Crowding Out – wann schlagen Konjunkturprogramme ins Gegenteil um?

Finanzminister Peer SteinbrückIch mag Peer Steinbrück, unseren Finanzminister. Ich habe ihn vor einigen Sommern in Bonn kennengelernt, als er noch kein bundespolitisches Amt hatte und ohne Jackett und Krawatte, sondern nur mit Hosenträgern durch das ehemalige Bonner Regierungsviertel geschlendert ist und Anekdoten erzählt hat. Sehr unterhaltsam.

Am vergangenen Freitag (30.1.2009) hat er im Bundestag das Konjunkturprogramm der Bundesregierung verteidigt – und gleichzeitig klar gemacht, dass es für solche Hilfen auch Grenzen gibt.

Peer Steinbrück hat Sorgen. Nämlich dass Konjunkturprogramme in Höhe von 70 bis 80 Milliarden Euro nicht nur die Verschuldung des Staates in die Höhe treiben, sondern auch die Wirtschaft bremsen statt anfeuern können.

Amerikanische Wirtschaftswissenschaftler haben für diese Gefahr einen Begriff geprägt: Crowding Out, auf Deutsch etwa: Die Masse vertreiben. In der Tat ist es momentan für alle Regierungen der Welt relativ günstig, neue Schulden zu machen, um nationale Konjunkturprogramme auf den Weg zu bringen. Denn die Zinsen tendieren zwar überall gegen Null, doch davon profitiert der Staat mehr als alle anderen. In Krisenzeiten steuern nun einmal viele Investoren den sicheren Hafen der Staatsanleihen an, obwohl diese sehr viel niedriger verzinst werden als andere Anleihen. Oder andersherum: Unternehmen, die bisher ihr Wachstum mit der Ausgabe von Unternehmensanleihen finanzieren konnten, haben plötzlich Probleme, Käufer für ihre Anleihen zu finden.

Das zeigt die Grenzen nationaler Konjunkturprogramme auf: Der Staat verdrängt die üblichen Kreditnehmer auf dem Kapitalmarkt. Nicht etwa, weil er die besseren Zinsen bietet, sondern weil er in Krisenzeiten den vermeintlich sichereren Hafen bietet.

Mit anderen Worten: Kein Staat dieser Welt kann Konjunkturprogramme ad infinitum ausdehnen, nur weil momentan für ihn die Zinsen, gleichbedeutend mit Risikoprämien, so günstig sind wie noch nie. Staaten, die die momentan günstige Finanzierung für exorbitante Krisenprogramme nutzen, müssen sich immer fragen, ob sie damit nicht indirekt der heimischen Wirtschaft schaden, weil sie auf dem Kreditmarkt mit den Unternehmen ihres Landes konkurrieren und diese verdrängen, so gut auch ihre Absichten gemeint sind. Komisch: Warum fällt mir in diesem Zusammenhang Barack Obama und sein Konjunkturprogramm über mehr als 800 Milliarden Dollar ein? Vermutlich, weil amerikanische Unternehmen bei diesen ambitionierten staatlichen Plänen als erstes die Opfer eines Crowding Out sein könnten.

Oder ist dieses Crowding out am Ende ebenso theoretischer Natur wie der berühmte Credit Crunch, die Kreditklemme, unter der die Unternehmen angeblich zu leiden haben? Über letztere, die Kreditklemme, hört man in Deutschland völlig unterschiedliche Dinge. Einige Branchen beklagen sich über knauserige und zurückhaltende Banken, während andere Banken, zum Beispiel die genossenschaftlich organisierten Volks- und Raiffeisenbanken sagen, sie könnten ihr Kreditvolumen für die mittelständischen Wirtschaft von heute auf morgen mühelos um 60 Prozent oder einige Milliarden Euro aufstocken. Was stimmt denn nun? Kreditklemme oder mangelnde Kreditnachfrage infolge magerer Konjunkturaussichten?

Ähnlich wird es sich mit dem Phänomen des Crowding Out verhalten. Real oder nicht real: Es wird – als Argument – überall dort herhalten müssen, wo sich Unternehmen auf dem Anleihemarkt benachteiligt fühlen. Und überall dort, wo Regierungen nicht mehr willens sind, die Wirtschaft weiter auf Kosten des Steuerzahlers zu alimentieren.

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