Opt-in trennen sich Spreu und Weizen. Außerdem bildet diese Variante der digitalen Kundenbindung die Grundlage für das Sammeln von Daten und Bilden von Nutzerprofilen – natürlich DSGVO-konform.“

Ja, ja, das wäre eine schöne Zukunftsvision: Null Werbung, es sei denn, ich habe ausdrücklich zugestimmt. Die Zukunft jedoch, so fürchte ich, wird eine andere sein: Ich werde digital mit Werbung zugeballert – und muss trotzdem 40 Kilo Papierprospekte pro Jahr entsorgen. Hybrid-Strategie nennt man das denn wohl unter den Marketingexperten.

Inflationserwartungen gehen weltweit zurück

Rund 1500 Wirtschaftsfachleute aus aller Welt erwarten einen allmählichen Rückgang der Inflation. Das geht aus dem Economic Experts Survey hervor, den das Münchener ifo Institut und das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik vierteljährlich durchführen. Demnach wird die Inflationsrate im neuen Jahr weltweit 7,1 Prozent erreichen, im kommenden Jahr dann 5,8 Prozent und 2026 nur noch 4,5 Prozent.

Grafi: Ifo Institut/IWP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Die Erwartungen zum Jahresbeginn sind ermutigend, weil die Experten im Vergleich zum Vorquartal etwas niedrigere Inflationsraten sehen“, sagt ifo-Forscher Niklas Potrafke, Leiter des ifo Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie. „Dennoch bleibt die Inflation auf einem sehr hohen Niveau.“ In Westeuropa (5,4 Prozent), Nordamerika (5,2 Prozent) und Südostasien (5,3 Prozent) liegen die Inflationserwartungen für 2023 deutlich unter dem globalen Durchschnitt. „Zum Rückgang der Inflationserwartungen in Europa haben auch die Zinserhöhungen der EZB im Dezember beigetragen“, sagt Potrafke. Die EZB hatte den Leitzins im Dezember um weitere 0,5 Prozentpunkte erhöht.

Besonders hoch sind die Inflationserwartungen dagegen in Südasien (23 Prozent), Südamerika (25 Prozent), Nordafrika (32 Prozent) und Ostafrika (knapp 35). An der Umfrage im Dezember haben sich 1.537 Expertinnen und Experten aus 133 Ländern beteiligt.

Grafik: Ifo-Institut/IWP

 

 

 

 

 

 

 

 

Innerhalb der Kontinente sind ebenso große Unterschiede in den Erwartungen der Expertinnen und Experten zu beobachten. Osteuropa hat innerhalb Europas mit Abstand die höchsten Inflationserwartungen für das Jahr 2023 (15 Prozent), wohingegen Südafrika innerhalb Afrikas mit 6,5 Prozent einen Ausreißer nach unten darstellt. In Nordamerika erwarten die Expertinnen und Experten für 2026 nur noch eine Inflationsrate von 2,8 Prozent. In Mittelamerika zeigt sich ein ähnlicher Rückgang, dort beträgt die Inflationserwartung noch 7,5 Prozent. Für Südamerika bleiben die Inflationserwartungen langfristig mit rund 18 Prozent auf einem weiterhin sehr hohen Niveau, heißt es in der Pressemitteilung des Ifo-Instituts.

Die Frage nach den Inflationserwartungen unter Wirtschaftsfachleuten ist nicht nur eine simple Meinungsumfrage oder Kaffeesatzleserei. Dahinter steckt die Vermutung, dass soziale Erwartungen durchaus soziale Realitäten schaffen können. So können Inflationserwartungen die Inflation beeinflussen, etwa, wenn die Bürger und Bürgerinnen eine Preissteigerung von – sagen wir mal – zehn Prozent erwarten und deshalb größere Anschaffungen vorziehen, wie etwa Autos, Möbel oder Elektrogroßgeräte. Sie glauben ja, dass später alles noch teurer wird. Die dadurch erhöhte Nachfrage wiederum kann für Preissteigerungen sorgen, die Inflationserwartung erfüllt sich und kann sogar sogar übertroffen werden. Ebenso kann die Inflationserwartung bei Lohn-und Tarifverhandlungen eine Rolle spielen: Arbeitnehmer und Gewerkschaften wollen höhere Lohnabschlüsse als Inflationsausgleich durchsetzen, was durch die höheren Personalkosten für Unternehmen zu höheren Kosten und damit meist höheren Verkaufspreisen führt.

Die Zentralbanken wie die Federal Reserve in Washington oder die EZB in Frankfurt versuchen, die Inflationserwartungen zu beeinflussen oder möglichst zu dämpfen, indem sie ihre Ziele klar kommunizieren und betonen, dass sie steigende Inflationsraten durch Maßnahmen wie eine Leitzinserhöhung oder eine restriktive Geldpolitik bekämpfen wollen. Höhere Zinsen verteuern Kredite und machen Sparen attraktiver, dadurch sinken Nachfrage und Preise, und durch eine restriktive Geldpolitik wird die Geldmenge verknappt und die Nachfrage sinkt.

Momentan haben wir es jedoch eindeutig mit einer Inflation zu tun, die von gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten, gestörten Lieferketten und einer Verknappung des Angebots in vielen Branchen und auf vielen Märkten befeuert wird – nicht zu vergessen von einem machtbesessenen Psychopathen in Moskau. Eine solche Inflation mit hohen Leitzinsen zu bekämpfen, gehört zwar zum Standardprogramm der Notenbanker, beseitigt aber nicht unbedingt ihre spezifischen Ursachen. Man kann sich dagegen durchaus fragen, ob die Notenbanker mit global steigenden Leitzinsen nicht auch eine weltweite Rezession in Kauf nehmen. Lieferketten, Fachkräftemangel und Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern heilen sie damit jedenfalls nicht.