Plattformökonomie

Money, money, money
Money, money, money
Da jubelt der deutsche Branchenverband für die IT-Industrie, Bitkom: „Ob Computerspezialist, Nachhilfelehrer oder Putzhilfe: Dienstleistungen rund um den Haushalt werden künftig häufiger über das Internet organisiert. Das zeigt eine repräsentative Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom unter 1.135 Internetnutzern ab 14 Jahren. Demnach kann sich fast die Hälfte der Befragten (46 Prozent) vorstellen, Dienstleistungen rund um Computer oder Unterhaltungselektronik im Netz zu buchen, z.B. einen Reparatur- oder Montageservice.

Rund 44 Prozent interessieren sich für die Online-Buchung von Reparaturangeboten rund um den Haushalt. 42 Prozent können sich vorstellen, eine Putzhilfe über das Internet zu engagieren. Die Online-Buchung von Bildungs- und Nachhilfeangeboten finden 40 Prozent interessant, und bei Reparaturen von Auto oder Fahrrad sind es 36 Prozent. 29 Prozent interessieren sich zudem für den Koch-Service aus dem Netz und 26 Prozent können sich vorstellen, die Betreuung von Familienmitgliedern online zu organisieren.“

„Was vor einigen Jahren mit Vermittlungsplattformen für Car Sharing und Unterkünfte begann, hat sich mittlerweile in ein breites Angebot von online buchbaren Dienstleistungen aller Art weiterentwickelt“, sagt Bitkom-Experte Tobias Arns. Die Vorteile seien ähnlich wie beim Online-Einkauf von Waren: „Der Kunde kann bequem Termine online buchen und Angebote sowie Preise vergleichen.“

Viele dieser Plattformen kümmern sich außerdem um die Sozial- und Haftpflichtversicherung der Servicekräfte, so Arns. So könne der Kunde sicher sein, dass Schwarzarbeit verhindert werde und sein Eigentum versichert sei. Fast ein Drittel der Befragten (31 Prozent) hat schon einmal einen Service im Internet bestellt. Von denjenigen, die solche Angebote noch nie in Anspruch genommen haben, können sich insgesamt 69 Prozent vorstellen, dies künftig zu tun. „Die Vorteile einer Online-Buchung von Dienstleistungen werden sich in den kommenden Jahren herumsprechen und die Nutzung wird entsprechend steigen“, so Arns – und so die Jubelarie des Bitkom-Verbandes.

Tatsächlich hat sich aus Sicht der Verbraucherschützer durch die vielen Internet-Portale für alles und jeden – vom Kleinanzeigenmarkt bis zum Fachbedarf für Gebrauchsdackelzüchter – Revolutionäres abgespielt: Erstmals ist der Verbraucher in der Lage, so etwas wie Preistransparenz herzustellen. Eine simple Recherche im Netz genügt, um ein Gefühl für den richtigen Preis für ein Produkt oder eine Dienstleistung zu bekommen.

Allerdings muss diese Tausch- oder Plattformökonomie über Internet-Portale nicht immer segensreich wirken, es können sich auch Rebound- oder Boomerang-Effekte einstellen. So kann zum Beispiel die tageweise Vermietung von Zimmern oder Wohnungen über Plattformen wie Airbnb die Wohnungsnot in den Städten verschlimmern. Angebote wie das beliebte CarSharing machen dem Öffentlichen Personennahverkehr Konkurrenz, dort könnte wegen des neuen Wettbewerbs so manche sinnvolle Investition unterbleiben.

Auch die aggressiven Taxidienste wie Uber sind problematisch. Nicht, weil sie eine alteingesessene Branche aufmischen, sondern weil sie die Anbieter zu Kleinstunternehmern degradieren, die sämtliche Risiken alleine tragen müssen. Teilen via Internet – das klingt erst mal ganz gut, ist aber bedenklich, wenn immer mehr Bereiche des Lebens ökonomisiert werden.

Allzu schnell gerät der Anbieter von Dienstleistungen in unregulierte Bereiche, in denen Arbeitnehmerrechte unterlaufen werden. De facto handelt man als Selbständiger, der sämtliche Risiken alleine trägt: Tariflöhne, Arbeitsschutz, Absicherung im Krankheitsfall? Fehlanzeige. Nicht umsonst warnen Gewerkschaften bereits vor einem neuen Prekariat, das sich über das Internet ausbeuten lässt. Der Jubel des Digitalverbandes Bitkom sollte deshalb etwas leiser und differenzierter ausfallen.

Published by