Sarrazin: Kalkulierter Krawall…

Meine Liebligsbloggerfreundin Marion hat sich in ihrem Chillout-Blog mit dem Äußerungen des Bundesbank-Vorstandsmitglieds Thilo Sarrazin beschäftigt und viele, größtenteils kluge Kommentare darauf bekommen. Der Mann ist auf Krawall gebürstet – und man kann nur hoffen, dass er sich niemals zur Geldpolitik der EZB äußert. Diplomatie war noch nie seine Stärke. Das würde vermutlich einige Verwerfungen auf den Märkten geben.

Blick auf die Wirklichkeit

dump

Ende August haben die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die Gewerkschaft Nahrung- Genuss- Gaststätten (NGG) einen Dumpinglohn-Melder im Internet eingerichtet. Nach vier Tagen gab es dort knapp 500 Erlebnisberichte, Mitte September knapp 1.200. Rund 6,5 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten laut ver.di in Jobs, die kaum zum Leben reichen. Ist es da ein Wunder, dass sich SPD und Gewerkschaften für einen Mindestlohn einsetzen? Angela Merkel und ihr ausgewählter Kinderprinz Guido Westerwelle sträuben sich, weil sie den Verlust von Arbeitsplätzen befürchten. Obwohl die Mehrheit der EU-Staaten einen Mindestlohn kennt – und dort keine Arbeitsplatzverluste beobachtet wurden. Hören Angela und Guido vielleicht zu sehr auf den Wurzelsepp des neoliberalen Turbokapitalismus, den Präsidenten des Münchener Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn? Der hält die Löhne in Deutschland, tapfer, tapfer, immer noch für zu hoch. Und wundert sich, dass seit 20 Jahren jeder Aufschwung in Deutschland an der ausbleibenden privaten Nachfrage scheitert…

CDU beobachtet Web 2.0

Die CDU will offenbar nichts dem Zufall überlassen. Am Mittwoch (16. 9.) hat sie die Business Intelligence Group GmbH (B.I.G.) beauftragt, tagesaktuell die politische Stimmung im Web abzubilden. Mit einer Software namens B.I.G. Screen Cockpit soll das Web rund um die Uhr beobachtet werden. Die Firma zitiert in einer Pressemitteilung Stefan Hennewig, Leiter Internes Management der CDU: „Die Menschen verkünden ihre politischen Ansichten heute häufiger in Blogs, Foren und Communities als an Kneipenstammtischen. Angesichts der weiten Verbreitung des Internets erhalten wir mit dem B.I.G. Screen-Cockpit ein sehr interessantes Bild der politischen Stimmungslage in Deutschland.“ Das Webmonitoring helfe, „neu aufkommende Themen zu identifizieren und Veränderungen in den Online-Diskussionen zu erkennen“.

Die Steuer-Knute

Früher haben die Bauern gestöhnt, weil sie dem Kaiser oder König den Zehnten abliefern mussten. Mein Gott, was waren das für idyllische Zeiten! Heute währen wir froh, wenn mit zehn Prozent des Jahreseinkommens alle Steueren abgegolten wären. Ist Euch schon mal aufgefallen, dass Politiker und Bürger in Sachen Steuern eine absolut verschiedene Denke haben? Politiker denken nur in absoluten Zahelen. „Wir haben die XY-Abgabe um einen Prozentpunkt gesenkt- das entlastet die Büger um 16 Milliarden Euro.“ Nix da. Der Bürger merkt es vermutlich noch nicht einmal, wenn der Netto-Auszahlungsbetrag auf seinem Lohnzettel um 1,43 Euro gestiegen ist. Die Politiker aber glauben, „wir haben auf 16 Milliarden Euro Einnahmen verzichtet, nun muss aber der Konsumrausch ausbrechen“. Und wundern sich, wenn nix passiert…

Nötigung?

Welch ein Zufall. Jener Bundestagsabgeordnete, dessen (Nicht)-Bild ich auf „abgeordnetenwatch.de“ zur Illustration der Praktiken des an sich löblichen Web-Potals benutzt habe, schreibt den Gründern und Betreibern des Portals eine ziemlich erboste Mail, in der er ihnen fast so etwas wie Nötígung vorwirft. Da diese Mail von Sebastian Edathy an alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages gegangen ist, verrate ich kein Geheimnis, wenn ich seine Mail hier weitergebe:

edathy

„Rehburg, 25.08.2009

Sehr geehrter Herr Hackmack, sehr geehrter Herr Hekele,
ich bedanke mich für Ihre Email vom 20.08.2009 an alle Kandidierenden
zur Bundestagswahl und nehme zu Ihren Ausführungen und zur Sache gerne Stellung.

Die Bundestagsabgeordneten erhalten dieses Schreiben zur Kenntnis.

Sie schreiben, ich hätte kritisiert, „dass wir auf abgeordnetenwatch.de
zu den Bundestagswahlen 2009 um einen einmaligen, freiwilligen Projektkostenbeitrag bitten“.

Es wird aber nicht um einen „einmaligen, freiwilligen
Projektkostenbeitrag“ gebeten, sondern von diesem eine chancengleiche
Präsentation auf der Seite abhängig gemacht, was im Grunde einer
Nötigung nahe kommt.“

Continue reading „Nötigung?“

Streifzug

Bernard Madoff wird wohl als größter Anlagebetrüger der Welt in die Geschichte eingehen. Aber sein Schneeballsystem war beileibe nicht neu. Ein kleiner Streifzug durch die Geschichte der Wirtschaftskriminalität findet sich hier.

G8 war gestern

logoOh weh. Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi will sich zum Retter in der Finanzkrise aufschwingen. Anfang Juli ist er Gastgeber des nächsten G8-Gipfels. Sein Vorgänger Romano Prodi hatte dafür die Inselgruppe La Maddalena zwischen Sardinien und Korsika ausgesucht. Aber Berlusconi wäre nicht Berlusconi, wenn er nicht viel bombastischere Pläne hätte. Er würde viel lieber mit seinen sechs Kollegen und Frau Merkel auf der MSC Fantasia im Mittelmeer herum schippern. Das ist ein 333,3 m langes Kreuzfahrtschiff, das einer neapolitanischen Reederei gehört und unter panamaischer Flagge fährt. Vielleicht möchte er ja seinen Gästen zeigen, wie sauber Neapel geworden ist?

Spaß beiseite – ich glaube, die G8 haben sich endgültig überlebt. Das hat sogar das Auswärtige Amt gemerkt. Auf dessen Webseite heißt es: „Die internationalen Gewichte haben sich verschoben, hin zu Asien und anderen Schwellenländern. Deshalb müssen internationale Formate angepasst werden, um die Probleme des 21. Jahrhunderts zu lösen. Bundesaußenminister Steinmeier hat mehrmals auf die Bedeutung hingewiesen, die bestehenden Formate globaler Abstimmung zu öffnen und zu erneuern. Die G8 müssten erweitert werden.“

Wohl wahr. Man kann es auch anders ausdrücken: Die G8 haben sich überlebt. Sie repräsentieren zwar zwei Drittel der Weltwirtschaftsleistung, aber nur 14 Prozent der Weltbevölkerung. In der Gruppe der Zwanzig sind dagegen fast 90 Prozent der Weltwirtschaftsleistung und zwei Drittel der Weltbevölkerung vertreten. Unter ihnen viele Schwellenländer, die von der Finanzkrise besonders hart betroffen sind. Ihre Exportmärkte brechen zusammen, die Überweisungen ihrer Gastarbeiter bleiben aus, ausländisches Kapital wird abgezogen und unter europäischen und amerikanischen Rettungsschirmen geparkt. Soziale Unruhen rund um den Globus könnten die Folge sein. Darauf haben die G8 bestimmt keine Antworten.

Prost Frank!

Mit Bedauern muss ich heute lesen, was morgen, wenn überhaupt, im Wirtschaftsteil der einen oder anderen Tageszeitung zu lesen sein wird: „Silicon Graphics (SGI), Hersteller von Grafik-Workstations, ist das zweite Mal in den letzten drei Jahren zahlungsunfähig. SGI will nun für 25 Millionen US-Dollar Unternehmenswerte an Rackable Systems verkaufen, gab das Unternehmen bekannt. In einer Auktion werde noch nach einem höheren Gebot gesucht.“

„SGI konnte 2008 sein 25-jähriges Bestehen feiern und wurde bekannt für die Spezialeffekte in Filmen wie „Jurassic Park“. Die Studios DreamWorks Animation und Walt Disney zählen zu den Kunden SGIs. Das Unternehmen hat Gläubigerschutz nach Chapter 11 (US-Insolvenzrecht) bei einem Gericht in Manhattan beantragt. Darin listet die Firma Unternehmenswerte von 390 Millionen US-Dollar gegen Verbindlichkeiten in Höhe von 526 Millionen US-Dollar auf. Im Mai 2006 war SGI bereits einmal zahlungsunfähig.“

Traurige Geschichte. Silicon Graphics hat tolle Maschinen gebaut. Für 50.000 Dollar bekam man Anfang der 90er Jahre High-End-Rechner, an denen zum Beispiel der Autohersteller BMW seine Modelle designen konnte – für vergleichsweise wenig Geld. Das Geheimnis von SGI waren wohl die so genannten RISC-Prozessoren (Reduced Instruction Set), die zwar einen eingeschränkten Befehlssatz hatten, dafür aber rasend schnell waren. Zu Blütezeiten hatte deshalb SGI seinen Prozessorhersteller „Mips“ einfach aufgekauft.

1994, als bei uns in Deutschland kaum einer das Wort Internet buchstabieren konnte, hatte mein Klassenkamerad Frank für SGI ein Intranet entwickelt – basierend auf 600 Servern, die alle 13.000 Mitarbeiter von SGI weltweit zeitgleich mit allen Informationen versorgten. Firmen wie Boeing oder Banc of America hätten damals eine Menge dafür bezahlt, sich von SGI ebenfalls ein Intranet entwickeln zu lassen.

Zudem hätte man schon damals abgespeckte SGI-Maschinen als Internet-Server verkaufen können. Ein Milliardenmarkt, den sich heute Hersteller wie Sun und IBM teilen, den aber SGI komplett verschlafen hat. Frank hat das sinkende Schiff rechtzeitig verlassen und thront nun oberhalb des Silicon Valleys in den Los Altos Hills, als Nachbar von Oracle-Gründer Lawrence Joseph „Larry“ Ellison, der im Nachbarort Woodside residiert.

Prost Frank! Deine Weine, die Du aus Europa für amerikanische Kehlen importierst, schmecken hervorragend. Und Danke an Deine fact finding division.