„Lügenpresse“ macht Boden gut

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Das Vertrauen in Medien in Deutschland ist wieder gewachsen, meldet der Westdeutsche Rundfunk in einer Pressemitteilung, die ich hier gerne weiterreiche. Als glaubwürdig gelten vor allem öffentlich-rechtliche Angebote. Auch das Vertrauen in Institutionen hat leicht zugenommen. Überraschender Nebenbefund: Junge Menschen schätzen die Sozialen Medien als nicht ausgewogen oder glaubwürdig ein, obwohl sie diese nach eigenen Angaben als Hauptinformationsquelle zum politischen Geschehen nutzen.

61 Prozent der Deutschen halten die Informationen durch Medien in der Bundesrepublik für glaubwürdig – eine Steigerung um fünf Prozentpunkte gegenüber der letzten Erhebung im Jahr 2023. Besonders gut schneiden dabei öffentlich-rechtliche Angebote und Tageszeitungen ab. Das zeigt eine repräsentative Befragung, die Infratest dimap im Auftrag des WDR durchgeführt hat. 67 Prozent der Befragten (plus drei Prozentpunkte) halten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für unverzichtbar  – mit starken Mehrheiten über fast alle Parteilager hinweg. Einzig bei den Anhängern der AfD sind die Mehrheitsverhältnisse umgekehrt.

Insgesamt bewerten 83 Prozent der Deutschen die Qualität des Informationsangebots als gut oder sehr gut. „Das Vertrauen in Medien in der Bundesrepublik ist beachtlich, gerade im internationalen Vergleich“, erklärt dazu WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn. Eine wichtige Säule des Vertrauens sei dabei der öffentlich-rechtliche Rundfunk. „Wir haben damit ein großes gesellschaftliches Kapital, um das uns andere Länder beneiden. Wir müssen aber zugleich sehr ernst nehmen, dass Menschen, die radikale und extreme Parteien wählen, uns und unsere Arbeit seit einigen Jahren zunehmend kritisch sehen“, bewertet Schönenborn den Umstand, dass gerade die rechtsextreme AfD den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen will und damit auch bei ihren Wähler*innen wirbt.

Deutlich wird das auch, wenn man sich die Studienergebnisse differenzierter ansieht: In Westdeutschland geben 58 Prozent der Befragten an, in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk großes oder sehr großes Vertrauen zu haben. In Ostdeutschland überwiegt die Skepsis. Hier sagen 41 Prozent, dass sie den Öffentlich-Rechtlichen vertrauen. 54 Prozent tun das nach eigenen Angaben nicht.

Für Jörg Schönenborn verknüpft sich damit ein Auftrag: „Es reicht nicht, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk Medium für viele ist, wir müssen Medium für alle sein. Das ist unser Auftrag. Und die Studie hilft den Redaktionen den Blick auf die zu werfen, die gegenwärtig Distanz zu uns halten“, so der WDR-Programmdirektor.

Ein leichtes Plus beim Vertrauen können auch Institutionen wie das Bundesverfassungsgericht (70 Prozent) und private Rundfunksender (26 Prozent) verzeichnen. Der Bundestag (37 Prozent), Bundesregierung (29 Prozent) und politische Parteien (20 Prozent) konnten jeweils um zwei Prozentpunkte zulegen, wobei sie trotzdem auf den hinteren Plätzen landen. Auch hier sind die Vertrauenswerte im Osten größtenteils niedriger als im Westen. Stark bewertet wurde die Arbeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens bei der Berichterstattung über aktuelle Krisen und rund um die Bundestagswahl. Jeweils gut zwei Drittel halten diese für gut oder sehr gut.

Die Studie zeigt auch, dass Soziale Medien deutlich schlechter bei Fragen der Glaubwürdigkeit oder Ausgewogenheit abschneiden, als man vermuten könnte. So landet die Plattform TikTok in der Befragung durchgängig auf dem letzten Platz. Und auch die anderen Sozialen Medien werden mehrheitlich für eher nicht oder gar nicht glaubwürdig gehalten. Das gilt auch bei den 18- bis 34-Jährigen. Dabei gibt diese Gruppe zugleich soziale Medien als ihre Hauptinformationsquelle zum politischen Geschehen an. Auch Jüngere vertrauen vor allem öffentlich-rechtlichen Angeboten und Tageszeitungen.

„Die Studie zeigt zwei große Trends, die zusammengehören: Für individuelle Information wächst die Nachfrage nach immer mehr digitalen Angeboten. Bei wichtigen Ereignissen ist und bleiben Fernsehen und Radio die meist genutzten Medien, die unverändert Millionen zusammenführen“, resümiert dazu WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn.

Infratest dimap hat für die Studie vom 10. bis 27. April 2025 insgesamt 1.329 Wahlberechtigte in Deutschland befragt. Seit November 2015 war es die siebte umfassende Befragung in der Reihe.

Die komplette Studie gibt es hier.

 

Nix wissen, aber über die Demokratie lästern

Foto: Rolf Handke / pixelio.de)

 

Wer überwiegend oder gar ausschließlich das Internet oder die so genannten Sozialen Medien nutzt, um sich über ökonomische oder soziale Sachverhalte in Deutschland zu informieren, der liegt oft krass daneben. Das gilt besonders AfD-Anhänger, die klassischen Medien misstrauen und Facebook, Twitter und Co. für seriöse Quellen halten.

 

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat gemeinsam mit der Ruhr-Universität Bochum über 1.000 Menschen befragt, um herauszufinden, wie gut sie soziale und wirtschaftliche Kennzahlen zu Armut, Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Erneuerbare Energien und Verkehrstoten einschätzen können.

Die Studie hat den etwas sperrigen Titel: „Selektiver Medienkonsum und sozioökonomisches Unwissen: Ein Katalysator für Unzufriedenheit?“ Ein Ergebnis: Wer sich überwiegend oder ausschließlich im Internet tummelt, schätzt Altersarmut, Kriminalität oder Arbeitslosigkeit besonders hoch ein – während Konsumenten klassischer Medien wie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder überregionaler Zeitungen mit ihren Schätzungen oft besser abschneiden.

Wie viele Menschen sind in Deutschland von Armut bedroht? Im Schnitt schätzen die Bundesbürger diesen Anteil auf 35 Prozent. Doch tatsächlich lag die Armutsgefährdungsquote im Jahr 2019 laut Mikrozensus bei rund 16 Prozent. Gefragt nach der Arbeitslosenquote in Deutschland  tippen die Befragten im Durchschnitt auf 23 Prozent, obwohl sie zum Zeitpunkt der Befragung bei rund sechs Prozent lag.

Noch gravierender ist der Unterschied, wenn nach der Arbeitslosenquote ausländischer Mitbürger gefragt wird: Im August 2020 lag sie bei 15,6 Prozent, doch die Teilnehmer der Studie schätzen sie im Schnitt auf 41 Prozent. Auch bei den Themen Altersarmut und Kriminalität schätzen die Befragten die Realität pessimistischer ein als sie die amtliche Statistik zeigt. „Unsere Untersuchung zeigt, dass Befragte mit starken Fehleinschätzungen eher unzufrieden mit der Demokratie in Deutschland, der sozialen Gerechtigkeit und dem sozialen Sicherungssystem sind“, sagt Studienautorin Judith Niehues laut Pressemitteilung des IW.

Dr. Judith Niehues, Leiterin der Forschungsgruppe Mikrodaten und Methodenentwicklung (Foto: IW)

Wer sich vor allem in klassischen Medien wie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder in überregionalen Zeitungen über politische Themen informiert, schneidet oft besser ab als jemand, der politische Informationen vorrangig über Soziale Medien beziehet, ist ein Ergebnis der Studie.

Zudem fällt auf, dass Fehleinschätzungen im Bereich Altersarmut, Entwicklung von Kriminalität und Arbeitslosigkeit von Ausländern bei Anhängern der AfD besonders hoch ausfallen – gleichzeitig informieren sie sich besonders häufig in Sozialen Medien. Während unter den übrigen Befragten 24 Prozent ihre Nachrichten vorrangig in Sozialen Medien konsumieren, sind es unter den AfD-Anhängern knapp 42 Prozent.

„Anhand der Auswertung wird deutlich, dass ökonomische Bildung das Potential hat, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Vertrauen in die Demokratie zu stärken“, sagt Bodo Hombach, Vorsitzender der privaten Brost-Stiftung in Essen, die diese Befragung gefördert hat. „Zudem sollte die digitale Souveränität gefördert werden, denn Quellenkompetenz wird vor dem Hintergrund der neuen Medienlandschaft immer wichtiger.“

Hier geht’s zum Download der Studie

Und hier geht’s zur Brost-Stiftung