Wenn viele Idioten gr0ße Idioten wählen

Bild: Holger Lang / pixelio.de

In Thüringen und in Sachsen wird am kommenden Sonntag gewählt, am 22. September folgt Brandenburg. Den extremistischen Parteien AfD und BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) werden starke Zuwächse vorausgesagt – auch weil sie permanent Stimmung gegen Zuwanderung machen. Man kann auch sagen: Viele Idioten werden große Idioten wählen – und sich dabei selbst ins Knie schießen. Denn ohne Zuwanderung sähe es auf dem Arbeitsmarkt in den ostdeutschen Flächenstaaten richtig düster aus. Gerade die ostdeutschen Flächenländer sind auf internationale Arbeitskräfte angewiesen, sagt eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Zuletzt machten Arbeitskräfte ohne deutschen Pass bundesweit 86 Prozent des Beschäftigungswachstums aus, hat das IW aus den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit errechnet. Besonders in Ostdeutschland sind sie unverzichtbar, da dort bereits heute ein Beschäftigungsrückgang bei deutschen Staatsbürgern stattfindet und zudem der demografische Ersatzbedarf höher ausfällt.

Quelle: IW

In den letzten Jahren hat die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland trotz Fachkräftemangel und demografischem Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials zugenommen. Besonders ausländische Arbeitskräfte spielen beim Beschäftigungswachstum eine entschiedene Rolle. Zwischen den gleitenden Jahresdurchschnitten 2021/2022 und 2022/2023 entfielen 86 Prozent des Beschäftigungswachstums auf sie, während deutsche Staatsbürger nur 14 Prozent dazu beitrugen. Insbesondere Arbeitskräfte aus Drittstaaten sorgten mit einem Zuwachs von 265.721 Personen (62 Prozent) für den größten Teil des Wachstums, zeigen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit.

In den ostdeutschen Bundesländern (ohne Berlin) und im Saarland war sogar ein Rückgang an deutschen Beschäftigten zu beobachten, da bereits mehr deutsche Staatsangehörige aus der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ausschieden, als eintraten. Besonders Sachsen (+0,5 Prozent) und Brandenburg (+1 Prozent), aber auch Thüringen profitierten von ausländischen Beschäftigten. Hier konnte trotz des Rückgangs unter den deutschen Staatsbürgern insgesamt ein geringes Beschäftigungswachstum verzeichnet werden. In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt konnten internationale Fachkräfte den Beschäftigungsrückgang bei deutschen durch ausländische Staatsangehörige zumindest annähernd kompensieren.

Das gesamte Beschäftigungswachstum in Ostdeutschland (ohne Berlin) wurde somit von Ausländern getragen. Analog zur Bundesebene entfällt der Großteil (57Prozent) dieses Beschäftigungsaufbaus auf Personen aus Drittstaaten. Dies unterstreicht, dass insbesondere die ostdeutschen Flächenländer stärker auf die Zuwanderung von Arbeitskräften, auch aus Drittstaaten, angewiesen sind, als die westdeutschen Bundesländer und Berlin.

Fazit: Ausländische Beschäftigte spielen neben der Hebung inländischer Potenziale eine entscheidende Rolle für den Beschäftigungszuwachs und die Fachkräftesicherung. Insbesondere Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sind aufgrund ihrer Altersstruktur dringlicher auf die Zuwanderung von Arbeitskräften angewiesen als andere Bundesländer. Die erwarteten Zuwächse der AfD bei den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg erscheinen vor dem Umstand, dass diese Bundesländer besonders dringlich auf internationale Arbeitskräfte angewiesen sind, als großes wirtschaftliches Risiko. Eine Befragung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeichnet ein ähnliches Bild: 73 Prozent der befragten Unternehmen sehen die AfD als Risiko für die Fachkräftesicherung.

Zudem zitiert Berlin-Korrespondentin Birgit Marschall im Kölner Stadtanzeiger eine bislang unveröffentlichte Studie des IW, wonach knapp sechs Prozent der gesamten Wertschöpfung in den ostdeutschen Flächenländern oder knapp 25 Milliarden Euro  von Arbeitnehmern mit ausländischem Pass erwirtschaftet werden. Man stelle sich vor, in Thüringen, Sachsen und Brandenburg könnten demnächst demokratisch gewählte Idioten ihre rassistische und xenophobe Politik durchsetzen – sie würden ihren Bürgern erhebliche Wohlstandsverluste zumuten. Aber für diese Verluste hätten sie sicher eine Erklärung oder ein neues Märchen parat: „Es sind doch die Ausländer, die uns die Arbeitsplätze wegnehmen!“

 

Hört ruhig auf die Idioten

Grafik: Tim Reckmann / pixelio.de:

AfD-Adepten schießen sich am liebsten selbst ins Knie. Oder, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW in Berlin in einer Kurzstudie formuliert: „Die Hauptleidtragenden der AfD-Politik wären ihre eigenen Wähler*innen“. Denn die glauben ernsthaft, eine Rückabwicklung der Globalisierung, ein erstarkender Nationalismus und eine neoliberale Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik böte ihnen persönlich bessere Arbeitsplätze, mehr Sicherheit und bessere Chancen. Genau das Gegenteil würde ihnen blühen, sagt das DIW.

Zu diesem Ergebnis kommen die DIW-Forscher, nachdem sie die programmatischen Ziele dieser Partei mit den Anliegen, Einstellungen und der sozio- ökonomischen Situation von AfD-Unterstützern und Unterstützerinnen zueinander in Beziehung gesetzt haben. Dabei tritt ein bemerkenswertes Paradox auf: Menschen, die die AfD unterstützen, würden am stärksten unter deren Politik leiden, und zwar in Bezug auf fast jeden Politikbereich: Wirtschaft und Steuern ebenso wie Klimaschutz, soziale Absicherung, Demokratie und Globalisierung. „Dieses Paradox scheint mit einer falschen Selbsteinschätzung vieler AfD-Wähler*innen und mit einer Fehleinschätzung der gesellschaftlichen Realität zusammenzuhängen“, schreiben die DIW-Forscher. (Sorry für die völlig absurden Gendersternchen, aber im Originalzitat darf ich sie natürlich nicht verändern).

Wer wählt überhaupt die AfD? Menschen, die mit dieser Partei sympathisieren, sind überwiegend männlich, häufig arbeitslos und leben oft  in strukturschwachen Regionen, ergab eine aktuelle Forsa-Umfrage

https://www.n-tv.de/politik/Umfrage-zeigt-Eigenschaften-der-AfD-Waehler-article24203917.html.

Ältere Untersuchungen haben gezeigt, dass Einkommen und Bildung eher schwach sind. Die Unzufriedenheit über das eigene Leben und über den Zustand von Wirtschaft und Gesellschaft ist unter der AfD-Klientel deutlich höher als im Durchschnitt aller Wahlberechtigten. Und oft haben oder hatten sie eine geringere soziale und auch politische Teilhabe.

Machen wir uns nichts vor: Die AfD schneidet besser in Wahlkreisen ab, in denen die Perspektivlosigkeit groß ist, die Chancen für junge Menschen gering sind und durch deren Abwanderung wichtige Infrastrukturen für Familien und Kinder – und damit auch für Unternehmen – schlechter werden oder verschwinden. Denn dort „kümmern“ sich die AfD-Vertreter um diese abgehängten Leute, blasen ihnen das Lied von denenen da Oben und wir da unten ein – was CDU-, SPD-, Grünen- und FDP-Politiker und Politikerinnen vor Ort oft nicht leisten wollen oder für nötig halten.

Das Ergebnis ist eine hohe Zustimmung vor Ort, die mit den tatsächlichen programmatischen Positionen der Partei praktisch nichts zu tun hat. Beispiele gefällig? Nehmen wir die Wirtschaftspolitik, sie ist in der Programmatik der AfD noch neoliberaler und marktradikaler als die der FDP. Steuersenkungen für Spitzenverdiener, niedrigere Löhne für Geringverdiener, und eine Beschneidung der Sozialsysteme würden AfD-Adepten viel stärker beuteln als alle anderen. Würde sich die AfD-Politik durchsetzen, käme es zu einer Umverteilung von Einkommen und sozialen Leistungen von unten nach oben, die Deppen wären die AfD-Wähler.

Wie kann es sein, dass ein Fünftel der Menschen in Deutschland die Politik einer Partei unterstützt, die stark dem eigenen Wohlergehen und den eigenen Interessen zuwiderläuft? Eine plausible Antwort ist laut DIW „die individuelle und kollektive Fehleinschätzung“ ihrer eigenen Situation. Sie liegt laut DIW darin, „dass viele AfD-Wähler*innen nicht realisieren, dass eine Politik der Diskriminierung und Ausgrenzung sie selbst stark negativ betreffen würde.“

Denn sie selbst gehören häufig zum unteren Rand der Einkommensverteilung, genießen seltener Privilegien und haben weniger Chancen als andere und sind stärker auf finanzielle Leistungen des Staates angewiesen. So wären vor allem AfD-Adepten von Arbeitsplatzverlusten, einer schlechteren Infrastruktur und weniger Leistungen, einer Schwächung der Europäischen Union oder Steuersenkungen für Spitzenverdiener betroffen.

Die kollektive Fehleinschätzung der AfD-Wähler besteht in dem, was der Zeit-Journalist Nils Markwardt „Verblendungszusammenhänge“ nennt. Da  geht es im besten Fall um eine verzerrte Wahrnehmung der Realität und im schlimmsten Fall um irre Verschwörungstheorien, bei denen sich AfD-Adepten als Opfer von Politik und Gesellschaft darstellen und sich selbst als Mehrheit beschreiben.

Das Fazit: AfD-Adepten glauben ernsthaft, eine Rückabwicklung der Globalisierung, ein erstarkender Nationalismus sowie eine neoliberale Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik würde ihnen persönlich bessere Arbeitsplätze, mehr Sicherheit und bessere Chancen verschaffen. Genau das Gegenteil wird passieren.

Die ganze Studie hier:

Klicke, um auf diw_aktuell_88.pdf zuzugreifen

 

 

 

 

 

 

 

Fremdenfeindlichkeit lässt etwas nach

Foto: Dieter Schütz / pixelio.de

Die Skepsis gegenüber Zuwanderung von Flüchtlingen ist in Deutschland seit 2015 gesunken. Das geht aus einer am Donnerstag (29.08.19) in Gütersloh veröffentlichten Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung hervor. Demnach sind zwei Drittel der Bevölkerung der Ansicht, Einwanderer seien vor Ort willkommen. Rund 80 Prozent nehmen auch eine Offenheit in den kommunalen Behörden wahr. Einen positiven Effekt von Einwanderung auf die Wirtschaft erwarten etwa 65 Prozent.“

„Deutschland hat den Stresstest der Fluchtzuwanderung ab 2015 gut gemeistert und stabilisiert sich als pragmatisches Einwanderungsland“, sagte Stiftungsvorstand Jörg Dräger. Die Bevölkerung habe die Herausforderungen von Migration klar vor Augen, sehe aber auch die Chancen für eine alternde Gesellschaft. Die Meinung, Deutschland habe bei der Aufnahme von Flüchtlingen seine Belastungsgrenzen erreicht, vertreten – anders als 2017 – die Befragten nicht mehr mehrheitlich, heißt es weiter.

Allerdings gibt es laut Untersuchung weiterhin auch skeptische Einschätzungen. So meint rund jeder Zweite, dass es zu viel Zuwanderung (52 Prozent) gebe. Eine Mehrheit befürchtet auch, zu viele Migranten würden die Wertvorstellungen des Aufnahmelandes nicht übernehmen. Nicht ganz drei Viertel (71 Prozent) der Studien-Teilnehmer meinen, Migration belaste die deutschen Sozialsysteme. In allen Fällen aber hätten die Werte 2017 deutlich höher gelegen, so die Studienautoren. Die Skepsis in der Bevölkerung gegenüber der Einwanderung sei seither nicht weiter gestiegen, sondern habe rückläufige Tendenz.

Laut Studie akzeptieren die Menschen in Deutschland die Folgen von Zuwanderung zunehmend. Für rund zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten machen Migranten das Leben interessanter. Etwa genauso viele (64 Prozent) sehen Einwanderung als Mittel gegen Überalterung der Gesellschaft. Dass Zuwanderung den Fachkräftemangel ausgleiche, bejahen 41 Prozent. Bei diesen Aspekten weist die Studie steigende Tendenzen gegenüber 2017 aus.

Wie ausgeprägt die Willkommenskultur ist, ist den Angaben zufolge abhängig vom Alter, regional verschieden und hängt auch mit dem Bildungsgrad zusammen. Je höher die Bildungsabschlüsse sind, desto offener sind die Befragten für Zuwanderung. Jüngere sind häufiger positiv eingestellt als Ältere. In Ostdeutschland sind die Menschen skeptischer als in Westdeutschland. Continue reading „Fremdenfeindlichkeit lässt etwas nach“