Altersgrenzen für TikTok & Co.?

Foto: Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

Was waren das noch für rosige Zeiten: Im September 2008, also vor rund 17 Jahren, hat meine damalige Mitstreiterin und Co-Autorin G. Frank in diesem Blog ein YT-Video empfohlen, das in 1:30 min in leicht verständlichem Englisch den Charme von Netzwerken und Social Media erklärt – um nicht zu sagen: verklärt. Von dieser Euphorie ist nicht mehr viel übrig, die großen Netzwerke sind zu Gelddruckmaschinen, Datenkraken, Werbehöllen und zu Hass-, Neid-, Fake- und Drecksschleudern verkommen.

Man mag darüber die Achseln zucken und versuchen, diesen Dreck möglichst links liegen zu lassen. Doch wenn ich sehe, mit welchem digitalen Equipment meine Enkelkinder heute umgehen, wird’s mir mulmig. „Smartphones und soziale Netzwerke sind fester Bestandteil des digitalen Alltags von Kindern und Jugendlichen“, schreibt der deutsche IT-Branchenverband Bitkom. Der hat in einer Befragung von über 1.000 Eltern mit Kindern im Alter zwischen sechs und 18 Jahren herausgefunden, dass die Kids heute schon im Alter von sieben Jahren mit Handy, Tablet und Social Media umgehen – und die Eltern dabei nicht immer eine angemessene Begleitrolle spielen.

Kein Wunder, dass jetzt so langsam die Diskussion über digitale Altersgrenzen hochkocht – und das nicht nur in Deutschland. „Australien verbietet Jugendlichen unter 16 Social Media“ (tagesschau.de), Frankreich will TikTok und Konsorten für Kinder unter 15 sperren, Großbritannien macht Altersnachweise für Pornoseiten zu Pflicht, Bundesbildungsministerin Karin Prien denkt über ein Handyverbot für unter 14-jährige nach, und viele Schulen dulden inzwischen kein Handy mehr in den Klassenzimmern.

Während Bayerns Möchtegern-Sonnenkönig Markus Söder die ganze Diskussion für „totalen Quatsch“ und „realitätsfremd“ hält, kommt der IT-Branchenverband Bitkom in einer Anfang August veröffentlichten Studie zu einem sehr differenzierten Bild: „Die meisten Eltern begleiten ihre Kinder bis zum Alter von 13 Jahren aktiv in die digitale Welt und geben auch Regeln vor, spätestens ab 16 Jahren fallen dann die Schranken“, schreibt der Bitkom in einer Pressemitteilung.

Bereits mit sieben Jahren nutze die Mehrheit der Kinder ein Smartphone, heißt es weiter, mit neun Jahren besäßen sie mehrheitlich ein eigenes Gerät. Ebenfalls sehr früh – mit sieben Jahren –  nutzten die meisten Kinder einen PC oder ein Notebook, mit acht Jahren ein Tablet, mit neun eine Spielkonsole, und mit elf Jahren verfügten die meisten über eine Smartwatch. In der Altersgruppe der 13- bis 15-Jährigen seien bereits 92 Prozent der Kinder in sozialen Netzwerken aktiv, 55 Prozent mit einem eigenen, nicht-anonymisierten Profil mit Namen oder Bildern.

Grafik: Bitkom

Doch nur knapp vier von zehn befragten Eltern sprechen mit ihren Kindern darüber, was sie in den sozialen Netzwerken erleben. „Gerade in jungen Jahren brauchen sie Schutzräume in der digitalen Welt, klare Regeln und eine aufmerksame Begleitung durch Eltern und Schulen“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Die überwiegende Mehrheit von 77 Prozent der Eltern erlaubt ihren sechs- bis neunjährigen Kindern kein eigenes Nutzerkonto und auch keine Mitnutzung, 16 Prozent erlauben nur die Mitnutzung des Kontos eines Erwachsenen oder der Familie. Drei Prozent erlauben 6- bis 9-Jährigen ein anonymisiertes Nutzerkonto in sozialen Netzwerken, aber niemand erlaubt in diesem Alter ein eigenes Nutzerkonto mit erkennbarem Namen, Profilbild oder persönlichen Fotos.

Ab dem Alter von 13 Jahren öffnen die allermeisten Eltern dann die Welt der sozialen Medien weit für ihre Kinder. Bei den 13- bis 15-Jährigen verbieten nur noch drei Prozent der Eltern die Nutzung sozialer Medien und nur zwölf Prozent erlauben lediglich die Mitnutzung. 80 Prozent aber gestatten ihren Kindern die Einrichtung eines eigenen Profils. Bei 25 Prozent muss es anonymisiert sein, 55 Prozent aber dürfen bereits ein erkennbar mit der Person des Kindes verbundenes Profil anlegen.

Mit 16 Jahren fallen dann die allermeisten Schranken. Niemand aus der befragten Elternschaft verbietet den Jugendlichen zwischen 16- bis 18-Jährigen die Nutzung sozialer Medien. Der Standard aber ist dann ein eigenes, erkennbares Social-Media-Profil: 83 Prozent der Jugendlichen in der Altersgruppe von 16 bis 18 Jahren haben es mit dem Einverständnis ihrer Eltern. „Auch wenn die meisten Eltern recht freizügig mit sozialen Medien umgehen, sie bereiten ihnen Sorgen“, sagt Bitkom-Geschäftsführer Benhard Rohleder.

80 Prozent der Eltern von Kindern mit Social-Media-Profil haben Angst, ihr Kind könnte in sozialen Netzwerken gemobbt werden. Bei 53 Prozent ist dies nach eigener Einschätzung sogar schon vorgekommen. Mit 54 Prozent sagen ähnlich viele, ihr Kind habe schon einmal verstörende Inhalte in sozialen Netzwerken gesehen und 22 Prozent haben Angst, ihr Kind könnte dort ins links- oder rechtsextreme Milieu abdriften. Allerdings sprechen nur 38 Prozent der Eltern, deren Kinder Social-Media-Profile nutzen dürfen, regelmäßig mit ihrem Kind darüber, was es dort erlebt. „Medienbegleitung endet nicht mit dem ersten eigenen Profil. Gerade dann braucht es aktives Nachfragen und im Bedarfsfall Rat und Unterstützung – in allen Altersklassen“, so Rohleder.

 

 

Ressourcen in der Schublade

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Fast jeder hat eines Zuhause im Keller oder in der Schublade: Ein altes und ausrangiertes Smartphone. Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass die darin enthaltenen Materialien ausreichen würden, um den Rohstoffbedarf aller neuen Smartphones der kommenden zehn Jahre zu decken. Rückführungs- und Recyclingprozesse müssen allerdings noch effizienter werden, um das Potenzial auszuschöpfen.

In deutschen Haushalten lagen 2022 dem IT-Branchenverband Bitkom zufolge ungefähr 210 Millionen Schubladenhandys, 87 Prozent der Bürger haben mindestens ein ausrangiertes Handy. Seltene Rohstoffe wie Gold, Palladium oder Platin schlummern also nicht nur tief im Boden, sondern oft auch in der eigenen Wohnung – wertvolle Rohstoffe, die auf dem Weltmarkt in Zeiten von Lieferengpässen und Konflikten nicht einfach zu bekommen sind.

Werden Rohstoffe und Materialien aus Altgeräten oder das Gerät selbst aufbereitet und wiederverwendet, spricht man von Kreislaufwirtschaft. Eine neue IW-Berechnung macht nun das Potenzial deutlich: Würden alle Handys und Smartphones, die in Deutschland ungenutzt herumliegen, recycelt, würden die gewonnenen Materialien den Bedarf für alle neuen Smartphones der nächsten zehn Jahre decken.

„Dass die Kreislaufwirtschaft in Zukunft immer wichtiger wird, zeigen drei globale Trends“, heißt es in der IW-Pressemitteilung. „Erstens wächst der Bedarf nach Rohstoffen mit der Weltbevölkerung. Insbesondere der steigende Konsum von Elektrogeräten ist ein Problem. Ausrangierte Geräte liegen oft in Schubladen und Kellern herum, das führt dazu, dass Rohstoffe knapper und teurer werden. Ein drittes Problem: Mit dem höheren Konsum steigen auch die Abfallmengen. Urban Mining, also die Gewinnung und Nutzung der Rohstoffe aus Altgeräten, schützt daher langfristig nicht nur die Umwelt. Es macht die deutsche Wirtschaft und die Verbraucher auch unabhängiger von Exportländern wie China.“

Gleichzeitig seien viele Recyclingprozesse noch nicht effizient genug, die Wiederverwertung lohne sich betriebswirtschaftlich nicht, schreibt das IW. Der reine Metallwert eines alten Handys liege bei 1,15 Euro, die Kleinteiligkeit der Geräte erschwere das Recycling. „Das Recycling stellt nur eine Lösung dar. Besser wäre es, bereits bei der Produktentwicklung Abfälle zu vermeiden oder die Geräte und ihre Komponenten für eine Wiederverwendung professionell aufzubereiten“, sagt Adriana Neligan, eine der beiden Auorinnen der Studie. Ein erster wichtiger Schritt wäre, dass die Verbraucher ihre ungenutzten Altgeräte zurückbringen. Aber auch die Politik müsse hier unterstützen, Tempo machen und für bessere Anreize bei der Sammlung sorgen.

Auch die Europäische Union hat das Thema Nachhaltigkeit für Elektronikgeräte entdeckt. Smartphones und Tablets sollen in der EU bald neuen Öko-Standards genügen. So sollen Hersteller verpflichtet werden, mindestens sieben Jahre lang Ersatzteile sowie technische Informationen und mindestens fünf Jahre lang Software-Updates nach dem Ausscheiden eines Produkts vom Markt zur Verfügung zu stellen.

Generalüberholte Elektronikgeräte sind eine nachhaltige Alternative zur Neuware. Der Markt wächst, auch weil zunehmend professionelle Kreisläufe durch Netzbetreiber, Firmenkunden und Refurbisher etabliert werden. Die Journalistin Matilda Jordanova-Duda schildert in einem Online-Beitrag für die Deutsche Welle   eine vielversprechende Initiative aus Düren bei Aachen: Die gemeinnützige GmbH AfB (Arbeit für Menschen mit Behinderung)  sammelt ausrangierte Firmen-Elektronik ein, prüft und reinigt sie, löscht vorhandene die Daten, repariert und rüstet auf, um die Geräte wieder in Umlauf zu bringen.  AfB ist ein zertifizierter Refurbisher, das Unternehmen existiert seit 18 Jahren und hat ca. 650 Mitarbeitende, gut die Hälfte von ihnen mit Behinderung.