Brennende Irrenhäuser

Der Bonner Erziehungswissenschaftler Prof. Volker Ladenthin hält mangelnde historische und moralische Bildung für eine wichtige Triebfeder von Terroristen. Für ihn stellt sich Terrorismus „weniger als politisches, denn als Bildungsproblem“ dar – wenn auch als eines mit zum Teil erheblichen politischen Folgen.

Der ganze Artikel ist im Bonner General-Anzeiger erschienen unter der Überschrift: „Studie: Bildungsdefizite als Terrorursache“. In der Online-Version ist der Titel weitaus neutraler. Wer die Schlagzeile liest: „Bildungsdefizite als Terrorursache“, braucht den Artikel nicht weiter zu lesen, um sich in seinen Vorurteilen bestätigt zu sehen: Terroristen sind dumpfe Idioten, deren Augen leuchten wie die Fenster eines brennenden Irrenhauses. Wussten wir’s doch. Doch warum geben dann junge, intelligente Muslime, die in Stanford, Berkley, Oxford oder Cambridge studiert haben, ihr Wissen an Terrororganisationen weiter oder schließen sich diesen sogar selbst an? Das Erklärungsmuster Armut-Unterdrückung- Perspektivlosigkeit-Verzweiflung-Terrorismus zieht bei diesen Leuten ganz offensichtlich nicht, denn nach einem Studium an westlichen Hochschulen steht ihnen im Prinzip die Welt offen. Ladenthin bemüht hier den Begriff der sozialen Empathie. Die Fähigkeit, sich in die Lage und Gefühlswelt eines anderen hineinversetzen zu können, ohne notwendigerweise dessen Ansichten zu teilen, hat in Europa eine lange Tradition – nicht aber im Orient. Soziale Empathie muss in der Familie eingeübt werden, denn in Schulen oder Hochschulen, wo nur technisches, historisches, funktionales, nicht aber moralisches Wissen vermittelt wird, ist es dafür zu spät. In Europa soll diese Kulturtechnik seit Immanuel Kant und seinem kategorischen Imperativ eine Selbstverständlichkeit sein – obwohl ich Empathie bei einigen Bankern, Juristen und Politikern auch hierzulande schmerzlich vermisse.

Published by

Kommentar verfassen