Die Krise als Chance?

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Oweh! Wie weit geht’s denn noch runter? Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich deutlich verschlechtert. Der Ifo Geschäftsklimaindex ist im September 2022 auf 84,3 Punkte gefallen, nach 88,6 Punkten im August. Dies ist der niedrigste Wert seit Mai 2020. Dennoch gibt es notorische Optimisten.

Der Rückgang zieht sich durch alle vier Wirtschaftsbereiche wie Industrie, Bau, Handel und Dienstleistungen. Der Pessimismus mit Blick auf die kommenden Monate hat deutlich zugenommen. Im Einzelhandel fielen die Erwartungen sogar auf ein historisches Tief. „Die deutsche Wirtschaft rutscht in eine Rezession“, urteilt das Münchener Ifo-Institut, .das die Stimmung der deutschen Unternehmenslenker alle vier Wochen ermittelt.

Im Verarbeitenden Gewerbe ist der Index spürbar gefallen. Die Unternehmen waren unzufriedener mit den laufenden Geschäften. Sie blicken mit großer Sorge auf das nächste halbe Jahr. Im Dienstleistungssektor ist der Geschäftsklimaindex regelrecht abgestürzt. Die Firmen rechnen zudem mit einer weiteren spürbaren Verschlechterung in den kommenden Monaten, besonders die Gastwirte fürchten erneut schwere Zeiten. Im Handel hat sich das Geschäftsklima ebenfalls verschlechtert. Die Geschäftslage drehte erstmals seit Februar 2021 wieder in den roten Bereich. Auch im Bauhauptgewerbe hat der Index merklich nachgegeben.

Alle Anzeichen deuten also auf eine Abkühlung der Konjunktur, wenn nicht gar auf den Beginn einer Rezession. Auch von der Europäischen Zentralbank sind zurzeit keine Entlastungen zu erwarten – im Gegenteil. Viel zu lange hat sie die Explosion der Energiekosten und die kostentreibenden Störungen der Lieferketten für ein vorübergehendes Phänomen gehalten. Nun steuert sie mit – für EZB-Verhältnisse ungewöhnlich drastIschen – Zinsschritten massiv gegen die Inflation, auch auf die Gefahr hin, die Konjunktur vollends abzuwürgen.

Keine guten Nachrichten also für Anleger wie mich, die sich in Aktien und ETFs engagieren. Die Gewinne sind dahin geschmolzen, die Liste der Verlierer wird länger. Bleibt also nur, bei Gewitter den Kopf einzuziehen und die roten Zahlen auszusitzen. Schließlich werden rote Zahlen auf dem Papier erst dann zu echten Verlusten, wenn man die Nerven verliert und vorzeitig verkauft.

Natürlich gibt es auch notorische Optimisten. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung FAS hat zum Beispiel mit Matthias Born gesprochen, dem Investmentchef der Privatbank Berenberg. Der glaubt: „Für Anleger gibt es derzeit gute Chancen.“ Born zieht seinen Optimismus „aus der Erfahrung der Vergangenheit“. Ob Dotcom-Blase, Finanzkrise 2008 oder Covid-Pandemie – „die Muster bei Krisen sind sehr ähnlich“. Rückblickend habe es bei diesen Krisen immer perfekte Einstiegspunkte gegeben. Wenn man den Markt über Jahre beobachte, wisse man: „Es wird auch jetzt wieder aufwärts gehen.“

Das mag ja sein, setzt aber zum Beispiel voraus, dass jemand dem Psychopathen im Kreml auf die Finger klopft. Tatsächlich könnte man sich eigentlich die alten Sowjet-Zeiten noch mal zurückwünschen, denn damals gab es ein Politbüro, das Leute wie Putin, die allenfalls das Niveau eines Kleinkriminellen besitzen und nur zufällig die Hand am roten Knopf haben, vermutlich rechtzeitig aussortiert hätte.

Außerdem gelingt es praktisch keinem Anleger, den perfekten Zeitpunkt zu finden – weder für den Einstieg noch für den Ausstieg. Natürlich ist es verlockend, die Verluste im Portfolio jetzt durch Nachkauf rechnerisch zu minimieren – doch erstens weiß man noch nicht, wie tief es runtergeht, und zweitens sollte man dafür keinesfalls seine letzten Reserven einsetzen. Engagements in Aktien und ETFs sollten immer mit Mitteln vorgenommen werden, deren Totalverlust zwar schmerzlich, aber nicht existenzbedrohend ist.

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