Der Bundestag hat am Donnerstag eine Gesetzesänderung beschlossen, von der sich viele Internet-Nutzer eine deutliche Erleichterung für öffentliche WLAN-Angebote versprechen. Zentraler Punkt bei der beschlossenen Änderung des Telemediengesetzes ist die Abschaffung der sogenannten Störerhaftung – einer typisch deutschen Spezialität. Bislang konnten nämlich Betreiber offen zugänglicher Funknetzwerke belangt werden, wenn Nutzer des WLAN-Angebots Rechtsverstöße begingen, zum Beispiel durch illegale Downloads. Dies soll nun nicht mehr möglich sein.
Auf den genauen Wortlaut der Gesetzesänderung hatte sich die Große Koalition in Berlin erst am Dienstag geeinigt. Ursprünglich war vorgesehen, dass WLAN-Anbieter „einfache Sicherheitsvorkehrungen“ wie ein Passwort oder eine Einverständniserklärung zum rechtskonformen Verhalten vorschalten müssen, um eine eigene Haftung für Verstöße von Nutzern auszuschließen. Diese Zugangshürden entfallen nun. Hotspot-Anbieter werden damit sonstigen Internetprovidern rechtlich gleichgestellt. Gegen den ursprünglichen Gesetzentwurf hatte es heftigen Protest gegeben. Unter anderem Verbraucher- und Handelsverbände hatten gefordert, die Störerhaftung komplett abzuschaffen.
Ein großer Wurf?
Sollte der Großen Koalition in Berlin also ausnahmsweise ein großer Wurf gelungen sein? Nein. Ob tatsächlich für WLAN-Betreiber die rechtliche Unsicherheit abgeschafft wird, daran habe ich erhebliche Zweifel.
Denn der Ausschluss von Haftungsansprüchen – um die geht es in der Regel – der taucht gar nicht im Gesetz auf, sondern steht nur in der angefügten Begründung zum Gesetz. Ein typischer Formelkompromiss der Großen Koalition, denn damit wird die Verantwortung vom Gesetzgeber auf die Gerichte verlagert. Folgen sie der Begründung des Gesetzgebers, wäre das tatsächlich das Ende der Störerhaftung. Ob sie das aber tatsächlich tun, steht auf einem andern Blatt – denn kein Richter in Deutschland ist gezwungen, die Begründung eines Gesetzestextes zu lesen.
Kein Wunder, dass Fachleute von einem faulen Kompromiss, von einem Pferdefuß im Gesetzestext, ja von einer Mogelpackung sprechen. Denn die Rechtsunsicherheit ist damit keineswegs abgeschafft, die Störerhaftung könnte durch die gängige Rechtsprechung wieder eingeführt werden.
Die Politik ist eingeknickt
Es drängt sich der Eindruck auf, dass sich die Lobbyisten der Musik- und Filmindustrie bei den Berliner Politikern durchgesetzt haben. Störerhaftung besagt: Wer sich „gestört“ fühlt, weil eines seiner Rechte verletzt wird, kann unter bestimmten Voraussetzungen von allen dafür Verantwortlichen verlangen, ihre Mitwirkung an der Rechteverletzung zu unterlassen, etwa, wenn urheberrechtlich geschützte Musik oder Filme im Netz angeboten werden. Rechteinhaber können dann gegen den „Mitstörer“, also auch den WLAN-Betreiber, einen Unterlassungsanspruch geltend machen. Der ist wiederum Grundlage für teure Abmahnungen von Anwälten der Rechteinhaber, die letztlich kostenpflichtige Aufforderungen sind, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen.
Durch diese krude Störerhaftung ist in Deutschland eine ganze Abmahn-Industrie entstanden. Das erklärt auch, weshalb Deutschland im internationalen Vergleich ein schon peinliches Schlusslicht bei der Verbreitung frei zugänglicher Hotspots ist. Denn kein WLAN-Betreiber öffnet sein Netz freiwillig, wenn Anklagen oder mindestens kostenpflichtige Abmahnungen drohen.
Wie das Haftungsrisiko für WLAN-Betreiber in Zukunft einzuschätzen ist, hängt davon ab, wie die Gerichte mit der Neuregelung umgehen werden. Ob mit der halbherzigen Novellierung des Telemediengesetzes tatsächlich dem Abmahn-Geschäft eine Ende bereitet wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls haben die Politiker in Berlin die Chance vertan, ein Stück typisch deutscher Kleingeistigkeit über Bord zu werfen.
Im März hatte übrigens der zuständige Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof in einer Stellungnahme festgestellt, dass die Betreiber öffentlicher WLAN-Netze nicht für Urheberrechtsverletzungen der Nutzer verantwortlich gemacht werden können. Damit steht die deutsche Sonderregelung der Störerhaftung auch im Grundsatz zur Disposition. Doch die Berliner Regierungspolitiker waren zu feige, Nägel mit Köpfen zu machen.
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