Wie man mit Märchen Klimapolitik hintertreibt

Grafik: DIW

Populistische Parteien nutzen gezielt Narrative über soziale Ungerechtigkeit, um Klimapolitik als unsozial und von Eliten getrieben darzustellen. Das zeigt eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

Die Autoren Matilda Gettins und Lorenz Meister haben sich gefragt, wie sich drei verbreitete Narrative über die mit klimapolitischen Maßnahmen verbundenen Kosten auf populistische und klimapopulistische Einstellungen auswirken. Dazu haben sie gut 1.600 Personen online befragt. „Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere das Narrativ, wonach einkommensschwache Haushalte überproportional belastet werden, klimapopulistische Haltungen verstärkt und die Zufriedenheit mit Demokratie senkt“, schreiben die DIW-Autoren. Dies gelte vor allem für Frauen und in einkommensschwachen, ostdeutschen und konservativen Wählergruppen.

Was ist überhaupt Populismus? Darunter verstehen die Autoren eine politische Denkweise, die die Gesellschaft in zwei gegensätzliche Gruppen einteilt: „das einfache Volk“ auf der einen Seite und „die korrupte Elite“ auf der anderen. Populistische Akteure fordern, dass die Politik ausschließlich den „Willen des Volkes“ widerspiegeln solle – und was der Wille des Volkes ist, das wissen die Populisten natürlich besser als alle Anderen.

In der Forschung wird Populismus oft nicht direkt über Parteipräferenzen, sondern über Einstellungen gemessen  Ein gängiger Ansatz basiert auf Aussagen, die die Einstellung zu drei Kernelementen des Populismus erfassen: Anti-Elitismus (Kritik an den Mächtigen), Anti-Pluralismus (Ablehnung vielfältiger Meinungen), und Volkssouveränität (Forderung nach direkter Volksentscheidung). So sollten die Befragten zum Beispiel folgende Aussage bewerten: „Klimapolitik ist größtenteils ein Projekt der Eliten, welches das einfache Volk nicht berücksichtigt“ –  auf einer Skala von Null (totale Ablehnung) bis zehn (volle Zustimmung). Diese Vorgehensweise ermöglicht es, Populismus unabhängig von Parteibindung oder Wahlverhalten zu erfassen. Und weil der Begriff „Populismus“ in den Fragen gar nicht vorkommt, werden Verzerrungen im Antwortverhalten vermieden.

Das Narrativ, wonach Unternehmen keine Verantwortung übernehmen, verstärkt vor allem unter Männern und in ostdeutschen und linken Wählergruppen klimaskeptische Einstellungen. Das Narrativ, wonach Klimapolitik die deutsche Volkswirtschaft belastet, wirkt vor allem in der rechten Wählerschaft, heißt es in der Studie weiter. „Narrative können die politische Einstellung stark beeinflussen – vor allem, wenn sie Verteilungsfragen zuspitzen“, sagt Lorenz Meister, Doktorand im Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) im DIW Berlin. Er hat die Studie gemeinsam mit Matilda Gettins von FiscalFuture, einer Nichtregierungsorganisation, erstellt.

Das Unternehmensnarrativ wirkt hingegen vor allem unter Männern, in ostdeutschen Regionen und in linken Wählermilieus. Das Wirtschaftsnarrativ, wonach Klimapolitik die deutsche Volkswirtschaft schwächt, findet besonders in der rechten Wählerschaft Resonanz. „Politische Debatten basieren nicht allein auf Fakten – vereinfachende Geschichten haben große Macht, gerade wenn sie markant und leicht zu merken sind“, so Meister.

Die Studie unterstreicht, dass es nicht nur auf die Narrative selbst, sondern auch auf die Ausgestaltung der Klimapolitik ankommt. „Werden Maßnahmen als gerecht wahrgenommen – etwa durch sozial ausgewogene Ausgleichsmechanismen wie das Klimageld – verlieren polarisierende Narrative an Wirkung“, schreibt das DIW. Entscheidend sei zudem eine transparente Kommunikation, die Verteilungskonflikte nicht verschweige, sondern offen adressiere. „Klimapolitik muss sozialpolitisch eingebettet sein und Sorgen ernst nehmen. Nur so lässt sich klimapopulistischer Vereinnahmung wirksam begegnen“, betont Matilds Gettins.

Die Studie kann man hier als PDF herunterladen.

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Milliardenparty für die falschen Ziele?

Foto: uschi dreiucker / pixelio.de

Trotz maroder Brücken, Schienen, Straßen, Schulen: Eine nicht geringe Anzahl führender Ökonomen hält neue Schulden für die Infrastruktur nicht für das wichtigste Ziel in der neuen Legislaturperiode. „Massive Schulden für Investitionen in die Infrastruktur, wie sie gegenwärtig von Union und SPD vorgesehen sind, zählen nicht zu den wichtigsten Reformthemen der neuen Bundesregierung“, heißt es in einer Pressemitteilung des Münchener Ifo-Instituts.

Das Institut hat zusammen mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zwischen Ende Februar und Anfang März über 200 Professorinnen und Professoren der Wirtschaftswissenschaften zu den drängensten Problemen der neuen Bundesregierung befragt. Wichtiger wären aus Sicht der Befragten Reformen in den Bereichen Bürokratie, Renten-, Energie- und Klimapolitik.

Die befragten Ökonominnen und Ökonomen befürworten Schulden zur Finanzierung des  Mehrbedarfs in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Dies gelte sowohl für eine Finanzierung über ein neues Sondervermögen, wofür 71 Prozent der Befragten stimmen, als auch für eine Ausnahme von Verteidigungsausgaben bei der Schuldenbremse, was 68 Prozent der Teilnehmenden befürworten. „Die Sicherheitslage ist gegenwärtig so labil, dass es bemerkenswert großen Zuspruch für Schulden zur Finanzierung der neuen Sicherheitsanforderungen gibt“, sagt einer der Autoren der Studie, Niklas Potrafke.

Bürokratieabbau wird als das wichtigste Reformthema der neuen Bundesregierung angesehen. Weitere wichtige Reformbereiche sind nach Ansicht der Befragten die Rentenpolitik und die Energie- und Klimapolitik. Viele der befragten Expertinnen und Experten wollen das Renteneintrittsalter weiter anheben und den Bundeszuschuss zur Rentenversicherung begrenzen. Im Bereich der Energiepolitik fordern die Experten eine konsequentere Ausrichtung am CO2-Preis und den Abbau ineffizienter Subventionen.

Grundsätzlich bewerten die befragten Ökonominnen und Ökonomen eine schwarz-rote Koalition in Hinblick auf politische Stabilität und die internationale Wettbewerbsfähigkeit positiv. 63 Prozent der Befragten rechnen mit höherem Wirtschaftswachstum, 77 Prozent erwarten eine stärkere Rolle Europas in internationalen Beziehungen.

Die detaillierten Ergebnisse gibt es hier: