Gestern war der neue Ikea-Katalog im Briefkasten. Auf Seite 330 ist das Stichwortverzeichnis. Ich suche unter „R“ die Regale. Gibt’s nicht. Was, gibt es nicht? Tatsächlich: Wenn man Möbel sucht in diesem Machwerk, von dem Hellmuth Kasarek behauptet, es sei „ein möblierter Roman“, dann kommt man arg ins Blättern, bevor man fündig wird. Dann fällt mir auf: Unter „A“ gibt’s Aufbewahrungsboxen, unter „B“ Besteck, Bilderrahmen und Blumentöpfe, Kerzenhalter, Kochgeschirr, und, ooooohhhhh! unter „L“ einen Laptophalter für 12,99! Wow, das hat die Welt gebraucht! Nur Möbel gibt es wenig. Wenig Möbel, dafür viel dummes Zeug.
Das alles hätte ich mir sparen können, wenn ich den Titel des Katalogs gelesen hätte: „Es sind die kleinen Dinge, die einen Tag besonders machen“. Das erklärt alles: Ikea will kein Möbelhaus mehr sein, sondern eine Geschenkboutique für überflüssigen Krimskrams. Denn: „Es sind die kleinen Dinge, die den Profit machen“, behaupte ich. Ikea hat erkannt, dass Sägespäne, zwischen zwei melaminharzgetränkte Papierbahnen gepresst, made in Poland, viel weniger Profit bringen als ein Laptophalter, Materialwert ein Euro, made in Kuffnukistan.
Sollen sie doch. Wenn sich das schwedische Möbelhaus unter die Ein-Euro-Läden in der Fußgängerzone mischen will – bitteschön. Wenn es mit den kleinen Dingen mehr Profit machen will – bitteschön, das bleibt jedem Unternehmen unbenommen. Was mich aber wirklich stört, ist die ganze verlogene Öko-, Bio- und Nachhaltigkeitslyrik, mit der die ganze Sache verbrämt wird. Kauft Ikea-Töpfe! Denn: „In einer grünen Küche können Kinder Kräuter und Gemüse selbst anpflanzen und lernen so etwas über unsere Lebensmittel“, behauptet da eine „Interior Designerin“.
„In einer Großstadt ist die Natur oft sehr weit weg, vor allem für Kinder. Mit schönen Zimmerpflanzen und duftenden Kräutern kannst du sie auch in dein Zuhause holen.“ VINDRUVA Gewächshaus aus durchsichtigem Plastik, drei Stück 8,99, „kann mit einem hübschen Band versehen auch als Geschenkverpackung genutzt werden“. Na toll, die Texter von Ikeas texten uns besoffen vor Glück.
Wenn Hellmuth Kasarek behauptet, es sei eigentlich „ein Skandal, dass das meistverbreitete Buch der Welt bisher nie rezensiert wurde“, dann kann ich nur sagen: Es wurde aus gutem Grund noch nie besprochen. Denn selten gab es so viel verlogene Gutmenschenlyrik auf 330 Seiten wie in diesem Machwerk.
Published by