Wirtschaft in Online-Medien – stark gefragt?

Folgende Pressemitteilung flatterte uns heute ins Haus: „Hinter den 16 relevantesten deutschen Angeboten für Wirtschaftsberichterstattung im Internet stehen Online-Redaktionen von zwei bis sieben Redakteuren. Im Verhältnis zur Gesamtredaktion, die aus sechs bis hundert Festangestellten besteht, weisen die Online-Wirtschaftsres­sorts eine vergleichsweise niedrige personelle Ausstattung aus. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Instituts für Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der FU Berlin im Auftrag des Ernst-Schneider-Preises der deutschen Industrie- und Handelskammern. Der Vorsitzende des Ernst-Schneider-Preis e.V., Walter Richtberg, hält diese Ausstattung in der heutigen Zeit für „ungenügend“.

Die Anbieter von Wirtschaftsthemen sind überwiegend etablierte Medienmarken aus Print und Fernsehen: Spiegel Online, die Online-Ableger wöchentlicher Printtitel wie Focus, Zeit, Stern, überregionale Zeitungen wie Welt, F.A.Z., Süddeutsche Zeitung, das reichweitenstarke Angebot von Bild, die Websites der Wirtschaftspresse Handelsblatt, Manager Magazin, Financial Times Deutschland und Wirtschaftswoche, sowie die Fernsehnachrichtenanbieter ARD, n-tv, N24 und als einziges reines Onlinemedium die Netzeitung. Bei der Wertung blieben Medien unberücksichtigt, die entweder von der kommerziellen Werbereichweiten- und Nutzungsforschung nicht erfasst werden, einen unterdurchschnittlichen redaktionellen Anteil haben oder bei typischen Suchabfragen nicht unter den ersten 20 Treffern rangierten.

Wirtschaftsberichterstattung hat im Internet eine besondere Bedeutung gewonnen. Sie stellt bei online vertriebenen Nachrichtenangeboten einen Schwerpunkt dar, während die Muttermedien stärker auf nationale und internationale Politik fokussieren. Die befragten Online- Wirtschaftsressorts erstellen ein Angebot, das sich aus Beiträgen des Muttermediums, aus Agenturmeldungen (zusammen 75 bis 90 Prozent) und selbst recherchierten Geschichten zusammensetzt. Dieser Anteil originärer, für das Internet geschriebener Artikel variiert je nach Medium. Er beträgt durchschnittlich rund 20 Prozent des Wirtschaftsangebots.

Online-Wirtschaftsberichterstattung erreicht eine andere Zielgruppe als die klassischen Wirtschaftsmedien. Die befragten Anbieter von Wirtschaftsinformationen gaben an, dass ihre durchschnittliche Zielgruppe im Netz meist „männlicher“, jünger und gebildeter als das klassische Stammpublikum ist. Interesse finden besonders populäre Wirtschaftsthemen, zum Beispiel aktuelle und vertiefende Nachrichten zur Wirtschaftskrise. Längere Texte mit Hintergründen können ebenfalls hohe Abrufzahlen aufweisen. Kommentare werden im Internet häufig gelesen. Leitartikel gelten als „Klick-Granaten“. Alle Anbieter versuchen, onlinespezifische Potenziale zu erschließen. Dazu zählen multimediale Darstellung, Aufbereitung von Strukturwissen, Angebote an den Nutzer zur Antwort und zum Meinungsaustausch in Blogs und Foren sowie Nachrichtenabonnenments.

Der Studie zufolge hat User Generated Content, also Informationen und Meinungen der Nutzer, bei Wirtschaftsinformationen eine eher geringe Bedeutung. Das gilt auch für Wirtschafts­blogs, die überwiegend Servicecharakter haben und Informationen zum Thema Geld, Kredit, Versicherungen geben. Eine Ausnahme bildet das umfassende Angebot von Wikipedia, das aufgrund fehlender redaktioneller Verantwortung nicht in die Untersuchung einbezogen wurde.“

Soweit die Pressemitteilung, weitere Informationen gibt es hier. Da kann man schon ins Grübeln kommen. Denn die Pressemitteilung trägt die Überschrift: „Wirtschaft in Online-Medien stark gefragt“. Genau diesen Nachweis bleibt die Untersuchung aber schuldig. Wie sollte man das auch messen, wenn die Top-Drei-Suchbegriffe einschlägiger Suchmaschinen sich auf Sex, Porno und Erotik beschränken?

Traurig ist auch, dass unsere Wirtschaftsredaktion mit ihrem Online-Angebot nicht erwähnt wurde, obwohl wir uns beileibe nicht verstecken brauchen. Wir sind zwar auch nur sechs bis sieben RedakteurInnen, aber unser Anteil an selbst recherchierten Geschichten macht mindestens 80 Prozent aus – täglich. Und unsere Podcasts behaupten sich bei iTunes fast jeden Tag unter den ersten sechs Angeboten. Mal Platz eins, mal Platz sechs.

Auch für uns gilt wohl die Regel: Du kannst so guten Content produzieren wie du willst, wenn Google dich nicht bemerkt, bist du nichts. Darüber komme ich aber erst recht ins Grübeln. Denn schließlich haben wir nicht nur eine Hauptabteilung, sondern sogar eine Direktion „Neue Medien“. Und eine Marketingabteilung haben wir auch. Also bitte: Wovor müssen wir uns verstecken?

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